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Der umstrittene Mindestlohn

In Italien leben 3 Millionen ArbeitnehmerInnen unterhalb der Armutsgrenze, weil ihre Löhne nicht zum Leben reichen.

Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, haben die Oppositionsparteien einen Mindestlohn vorgeschlagen, laut welchem für keine Arbeitstätigkeit weniger als 9 Euro brutto pro Stunde gezahlt werden dürfe. Es handelt sich um keinen revolutionären Vorschlag, im Gegenteil: 77 % der OECD-Länder sehen einen Lohn vor, der nicht unterschritten werden darf; in der Europäischen Union gibt es in 22 Ländern einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn.
Italien ist eines der wenigen Länder ohne diesbezügliche Regelung. Dabei ist in der italienischen Verfassung die Grundlage für einen Mindestlohn verankert.
Ar­tikel 36 der Verfassung schreibt das Recht der ArbeitnehmerInnen auf eine angemessene Entlohnung fest: „Der Arbeitnehmer“, so heißt es in der Verfassung, „hat Anspruch auf eine Entlohnung, die dem Umfang und der Qualität seiner Arbeit angemessen und jedenfalls ausreichend sein muss, ihm und seiner Familie ein freies und würdiges Leben zu gewährleisten.“ Leider ist die Regierungspartei ausdrücklich gegen einen Mindestlohn. Als Begründung hört man aus Regierungskreisen die unterschiedlichsten Argumente: ein Minister meinte, ein Mindestlohn entspreche sowjetischen Verhältnissen, ein anderer meinte er sei eine versteckte Sozialleistung. Eine weitere Kritik der Mitte-Rechts-Parteien lautet, dass ein Lohn von 9 Euro zu hoch sei. Auch hier kann ein Vergleich angestellt werden: im Herbst hat die deutsche Regierung den Mindestlohn von 9 auf 12 Euro pro Stunde angehoben. Die Erhöhung ist an die Inflation gekoppelt und soll den BürgerInnen die Kaufkraft zurückgeben.
Laut Umfragen käme der Mindestlohn auch bei der italienischen Bevölkerung gut an.
Zum Stichtag Ende Juli befürworten 70 % der ItalienerInnen die Einführung eines Mindestlohns. Auch die Mitte-Rechts-WählerInnen sind dafür. Sechzig Prozent der AnhängerInnen der Lega, der Fratelli d’Italia und von Forza Italia sind für die Einführung ei­nes Mindestlohns. Die starke Unterstützung durch die öffentliche Meinung stärkt der Opposition den Rücken. Und sie bringt auch die Regierung in Verlegenheit, die bei einer so populären Maßnahme nicht die Spielverderberin sein will. Wir werden also sehen, was im September passiert. Es gibt 3 Millionen ItalienerInnen, die auf einen Mindestlohn warten.