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Eine Stimme für die Rücksiedler

Dass Familiennamen unterschiedlich geschrieben werden, kommt vor. Ob mit „tz“ oder nur mit „z“ – es ändert in diesem Fall nichts an den Leistungen der hier vorgestellten Person und daran, dass der Weg, der am Algunder Kindergarten vorbeiführt, zu Recht seinen Namen trägt.

Mitte der 30er Jahre hatten die Faschisten erkannt, dass ihre Versuche, die Südtiroler zu Italienern zu machen, wenig Erfolg hatten. Auch wenn man nun dazu überging, möglichst viele Italiener ins Land zu holen, sollte die deutsche Kultur verschwinden. So schreibt der „Tiroler Grenzbote“ vom 9. Mai 1934 unter dem Titel „Verfolgtes Deutschtum in Südtirol“, dass die Kommissionen für die Kammerwahlen italienfreundliche Ergebnisse „zu errechnen vermochten, damit die Fiktion vertreten werden konnte, daß sich die Südtiroler Deutschen nunmehr mit dem Regime abgefunden hätten“. Dabei richteten sich immer mehr Maßnahmen gegen die deutschsprachigen Vereine. Präfekt Giuseppe Mastromattei bedrängte mit Nachdruck kirchliche Organisationen, vor allem die Jugendverbände. In Meran wurde beispielsweise der Katholische Jugendhort aufgelöst und sein Vorsitzender mit einer „diffida“, einer förmlichen Verwarnung, belegt. Sein Name war Hermann von Steni(t)zer, dem in Algund eine Straße gewidmet werden wird. Hermann Gottfried Bartholomäus von Stenitzer stammte aus Vorarlberg und wurde am 5. Februar 1895 in Bludenz geboren. Sein Vater Gottfried war k.k. Gerichtsadjunkt und wird später als Richter eingesetzt werden, seine Mutter hieß Bertha Kinz und stirbt 27-jährig in Kastelruth, als Hermann gerade einmal drei Jahre alt war. Gottfried ließ das Trauerjahr verstreichen und verehelichte sich, wohl auch wegen der fünf minderjährigen Kinder, 1899 erneut. Hermann erhielt eine gymnasiale Ausbildung am Jesuitenkolleg „Stella Matutina“ in Feldkirch. Nach Abschluss begann er ein Theologiestudium im Canisianum in Innsbruck und diente während des Ersten Weltkrieges als Freiwilliger. Eineinhalb Jahre nach Kriegsende wurde er in Innsbruck zum Priester geweiht. Von da an verlagerte sich sein Leben in den Süden Tirols. Er wurde als Kooperator in Naturns, Laas, Kaltern und Meran eingesetzt, dann als Kurat in Oberbozen und schließlich 14 Jahre lang als Pfarrer von Algund. Hier sollte er besonders segensreich wirken. Dabei waren die Zeiten keineswegs einfach. Als er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Privatbrief die Worte „Für Führer, Volk und Heimat“ ausgelassen hatte, wurde er eingekerkert. Eine Diphtherie-Infektion brachte ihn allerdings ins Krankenhaus, aus dem er nach einem Monat entlassen wurde.

Ein besonderes Anliegen war ihm eine neue Kirche für die Algunder, hatte sich doch das Zentrum in den vergangenen Jahrzehnten vom alten Dorf in Richtung Mühlbach verlagert. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben aber erst durch seinen Nachfolger Josef Chronst. Dafür hatte sich von Stenizer unermüdlich für soziale Belange eingesetzt. Ab 1948 war es Auswanderern durch das sogenannte „Optantendekret“ möglich, wieder in die Heimat zurückzukehren. Besonders wohlwollend wurden diese aber nicht empfangen. Vor allem das Problem der Wohnungsnot musste gelöst werden. Pfarrer von Stenizer rief daher die „Arbeiterbaugenossenschaft Algund“ ins Leben, deren Mitglieder in dem später nach ihm benannten Weg mehrere Häuser erbauten und so den Rücksiedlern ein neues Zuhause schufen. Bereits zuvor hatte er die Pfarrcaritas gegründet, 1950 dann den KVW Algund und im Jahr darauf die Algunder Kolpingfamilie, die sich zu einer wichtigen Anlaufstelle für Lehrlinge und Gesellen entwickelte. Auch die Herausgabe des Pfarrblattes, die Einweihung des Kriegerdenkmals am neuen Friedhof und der zweimalige Besuch der „Wandermuttergottes“ in Algund trotz aller Widrigkeiten gehen auf die Initiative Stenizers zurück. Im Herbst 1955 verschlechterte sich dann sein gesundheitlicher Zustand so stark, dass er von seinem Amt abberufen wurde. Wenige Monate später, am 9. Jänner 1956, verstarb er in Innsbruck an einem Herzleiden.
Christian Zelger