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Starkes Duo – bio und regional

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Bio-Produkten stark gestiegen. Viele Verbraucher wünschen sich zudem hochwertig produzierte Lebensmittel aus ihrer Region. Während es bei Bio-Lebensmitteln klare Richtlinien gibt, ist der Begriff Regionalität nicht eindeutig definiert. Im Zusammenspiel ergänzen sich Bio-Qualität und Regionalität am besten.
von Jasmin Maringgele

Innerhalb der europäischen und regionalen Agrarpolitik stellen Landwirtschaft und Umweltverträglichkeit aktuell einen Schwerpunkt dar. In Südtirol stieg das Interesse am Umstieg auf Bio-Anbau vor allem zwischen 2015 und 2018 stark an. Gemäß Daten des Landes Südtirol hat der Anteil an Flächen, welche in Südtirol nach den Richtlinien des biologischen Anbaus bewirtschaftet werden, in den vergangenen Jahren über alle Sparten hinweg zugenommen. Der größte Flächenanteil entfällt hierbei auf Kern- und Steinobst. Besonders stark nimmt der Bio-­Anbau gegenwärtig im Weinbau zu, da viele größere Kellereien Bio-­Weine in ihr Angebot aufgenommen haben. Der Bioflächen-Anteil in der Land- und Viehwirtschaft beträgt in Südtirol derzeit etwa 8 Prozent, Tendenz steigend. Für viele Verbraucher steht die regionale Herkunft ihrer Produkte an erster Stelle. Allerdings ist der Begriff „regional“ nicht eindeutig. Hierbei kann es sich um ein Erzeugnis aus dem Ort handeln oder von weiter weg. Kurze Transportwege, Saisonalität und Frische werden zumeist zurecht mit Regionalität in Verbindung gebracht. Hinzu kommt der positive Aspekt einer regionalen Kreislaufwirtschaft: die heimische Wirtschaft und Kleinproduzenten werden aktiv unterstützt, anstatt globaler (Groß-)Konzerne.
Ökologisch erzeugte Lebensmittel, die je nach Siegel und dessen Auflagen hergestellt werden, müssen sich an gewisse Standards und Richtlinien halten. Lebensmittel, welche nach hiesigen Bio-Richtlinien angebaut und vertrieben werden, sind aus gesundheitlichen und ethischen Gründen für viele Verbraucher zunehmend attraktiv. Natürlich bringt es weder der Umwelt noch der Gesundheit einen Vorteil, im Winter weitgereiste Bio-Erdbeeren aus einem Glashaus in Spanien zu kaufen. Als starkes Duo können sich daher insbesondere regionale Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft positionieren. Sei es im Supermarkt, kleineren Bio-Läden oder an wöchentlichen Bauernständen – das Sortiment an Bio-Lebensmitteln wächst stetig und die Nachfrage steigt.

Biodynamische Land­wirt­schaft in Südtirol
Im Bio-Anbau nimmt die Landwirtschaft nach strengen Demeter-Richtlinien eine Sonderform ein. Die sogenannte „Biologisch-­dynamische Anbau- und Wirtschaftsweise“ orientiert sich dabei an einer ganzheitlichen Betrachtung von Boden, Erde und Kosmos. Demeter-Produkte werden im Einklang mit der Natur hergestellt und verarbeitet. In Südtirol und im Trentino werden derzeit 1489 Hektar Land von 200 zertifizierten Demeter-Betrieben bewirtschaftet. Einer dieser Pioniere ist Christian Drescher. Er bewirtschaftet seit 20 Jahren einen vielfältigen Demeterhof in Burg­stall und ist im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für „Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise“ tätig.

Die Bedeutung der Landwirtschaft hat in Südtirol eine lange Tradition und einen hohen Stellenwert. Hierbei steigt der Bio-­Sek­tor seit einigen Jahren kontinuierlich an. Wie haben Sie die letzten 10, 20 Jahre diesbezüglich erlebt?
Christian Drescher: Persönlich habe ich vor 20 Jahren meinen Betrieb übernommen und auf Demeter-Anbau umgestellt. Seit dieser Zeit gab es in meinem Um­feld eine langsame, organische Zunahme der Biobauern. Was sich stark geändert hat, war die Vermarktung: basierte diese anfangs auf Bioläden (Äpfel) und auf wenige Genossenschaften und Händler, so wuchs das Bioangebot, aber auch Demeter, in den letzten paar Jahren aus dieser Nische heraus. Die Produkte waren bei immer mehr Großverteilern und sogar Discountern zu finden. Auch die Vermarktungsstrukturen wurden mehr. So sehr dies einerseits positiv ist, so müssen wir für die Zukunft doch auf­passen. Bio- und Demeterprodukte waren in den letzten Jahren nicht nur durch hochqualitative Ware, sondern auch durch wertschätzende Handels- und Arbeitsbeziehungen gekennzeichnet. Eine „Konventionalisierung“ war in Ansätzen bereits in den letzten Jahren festzustellen und sollte nicht weitergehen.

