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Steuern, Steuern, Steuern

Wer auf der Töll nach einem auffallenden Hotel mit exotischem Namen rechts abfährt, der kommt auf die Zehentstraße. Folgt man dem nicht allzu breiten Weg bis zum Ende, erreicht man Partschins. Der genannte Zehent erinnert an eine alte Institution, die uns doch mehr als vertraut scheint.

„Er segnete Abram und sagte: Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat. Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem.“ So steht es im ersten Buch der Bibel und liefert uns einen Hinweis, dass das Bezahlen von Steuern und Abgaben so alt wie die Menschheit selbst ist. Dass sich auf der Töll ein Name wie Zehentstraße erhalten hat, liegt wohl an der besonderen Bedeutung dieser Abgabe, die diese im Mittelalter hatte. Um dies zu verstehen, müssen wir in die Gepflogenheiten des Feudalismus mit seinem Lehnswesen eintauchen. Seit dem 12. Jahrhundert hat sich in Tirol die Form des freien Lehens allgemein verbreitet. Der Bauer, meist als Baumann bezeichnet, erhielt ein vererbbares Recht am verliehenen Hof und hatte dafür die Pflicht, alljährlich seinem Grundherrn Abgaben zu entrichten. Das war der Grundzins. Dem Grundherrn – zum Beispiel eine Kirche, ein Kloster oder ein Adliger – stand ein Aufsichtsrecht über die Bewirtschaftung des Gutes zu. So konnte er bei Vertragsverletzung oder schlechter Wirtschaft dem Bauer den Hof entziehen. Zur Erbfolge war in der Regel nur einer der Söhne oder Enkel berechtigt.

Der Grundzins war ursprünglich in Naturalien bezahlt worden, aber die Bauern drängten zu einem Geldzins. So kam ihnen die Geld­entwertung zugute und der Zins machte schließlich nur mehr wenige Prozent des Gutswertes aus. Doch der Grundzins war nicht die einzige Abgabe, die von unseren Vorfahren zu leisten war.

Da gab es mit dem Weisat noch ein Geschenk, das zu bestimmten Zeiten im Jahr zu reichen war. Diese Abgabe war anfänglich personengebunden, d.h. der unfreie Bauer hatte an vorgeschriebenen Festtagen seinem Leibherrn ein Geschenk zu überreichen. Erst später ist diese Verpflichtung auf den Hof übergegangen. Wir finden die Bezeichnung in manchen Südtiroler Orten noch als alte dialektale Wendung „in Waiset gian“. Gemeint ist der Besuch bei einer Wöchnerin, bei der ein kleines Geschenk zur Geburt des Kindes mitgebracht wird.

Der Vogteizins hingegen war eine Abgabe an die Gerichte. Er wurde von den Gütern geistlicher Grundherrn durch eine weltliche Gewalt als Gegenleistung für deren gewährten Schutz eingehoben. Der Landesherr überließ diesen Zins den ihm unterstehenden Gerichtsverwaltungen. In Tirol wurde er meist in Hafer („Futter“) geleistet, weshalb er auch Vogteifutter oder Gerichtsfutter genannt wurde.

Der Zehent schließlich war eine Kirchensteuer, die als der zehnte Teil des Ernteertrages auf den Äckern von den Berechtigten selbst eingesammelt wurde. Nach dem älteren Kirchenrecht sollte der Zehent kirchlichen Zwecken dienen, zum Beispiel für den Unterhalt der Geistlichen sorgen. Da die Kirchen oft ihrerseits in den Händen geistlicher oder weltlicher Grundherrn waren, gelangte auch der Zehent in deren Taschen. So wurde er, als eine Art Anlageobjekt, verkauft, verpachtet, getauscht oder vererbt, und damit von seinem ursprünglichen Zweck entfremdet.
Die Verpflichtung der Bauern, Grundzins, Vogteiabgabe und Zehent zu entrichten, bestand in Österreich übrigens bis zur Grund­entlastung im Jahre 1848. Damals beschloss der Tiroler Landtag die Ablösung der grundherrlichen Lasten und Zehenten. Diese war entgeltlich und wurde auf einseitiges Verlangen von Seiten des Bauern oder des Grundherrn durchgeführt. Dass man sich heute durch eine einmalige Zahlung von weiteren Abgaben und Steuern freikaufen kann, scheint aber wohl utopisch.

Christian Zelger