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Pumpspeicherwerk Ulten

Irgendwie ist das mit dem Wasser schon verhext. Einerseits sind die großen und die vielen kleinen Wasserkraftwerke bei uns eine wichtige nachhaltige und klimaschonende Energiequelle, anderseits haben sie in der Vergangenheit vielen Familien Leid gebracht und für so manchen (SEL)-Skandal und Zwist gesorgt.
von Josef Prantl

So versteht man den Unmut der Ultner, die es nicht kalt lässt, seitdem die Nachricht im Umlauf ist, dass sie mit einem sogenannten „Pumpspeicher-Kraftwerk“ beglückt werden sollen. Vorweg schnell erklärt: Damit ist ein unterirdischer Stollen gemeint, der den Zoggler Stausee (1141 Meter ü.M.) mit dem Arzkar See (2200 Meter ü.M.) verbindet, bei einer Länge von fast 10 km. Das Wasser schießt bei Bedarf nach unten zum neuen unterirdischen Kraftwerk am Zoggler See und treibt dort Turbinen an die dann an 400 MW Strom erzeugen. Das Ganze ist aber auch ein Kreislauf: Wasser wird immer dann, wenn Stromüberschuss besteht – z. B. im Sommer –, nach oben gepumpt, sobald Strombedarf ist – etwa im Winter –, wieder nach unten. Dass das alles auch mit dem „Klimaplan Südtirol 2040“ zusammenhängt, versuchte Landeshauptmann Arno Kompatscher bei einer öffentlichen Gemeinderatssitzung kürzlich den Ultnern zu erklären. „Denn es ist eine Idee, die wir euch unterbreiten“, sagte Kompatscher und versicherte: „Ihr entscheidet, ob Ihr so was wollt oder nicht!“ Der Klimaplan Südtirol 2040 sieht allerdings die Entwicklung von Infrastrukturen vor, um bis 2030 den über­schüssigen Strom von zusätzlichen 400 MW Leistung aus Photovoltaik und bis 2037 um weitere 400 MW aufnehmen zu können. Wichtig zu wissen sei, dass die Stromproduktion großen jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt und die Winterlücke nicht allein mit hausgemachtem Strom geschlossen werden kann, erklärte Kompatscher. Ein Pumpspeicherwerk könne als „grüne“ Batterie dies ausgleichen.

Das Tal der Energie
Dabei ist das 40 km lange Ultental heute schon von einem ausgedehnten Netzwerk aus Stollen, Druckleitungen und Wasserbauten durchzogen. Von 1949 bis 1969 baute nämlich der Staat hier sechs Stauseen, welche heute fünf Wasserkraftwerke speisen: Weißbrunn, St. Walburg, Kuppelwies, St. Pankraz und Lana, zu denen sich 2014 noch das kleine Restwasserkraftwerk St. Pankraz gesellte. „Wir haben damit genug geleistet“, meint eine Ultnerin bei der Vorstellung der „Projektidee“ und weist auf die Belastungen, die massiven Eingriffe in die Landschaft und die Zerstörung der Natur hin, welche die mehrjährige Bauzeit mit sich bringe. Dass das Thema „Pumpspeicherkraftwerk“ im Tal die Wogen hochgehen lässt, hatte Bürgermeister Stefan Schwarz am eigenen Leib erfahren müssen, wurden ihm sogar gedroht und das Auto zerkratzt. Bis zur ordentlichen Bürgerversammlung, die Alperia im Februar plant, wollte er daher nicht mehr warten und lud kurzerhand alle Ultner zur Vorstellung des Projekts durch die Alperia und den Landeshauptmann im Rahmen der Gemeinderatssitzung am 9. Jänner ein. Gekommen waren dann über 500 recht aufgewühlte Bürger, die der Raiffeisensaal gar nicht fassen konnte, und so mussten Dutzende im Freien die Vorstellung der „Projektidee“ (wie Kompatscher mehrfach beschwichtigte) durch Alperia-Generaldirektor Luis Amort und den Landeshauptmann mitverfolgen.