Biobauer Christian Drescher

Innerhalb des Bio-Segments steht das Demeter-Siegel für noch strengere Richtlinien. Wo liegen die Unterschiede zum „normalen“ Bio-Betrieb?
Als Öko-Pionier seit 1924 nimmt der Verband Demeter die Qualitätsführerschaft in Bio für sich in Anspruch. Wesentliche Pluspunk­te und Voraussetzungen sind:
• Gesamtbetriebsumstellung
• obligatorische Tierhaltung für landwirtschaftliche Betriebe, welche größer als 5 Hektar sind
• 100 % des Futters muss Bio-Futter sein. 2/3 des gesamten eingesetzten Futters muss Demeter sein, bei Wiederkäuern muss der Demeter-Anteil bei 80 % liegen. Mindestens 50 % des Futters muss vom eigenen Hof oder einer Betriebskooperation stammen,
• kein schmerzhaftes Enthornen der Kühe
• Einsatz biologisch-dynamischer Präparate aus Kräutern, Mineralien und Kuhmist
• eigene Sorten und Züchtungsarbeit bei Getreide, Gemüse und Geflügel. Bei Getreide dürfen nur samenfeste Sorten verwendet werden, Hybridsorten sind ausgeschlossen. Generell dürfen keine Sorten aus Zellfusionstechnik verwendet werden
• nur wenige absolut notwendige Zusatzstoffe und Prozesshilfsstoffe sind in der Verarbeitung erlaubt. Jodierung, Nitritpökelsalz und so genannte natürliche Aromen sind verboten. Ausschließlich Aromaextrakte sind zugelassen. Die EU-Bio-Verordnung erlaubt noch Zusatzstoffe, die bei Demeter tabu sind.

Wie viele Landwirte gibt es in Südtirol, die in Demeter-Qualität wirtschaften und wie sind diese organisiert?
Unser Verband ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Waren es um die Jahrtausendwende noch 50 Landwirte, so arbeiten zurzeit über 200 Betriebe in Südtirol und dem Trentino nach Demeter-­Richt­linien. Die meisten dieser Landwirte sind in der Arbeitsgemeinschaft für die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise Bozen-Trient (ARGE) organisiert. Die ARGE organisiert die Herstellung der biodynamischen Präparate, die Fortbildung und Beratung der Mitglieder. Sie ist auch Interessenvertreter gegenüber dem „Rest der Welt“. Zusätzlich sind die Landwirte im gesamtitalienischen Demeter-Verband zusammengeschlossen, der die biodynamische Qualität zertifiziert.

Wohin sollte sich Südtirol in der Landwirtschaft entwickeln?
Die Landwirtschaft muss sich in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln. Sie hätte das Potential, CO2 zu speichern, anstatt es zu produzieren. Dazu muss sie vor allem die Böden wieder aufbauen. Ein gut strukturierter Boden nimmt nicht nur CO2 auf, er ist auch in der Lage Starkregen aufzunehmen wie ein Schwamm und dann langsam wie­der an die Pflanzen abzugeben. Damit könnte die Landwirtschaft der Zukunft Leistungen für die Allgemeinheit bringen, deren Wich­tigkeit gerade in diesem Jahr der Extremereignisse klar auf der Hand liegt. Verminderung von Umweltverschmutzung, Stichworte Abdrift und Gewäs­ser­ver­schmut­zung, ist eine weitere Baustelle der Landwirtschaft. Eine dritte Baustelle sehe ich im starken Import von Futtermitteln und anderen Betriebsgrundstoffen mit allen damit verbundenen Problemen, wie Ausbeutung und Überdüngung. Von den Entscheidungsträgern erwarte ich mir klare und mutige Schritte mit einer entsprechenden Ausrichtung der Förderungen und Richtlinien.