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Von Menschen und Äpfeln

Was heute Glasfaserkabel und Internetzugänge sind, waren früher Zuggleise und Bahnhöfe – Infrastrukturen, die für Wirtschaft und Gesellschaft bedeutend sind und die Menschen näher zusammenrücken. So auch in Burgstall. Blicken wir zurück ins Jahr 1881.
1881 war einiges los im Tiroler Verkehrswesen. Meran, die aufstrebende Kurstadt, wurde an das internationale Schienennetz angeschlossen und erleichterte es so seinen Gästen aus aller Welt, an die Passer zu kommen. Es war möglich, vom gut 2500 km entfernten St. Petersburg im damaligen russischen Zarenreich direkt nach Meran zu fahren. 54 Stunden dauerte die Fahrt in den luxuriösen Eisenbahnwagons, sogar eine Badewanne soll zur Ausstattung gehört haben. Mit der neu erbauten Bahnstrecke Bozen-Meran wurde auch der Bahnhof Lana-Burgstall eröffnet.

Doch das Netz sollte weiter gespannt werden. Bereits wenige Jahre nach Inbetriebnahme der Straßenbahn von Lana nach Meran im Jahre 1906 war der Wunsch entstanden, die Linie bis nach Burgstall zu verlängern. So sollte ein Anschluss an die bereits genannte Strecke Bozen-Meran erreicht werden. Für Lana bedeutete dies ab 1913 eine Anbindung an das k.k. Eisenbahnnetz mit seinen europaweiten Verbindungen. Während aber der Meraner Geschäftsmann an Menschen, sprich Touristen, dachte, ging es dem Lanaer wohl eher um sein Obst. Für die Kurstadt rollte der Rubel, wenn der russische Urlauber aus St. Petersburg den Weg in die alte Tiroler Hauptstadt fand. Für die aufstrebende Wirtschaft in Lana war die Strecke in umgekehrter Richtung lukrativ, indem die damals weltbekannten Äpfel bis nach St. Petersburg transportiert werden konnten. Zu den Unterstützern der Erweiterung gehörte u.a. Ingenieur Luis Zuegg, bereits Protagonist einer „Straßengeschichte“.

Dass die Zugstrecke zwischen Bozen und Meran tatsächlich realisiert wird, bezweifelten viele lange Zeit. „Wird sie also wirklich gebaut, die Meranerbahn? Ich kann’s fast nicht glauben“, hatten nicht wenige sogar noch nach dem Vertragsabschluss verlauten lassen. Im Herbst 1881 war es jedenfalls soweit. Deutsche, Italiener und „deutsch verstehende Krainer“, wie es ein Journalist formulierte, waren mit dem Bau der Strecke betraut gewesen. „Zu verwundern ist es fast, daß man trotz der vielen Hunderten von Arbeitern im ganzen und großen weder von Raufexcessen noch von Diebstählen etwas hört, und daß verhältnismäßig wenig Unglücksfälle vorfallen“, liest man in der Berichterstattung dazu. Doch es galt noch einige Details zu klären. Heinrich Böhm zum Beispiel, der Konzessionär der Bahn, hatte mit der Telegraphengesellschaft einen Vertrag abgeschlossen, wonach die bis dahin entlang der Straße verlaufende Telegraphenleitung abgebrochen und auf die Trasse der Eisenbahnlinie verlegt wird. Positiver Nebeneffekt für die Kunden: Die Bahnverwaltung erhält die Genehmigung, Telegramme entgegenzunehmen, und ein zusätzliches Büro kümmert sich da­­rum. Auch eine Etschregulierung war mit den Baumaßnahmen verbunden.
Die Entwässerung der feuchten, moosigen Etschebene führte zur Erschließung neuen landwirtschaftlichen Grundes und damit zu einem weiteren Aufschwung des Obstanbaus.

Schon vor der Eröffnung im Oktober 1881 hatten einige kritisch angemerkt, dass der Bahnhof „wieder ziemlich weit sowohl von Burgstall, als noch viel weiter von dem am rechten Ufer gelegenen Lana entfernt ist“, wie der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ berichtet. Dem Erfolg tat dies aber keinen Abbruch. Heute führt die Bahn­hofstraße in Burgstall, die insgesamt sehr verzweigt und weitläufig ist, vom Dorf zum an der Etsch gelegenen Bahnhof.
Eine Fahrt von Meran nach Burg­stall kostete übrigens in den Anfangs­zeiten 50 Kreuzer in der I. Klasse – etwa 8 Euro – und 30 Kreuzer in der III. Klasse und dauerte 19 Minuten lang. Heute schafft es der Zug in der Hälfte der Zeit.
Christian Zelger