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Eisenbahnen für den Tourismus

Abbildund: Jüdisches Museum Hohenems, Archiv

Siegmund Schwarz hat in seinem Leben eine Menge geleistet. Dafür wurde u.a. eine Straße in Vilpian nach ihm benannt.

Wie sehr aber die Berichterstattung in den Medien von Zeit und Ausrichtung abhängt, zeigt diese Straßengeschichte.
Vilpianer Brauhaus, 31. Juli 1879. Es muss schon ein imposantes Fest gewesen sein, als sich der Bankier und Unternehmer Siegmund Schwarz verehelichte. Ein geschmackvoll gezierter Empfangsbogen erwartete die Frischvermählten mit Transparenten und leuchtenden Lampions. Danach ging es durch eine künstlich geschaffene Allee zur Brauerei, die mit Ballons und grünen Schleifen geschmückt war. Unter den schattigen Kastanienbäumen nahmen das Paar und seine Gäste an einer reich gedeckten Tafel Platz. Für Speis und Trank war gesorgt und die Terlaner Kapelle und ein mehr­stimmiger Männerchor unterhielten die Anwesenden mit ihrer Musik. Unterbrochen wurde die gesellige Unterhaltung immer wieder durch das intensive Dröhnen der Böller. Toasts wurden ausgesprochen, Hochrufe ertönten und das brillante Feuerwerk mit lautem Beifall begrüßt – so berichtete die „Bozner Zeitung“ über das Fest und kam geradezu ins Schwärmen: „Man denke sich über all diesem Glanze den nächtigen Himmel mit Miriaden Sternen, deren ruhiges Licht durchs Laubdach der Kastanienbäume schimmerte, man wird dann ermessen können, wie jedes Herz hier unten zugleich in Bewunderung der schönen Gottesnatur schwoll.“ Um die Mitternachtsstunde löste sich die Feier auf, nicht aber bevor ein Hoch auf die Familie Schwarz ausgesprochen wurde, dessen Echo von den nahen Bergen zurückhallte.

Für Fortschritt
Siegmund Schwarz, so das Geburtsregister der jüdischen Kultusgemeinde im vorarlbergischen Hohenems, wurde am 30. März 1849 als Sohn des Ernst Schwarz und dessen Frau Flora Bernheimer geboren. Als Paten werden interessanterweise die Großeltern des Kindes genannt. Der Vater war noch unter dem Namen Itzechiel Levi geboren worden, die Familie nahm aber 1813 den Nachnamen Schwarz an. Im Alter von 25 Jahren stieg Siegmund, der sich auch Sigismund schrieb, in das väterliche Bankgeschäft ein, zog jedoch schon bald nach Bozen.
Dort heiratete er die gebürtige Schweizerin Camille Braunschweig, mit der er die Kinder Erwin, Lucie und Oswald hatte. Neben dem Bankgeschäft war er auch im Brauereiwesen tätig. Die Dampfbrauerei in Vilpian gehörte zu den modernsten in ganz Tirol. Daneben engagierte er sich zusammen mit seinem Bruder Arnold bei der touristischen Erschließung Südtirols, und hier vor allem beim Eisenbahnbau, den er dafür als wichtigen Pfeiler erkannte. So entstanden Bahnen am Gardasee und in Überetsch. Aber auch in Vorarlberg setzten sich die Brüder für den öffentlichen Verkehr ein und finanzierten die Straßenbahnlinie zwischen Dornbirn und Lustenau. Kurz darauf konnte die Standseilbahn auf den Mendelpass eingeweiht werden, die damals steilste Standseilbahn Europas und Südtirols erste Berg­bahn. Das leibliche Wohl sollte aber ebenfalls nicht zu kurz kommen: Ab 1901 fanden in seiner Gastwirtschaft „Vilpianer Bierquelle“ die ersten Bozner Weinverkostungen statt. Siegmund Schwarz starb am 30. Oktober 1919 im Alter von 70 Jahren in Bozen und wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof begraben.

Gegen Juden
Nicht alle waren von dem jüdischen Unternehmer begeistert. So schreibt zum Beispiel die offen antisemitische „Tiroler Post“ im März 1903: „Der Präsident der Lokaleisenbahngesellschaft Mori-Arco-Riva heißt Sigismund, aber beileibe nicht der „Münzreiche“, sondern einfach Sigismund Schwarz. […] Der Herr Sigismund Schwarz ist übrigens auch noch Verwaltungsratspräsident der Ueberetscher Bahn und wird wohl wahrscheinlich auch Präsident der Mendelbahn werden, zur „Freude“ der deutschen Bauern, die gegenwärtig unter dem Beifalle des „Tiroler Tagblattes“ diesem Mendel-Unternehmen zuliebe drangsaliert und gezwungen werden, Grund und Boden zu opfern […]
Wir aber glauben, dass es hoch an der Zeit ist, dass auch Tirol sich aufrafft und energisch Front macht gegen die furchtbare Macht, die unsere wirtschaftliche Selbständigkeit völlig zu untergraben droht. Wehren wir uns, ehe wir dem jüdischen Mammon auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert sind!“
Christian Zelger