Erneuerbare Energiequelle
Wasserkraft ist eine der ältesten Energiequellen der Menschheit: Schon seit über zwei Jahrtausenden wird die Kraft aufgestauten oder fließenden Wassers genutzt, um Korn- und Sägemühlen oder Schmieden zu betreiben. Seit etwa hundert Jahren dient fließendes Wasser vor allem zur Stromerzeugung. Heute produzieren Wasserkraftwerke weltweit ein Fünftel des gesamten Stroms. Klimaschonend, erneuerbar und effizient sind sie allemal, aber es gibt auch Nachteile. Negativ zu Buche schlägt etwa, dass der Bau meistens zu massive Eingriffen in die Landschaft zur Folge hat: Kraftwerksbauten verändern das Ökosystem von Flüssen und Seen, manchmal auch einer ganzen Landschaft. Das ist auch eine der großen Sorgen der Ultner. Gemeinderatsmitglied Egon Gruber weist darauf hin, dass das Pumpspeicherwerk in einem Wasserschutzgebiet geplant sei und die Quellen beim Bau versiegen könnten. Von einem „Jahrhundertprojekt, mit dem andere wieder unser Tal ausbeuten“, spricht hingegen eine Ultner Initia­tivgruppe und macht in den sozialen Medien mit mehr als 1000 Followern ihren Unmut kund.

Das „Weiße Gold“ aus Südtirol
Die Nutzung der Wasserkraft beginnt bei uns Ende des 19. Jahrhunderts. 1897 geht in Mühlen im Pustertal das erste E-Werk ans Netz. Im gleichen Jahr entsteht auf der Töll bei Meran das erste große Wasserkraftwerk in Südtirol. Es folgen noch vor dem Ersten Weltkrieg Dutzende E-Werke im ganzen Land. Das faschistische Regime plant schließlich großflächig die Ausbeutung der Südtiroler Wasserkraft. 1931 geht das Kraftwerk in Kardaun als damals größtes Wasserkraftwerk Europas ans Netz, 1938 wird das Kraftwerk in Waidbruck in Betrieb genommen. Die Südtiroler Kraftwerke decken vor dem Zweiten Weltkrieg rund 12 Prozent des italienischen Stromverbrauchs. 1941 beginnen die Arbeiten für den Bau des Reschen-Stausees. Das Land hat nichts mitzureden. Mehrere Jahrzehnte beuten italienische Energieunternehmen (allen voran ENEL) das „Weiße Gold“ in Südtirol aus. Erst 1972 mit dem neuen Autonomiestatut erhält die Landesregierung Zuständigkeiten im Bereich Energie, wie etwa die Vergabe von Konzessionen für Wasserableitungen. 1998 wird die SEL gegründet, 2015 schließlich Alperia. Eigentümer von Alperia sind mit 54,45 Prozent das Land Südtirol, mit jeweils 21 Prozent die Gemeinden Bozen und Meran und mit 3,55 Prozent die in der SELFIN zusammen geschlossenen Südtiroler Gemeinden. Bei einem Jahresumsatz von rund 3,6 Milliarden Euro 2022 gehört Alperia zu den großen Energieunternehmen in Italien. Mit seinen 34 Werken ist die Gesellschaft auch das erstplatzierte italienische Unternehmen in der von der Financial Times kürzlich veröffentlichten Rangliste der „500 Europe’s Climate Leaders 2023“.

