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Paten und Patenkinder als Partner

Es gibt viele Möglichkeiten, eine Straße zu benennen: zum Beispiel nach einer bekannten Persönlichkeit, nach einem historisch bedeutsamen Datum oder nach einem anderen Ort, zu dem eine geographische oder kulturelle Beziehung besteht.

Wer in Algund von der Pfarrkirche zum Hl. Josef die Peter-Thalguter-Straße hinunterspaziert, vorbei am Sägewerk, an dem es nach frisch geschnittenem Holz riecht, und der Eisdiele, in der nach dem Lockdown wieder Eisbecher genossen werden, kommt an die Abzweigung zur Etzenrichtstraße. Benannt wurde sie nach dem gleichnamigen bayerischen Ort, einer Gemeinde in der Oberpfalz mit 1500 Einwohnern, die seit über 50 Jahren Algund freundschaftlich verbunden ist. Die 1950er und 1960er Jahre waren in Südtirol keine einfache Zeit. Trotz Ende des Faschismus, Pariser Vertrag und Autonomiestatut war es für die deutschsprachige Bevölkerung immer noch schwierig, die eigene Kultur zu leben und zu erhalten. Aus diesem Grund suchten viele Dörfer nach Partnerschaften im deutschen Sprachraum. Wie das Leben in Südtirol aussehen, wie und ob sich die politischen Verhältnisse klären werden, war mehr als unsicher. Umso wichtiger war ein Gefühl der Verbundenheit mit Menschen gleicher Muttersprache und gleichem kulturellem Hintergrund. Besonders die Musik bot vielfältige Möglichkeiten des Austauschs und des Miteinanders. Neben dem Wunsch, bei konkreten Problemen zu helfen – wie dem Bau eines Kindergartens –, stand die Vision, „in brüderlicher Weise und über alle Grenzen hinweg […] an einem geeinten Europa“ mitzubauen.

Jahrzehntelange Freundschaft
Algund und Etzenricht sind durch eine 52-jährige Patenschaft verbunden. Beiden Orten ging es aber von Anfang an darum, sich gegenseitig zu unterstützen und sich bei gemeinsamen Problemen zu konsultieren, um nach Lösungen zum Wohl aller Gemeindemitglieder zu suchen. Die Bürgermeister Hans Gamper und Ludwig Meier beschlossen dies am 20. Juli 1968 in einer feierlichen Sitzung im Rathaus von Etzenricht. Die seit mehreren Jahrzehnten währende Freundschaft ist immer noch höchst lebendig. Zum 50-jährigen Jubiläum radelte Bürgermeister Ulrich Gamper zusammen mit 22 weiteren sportlichen Radfahrern von Algund nach Etzenricht. Nach fünf, teils verregneten Etappen und 630 Kilometern erreichte die Gruppe wohlbehalten ihr Ziel und wurde herzlichst empfangen. Doch auch in weniger rosigen Zeiten hält man zusammen. Auf der Internetseite der Gemeinde Etzenricht kann man nicht nur jederzeit über eine Webcam nach Algund blicken, seit kurzem befindet sich dort als Zeichen der Solidarität in der Corona-Krise eine Videobotschaft für die Algunder – eben eine gelebte Freundschaft. Übrigens: In Etzenricht gibt es nicht nur einen Algunder Weg, sondern wurden Straßen auch nach Tulpen, Rosen, Dahlien, Astern und Nelken benannt. Welcher Ort würde also besser zum Gartendorf Algund passen?

Christian Zelger