Viel Leid für die Bauern
Fast 150 Hektar schönste Wiesen hat der Zoggler-Stausee, der größte im Ultental, verschlungen. Nur der Bau des über zwei-Kilometer-langen Dammes, der 1955 begonnen wurde, dauerte bis zur vollen Höhe neun Jahre, was eine enorme Belastung der Talbewohner bedeutete. Durch den See gingen Bauernhöfe auf einem der fruchtbarsten Böden des Tales ver­loren. Die 12 Höfe konnten zum Teil auf eine bis zu 600-jährige Geschichte zurückblicken. Der Arzkarsee auf 2250 Metern hat einen 85 Meter hohen Damm und besitzt eine Länge von 464 Metern. Der See umfasst rund 85 Hektar Fläche. Gebaut wurde er von 1965 bis 1966 als letzter der Stauseen für die Wasserkraftwerke im Ultental. Von ihm führt ein Druckstollen ins 358 m tiefer gelegene Kraftwerk Kuppelwieser Alm. Die Anlage arbeitet auch als Pumpspeicherwerk, indem in der verbrauchsarmen Zeit mit einer Hochleistungspumpe Wasser aus dem Weißbrunnsee in den Arzkarsee hochgepumpt werden kann. Der erste See des Tales ist der Pankrazer See, auch Stallbachsee genannt, der letzte der Weißbrunnsee auf 1872 Metern (Bauzeit: 1957 – 1962). Hier hat die Falschauer auch ihren Ursprung, sie durchquert ganz Ultental und mündet in Lana in die Etsch. Der höchst gelegene Stausee ist der Grünsee auf 2529 Metern. Es fehlt in der Liste noch der künstlich angelegte Fischersee auf 2680 Metern. Die durchschnittliche Gesamtproduktion an elektrischer Energie, die jährlich von den Kraftwerken der Anlagen im Tal erzeugt wird, kann den Strombedarf von ungefähr 84.500 Familien decken, was rund 8 Prozent der gesamten Wasserkraft Südtirols abdeckt. „Versunkene Heimat“ lautet zurecht der Titel des Buches von Christoph Gufler, in dem Lanas Exbürgermeister den Kraftwerk- und Stauseebau in Ulten von 1949 – 1969 dokumentiert.

Die „Grüne Batterie“
Strom lässt sich bis heute nicht leicht speichern. Batterien haben nur eine bestimmte Größe. Bei einem Pumpspeicherwerk ist eine richtig große Stromspeicherung – bildlich gesprochen – aber möglich. Man spricht daher von einer sogenannten Grünen Batterie, denn besteht Stromüberschuss, wird wie gesagt das Wasser nach oben gepumpt, bei Strommangel startet man mit der Produktion. Der Landeshauptmann verweist in diesem Zusammenhang auf das erklärte Ziel des Landesklimaplans 2040, in den kommenden Jahren die Photovoltaik im Land deutlich auszubauen und damit ergibt sich zu Spitzenzeiten ein sehr großer Überschuss in der Stromproduktion zu den idealen Zeiten. Je mehr alternative Energiequellen bei uns genutzt werden – z. B. Solar- oder Windkraftanlagen –, umso weniger vorhersehbar wird die Stromerzeugung. Denn der Zeitpunkt, zu dem die Sonne scheint oder der Wind weht, deckt sich nicht immer mit den menschlichen Gewohnheiten des Stromverbrauchs. Pumpspeicherkraftwerke sind laut Meinung einiger Experten zurzeit die einzige Möglichkeit, Strom effizient zu speichern.

Warum wieder Ulten?
„Die im Ultental vorhandenen Stauseen Arzkar und Zoggler bieten nach Prüfung verschiedener Standorte ideale Rahmenbedingungen für das neue Pumpspeicherkraftwerk“, erklärt Ingenieur Dieter Theiner. Die Wasserwege und das Kraftwerk würden komplett unterirdisch errichtet, so der Leiter der Planungsabteilung von Alperia. Die Stollen würden tief unter der Erde (rund 500 Meter) bei einer Neigung von 45 Grad gelegt. Die Turbinen und Generatoren würden auch in einem unterirdischen Kraftwerk verbaut. Von dort aus wird der produzierte Strom in die Hochspannungsleitungen des nationalen Verbundnetzes der Terna geleitet. Baubeginn könne – sollten alle Auflagen erfüllt sein – 2027 sein, 2032 könnte das Werk in Produktion gehen, sagt Theiner. Die Kosten werden zurzeit mit bis 800 Millio­nen Euro geschätzt.

Das Versprechen
Sorgen bereiten den Ultnern nicht nur die enormen Belastungen, die auf sie während der langen Bauzeit zukommen würden – Alperia verspricht für den Abtransport des Ausbruch­materials tagsüber zwar nur 10 Schwertransporte –, sondern vor allem auch die möglichen Folgeschäden durch den Bau, wie Quellwasserveränderungen, Risse und Senkungen in der Landschaft und Gefahren durch die Pegel-Schwankungen. Sorgen bereitet auch die Sicherheit, weil sich viele bei den bestehenden Werken jetzt schon unsicher fühlen. Nicht abzuschätzen ist, was der Eingriff für die Wildtiere im betroffenen Gebiet bedeutet. Alle fragen sich auch, was Ulten selbst von dem Kraftwerk haben würde. Einige wünschen sich daher eine Bürgerbefragung, andere wiederum befürchten eine Spaltung der Bevölkerung und malen das Schreckensgespenst der Option. Eines hat der Landeshauptmann den Ultnern aber versprochen: Das letzte Wort haben sie!

„Noch ist nichts entschieden“

„Nicht ohne das Einverständnis der Bevölkerung  wird in Ulten ein modernes Pumpspeicherkraftwerk errichtet“, sagt Arno Kompatscher. Und die Ultner würden dafür auch entschädigt, verspricht der Landeshauptmann.  Zuerst einmal aber muss das Projekt von allen Seiten betrachtet werden, denn nur wenn es sinnvoll ist, und die Ultner dafür sind, wird es realisiert, so die Versprechungen.

In Ulten gehen die Wogen hoch, seitdem bekannt ist, dass Alperia im Auftrag der Landesregierung schon konkret darüber nachdenkt.

Die BAZ sprach mit dem Alperia-Ingenieur Dieter Theiner.

Herr Theiner, verstehen Sie den Widerstand der Ultner gegen den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks?
Dieter Theiner: Das verstehe ich einerseits schon, andererseits sind wir in einer sehr frühen Phase. Ich würde mich selbst auch genau informieren und kritisch nachfragen, um mir meine Meinung zu bilden, bevor ich was entscheide. Es geht um die eigene Heimat. Die Bürger wollen genau Bescheid wissen und einbezogen werden. Deswegen finde ich es gut, dass sich die Bevölkerung informiert und kritisch nachfragt. Kritische Fragen helfen uns, diese Idee zur Entscheidungsreife vorzubereiten. Da ist noch viel zu tun.

Gibt es bei uns schon ähnliche Pumpspeicherwerke?
In der Autonomen Provinz Bozen nicht. In unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz wurden letzthin einige vergleichbare Projekte in Betrieb genommen, sind in Bau oder in Planung. Die Vor­arlberger Illwerke beispielsweise haben vergleichbare Projekte realisiert, die man auch besichtigen kann.

Klimakrise, Energiekosten-Krise: Warum sind Pumpspeicherkraftwerke bei der Lösung dieser Probleme notwendig?
Wir müssen aus zwei Gründen weg von Öl, Kohle, und Gas. Der erste Grund ist, den Klimawandel, der ja bereits in vollem Gange ist, auf ein Maß einzubremsen, der unser Überleben sichert. Es gibt – unabhängig vom Klimawandel – noch ein zweites wichtiges Argument: Öl und Gas importieren wir aus anderen Ländern und wir überweisen so einen guten Teil unseres Wohlstands ins Ausland. Leider ist Italien, obwohl sehr viel bereits in erneuerbare Energien investiert wurde, sehr abhängig von Energieimporten. Nur 22,5 % unseres Gesamtenergiebedarfs an Strom und Wärme wurde beispielsweise 2022 auf dem Staatsgebiet produziert. Des­wegen müssen alle Provinzen und Regionen in die Energiewende investieren. Die Energiewende hat im wesentlichen drei Komponenten: eine Energieerzeugung ohne Treibhausgase, sodann Leitungen und Speichermöglichkeiten für diese Energie. 2022 wurde in Italien der Strom noch zu 64 % thermoelektrisch erzeugt, das heißt hauptsächlich aus Erdgas. Dieses hat den Vorteil, dass es schnell verfügbar ist und dann erzeugt werden kann, wenn man den Strom braucht. Den Nach­teil allerdings, dass wir Treibhausgase ausstoßen. Die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist dagegen umweltfreundlich, aber starken tageszeitlichen und jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen. Und je mehr wir Photovoltaikpaneele und Windkraftanlagen bauen, umso stärker werden diese Schwankungen sein, die wir im Stromnetz haben. Wir brauchen also in Zukunft mehr Möglichkeiten, die Energie zu speichern, sodass wir im Stromnetz immer die Energiemenge haben, die wir gerade benötigen. Dazu gibt es verschiedene Technologien, wie Pumpspeicheranlagen, Batteriespeicheranlagen, Schwungräder, Wasserstoff…

Bei einem Pumpspeicherwerk muss Wasser nach oben gepumpt werden. Und das verbraucht Ener­gie! Hat dies überhaupt einen Sinn?
Das ist richtig, das Pumpen verbraucht Energie. Ein modernes Pumpspeicherwerk hat einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 75 – 80 %. Kein Energiespeicher hat einen 100%igen Wirkungsgrad, es gibt immer Verluste. Es ist trotzdem sinnvoll, weil das Stromnetz selbst die Energie nicht speichern, sondern nur die Energie zur Verfügung stellen kann, die gerade gebraucht wird. Wenn nun in einem bestimmten Moment mehr Strom produziert wird, als gebraucht wird – zum Beispiel an einem sonnigen und windigen Sonntagnachmittag im April, wenn die großen Stromverbraucher wie Fabriken nicht arbeiten – ist es besser, den Strom trotz Verlusten zum Pumpen zu nutzen und so Energie einzuspeichern, als den gesamten überschüssigen Strom zu verlieren.
Jeder Bau einer Anlage zur Energiegewinnung ist nun einmal eine Umgestaltung der Landschaft. Was antworten Sie den Menschen, die sich um ihre Umwelt sorgen und denen der Schutz der Natur wichtiger ist als ein Beitrag zum Klimaschutz?
Das ist auf alle Fälle ernst zu nehmen. Wir haben nun mal das Glück in einer wunderschönen Landschaft zu leben, und das ist eine Verantwortung. Gerade deswegen müssen wir bei dieser Projektidee „Grüne Batterie St. Walburg 2“ darauf achten, die Landschaft möglichst wenig zu beeinflussen. Zum Beispiel indem man alle langfristig sichtbaren Anlagenteile bis auf die Wartungszugänge unterirdisch baut, wie es momentan auch angedacht wäre.

Würde für das angedachte Pumpspeicherwerk Ulten wirklich nur erneuerbare Energie verwendet?
Wir haben diese Frage auch im Ultental gestellt bekommen, eine wichtige Frage. Würde es das Pumpspeicherwerk heute schon geben, wäre das nicht so. Das Pumpspeicherwerk nimmt beim Pumpen den Strom aus dem nationalen Hochspannungsnetz der TERNA, und der Strom aus dem Netz ist immer der aktuelle „Strommix“. Unser heutiges Energiesystem hat ja, wie ich oben gesagt habe, noch einen großen Anteil an nicht erneuerbarer Ener­gie. Aber diese Projektidee zielt ja auf die Zukunft ab: Bis so ein Pumpspeicherwerk politisch entschieden, administrativ genehmigt, technisch geplant und gebaut ist, würden noch einige Jahre vergehen. In 10 Jahren wird der Strommix anders aussehen, es wird – hoffentlich –  viel mehr Photovoltaik und Wind geben als heute, und deswegen werden wir mehr Bedarf an Pumpspeicherwerken haben, die dann auch mehr erneuerbare Energien für das Pumpen verwenden.

Irgendwann ist der See oben ja leer. Hat der Arzkarsee denn genug Wasser, um den ganzen Winter über die Turbinen anzutreiben?
Es soll immer wieder Wasser aus dem Arzkarsee nach unten abgelassen und dabei Strom erzeugt werden, und immer wieder nach oben gepumpt. Das Pumpspeicherkraftwerk passt sich dabei an die Netzschwankungen an, so kann auch mehrmals in der Stunde, am Tag, und unter der Woche Wasser zwischen dem Zoggler Stausee und dem Arzkarstausee hin- und hergeschickt werden, das passiert nicht nur einmal im Jahr. Das sind die Stärken der Pumpspeichertechnologie.

Was antworten Sie den Kritikern, die behaupten, Alperia habe nur den Profit im Sinn, das Ganze sei eine reine „Stromveredelung“?
Nun zum Thema Profit, die Alperia-Gruppe ist eine Aktiengesellschaft, die Aktien sind ausschließlich in Südtiroler Hand, Land und Gemeinden, und das sind wir schlussendlich alle. Die Erwartung ist, dass Alperia wirtschaftlich arbeiten muss, um Wert zu erhalten. Gleichzeitig hat Alperia eine besondere soziale Verantwortung gegenüber Land und Leuten. Diese beiden Erwartungen müssen wir tagtäglich in Einklang bringen. Die Stromveredelung verstehe ich hier nicht als Kritik: Unter Stromveredelung versteht man ja, dass man den Strom durch eine Zwischenspeicherung dann zur Verfügung stellt, wenn er gebraucht wird. Denn das wird umso mehr ein Thema, je mehr Erneuerbare Energie wir in unserem Netz haben werden.

Pumpspeicher seien nicht die Lösung, um große Strommengen vom Sommer, wenn sie nicht benötigt werden, in den Winter zu schieben, behaupten Experten. Wäre es nicht besser vermehrt auf Wasserstoff als Energiespeicher zu setzen?
Es gibt nicht die „eine“ goldene Technologie, die alles löst, jede Technologie hat ihre speziellen Stärken und Schwächen, deswegen verfolgen wir als Alperia-Gruppe in unserem Industrieplan verschiedene Technologien, also auch Batterieanwendungen und Wasserstoff. Als Saisonspeicher hat Wasserstoff als Speichermedium langfristig ein gutes Potential. Für kürzere Speicherintervalle, also Stunden, Tage, etc. werden unserer Meinung nach auch künftig Pumpspeicherwerke an guten Standorten interessanter sein.

Welche Vorteile hätten die Ultner, sollte das Pumpspeicherwerk realisiert werden?
In unserer Arbeitsgruppe „Ausgleichsmaßnahmen“, bei welcher wir seit Oktober im Dialog mit verschiedenen Interessensgruppen aus der Ultner Bevölkerung sind, wurden verschiedene Vorschläge für Ausgleichsmaßnahmen baulicher Art, wie zum Beispiel ein Naturbadeteich, vorgeschlagen. Auch gab es weitere Vorschläge wirtschaftlicher oder finanzieller Natur, wie Gemeinde und Bevölkerung von dieser Idee auch direkter profitieren könnten. Es liegt nun an uns, gemeinsam mit den Ultnern, ein Gesamtpaket an konkreten Angeboten auszuarbeiten, über welches sie befinden können. Da liegt noch viel Arbeit vor uns.