Geschichtsträchtiges Gewerbegebiet

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Geschichtsträchtiges Gewerbegebiet

Die Gewerbezone Passer ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig zeugt sie aber auch für Merans dunkelste Zeit des vergangenen Jahrhunderts.

Das Gewerbegebiet entlang der Luis-Zuegg-Straße bildet für Meran einen wichtigen Standort der lokalen Wirtschaft. Beginnend beim nördlichen Teil der Straße, befindet sich dort eine traditionelle Gärtnerei, die bereits in der dritten Generation geführt wird. Auch der Spielplatz gegenüber dem Traditionsbetrieb ist weit über das Burggrafenamt bekannt. Er bietet Familien mit Kin­dern sehr viel Raum und ist ein beliebter Treffpunkt vieler Mütter. Die große Grünfläche, zahl­reiche Spielgeräte und ein Vol­leyballfeld laden dazu ein. Rutschen und Schaukeln erfreuen vor allem die kleineren Kinder. Der „Wielander-Spielplatz“ ist aber auch für Kindergeburtstage oder Picknicks geeignet.
Ein kleines Highlight bildete vor einigen Jahren das Familienfest des Vereins „Väter aktiv“, im Zuge dessen ein Sandburgenbauwettbewerb ausgetragen wurde. Für die Einwohner um das Gebiet „Luis Zuegg“ und der Marlinger Straße ist der Platz wie eine richtige Naherholung und vielfach genutzter Freiraum. Folgt man dem Straßenverlauf in südlicher Richtung, befindet sich auf der linken Straßenseite ein Standort des international angesehenen Industrieunternehmens Torggler AG. Sein Hauptsitz ist Marling, doch koordiniert das Unternehmen von hier aus seine weiteren Produktionsstätten in Polen und Deutschland. Das Einrichtungshaus Comploj, mit angeschlossener Tischlerei, steht für das traditionelle Handwerk der Gewerbezone Passer. Unmittelbar daneben haben sich weitere traditionelle Betriebe niedergelassen, wie AquaeForst (Meraner Mineralwasser), Furlan Commerz, die Druckerei Finanzi und andere mehr. Für die Nahversorgung in der Luis-Zuegg-Straße sorgen ein Supermarkt und ein für Sport und Bewegung gut ausgerüstetes Fitnesscenter. Folgt man dem Straßenverlauf in Richtung MeBo- Einfahrt, befinden sich hier gleich mehrere Gewerbeparks und ein modernes Autohaus. Die Erreichbarkeit ist gut, zwei Aus- und Auffahrten auf die Schnellstraße Meran-Bozen in unmittelbarer Nähe werten den Standort auf. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter den Wirtschaftsstandort inzwischen auch mit dem Rad problemlos erreichen. Für Autoreparatur und Service befinden sich unmittelbar nacheinander gleich mehrere Werkstätten. Spätestens seit der Niederlassung der neuen Apotheke „10“ scheint es in der Zone tatsächlich an nichts mehr zu fehlen.

Ein Stück Zeitgeschichte

Vor der Gedenktafel des Außenlagers des Konzentrationslagers Bozen an der Mauer der ehemaligen Bosin-Kaserne. Von links: Roberto Nahum von der Jüdischen Gemeinde Meran, Bürgermeister Paul Rösch und Vizebürgermeister Andrea Rossi

Die Überreste der alten Militäranlage, der ehemaligen Bosin, früher „Venosta“, zeugen für die wohl dunkelste Zeit Merans. Wenn auch die Militärkaserne gegen Ende nur noch als Magazin genutzt wurde, war die Anlage während des Nationalsozialismus doch ein Teil des größten Satellitenlagers und gehörte zum Durchzugslager von Bozen, wie es im Buch „Porto di Mare“ von Paolo Valente beschrieben wird. Es gibt nur wenige Dokumente, die den Alltag im Lager von Meran beschreiben, was die Gefangenen darin miterleben mussten. Eine der wichtigsten Quellen sind die Berichte des Belluneser Tullio Bettiol, der nach einer Zeit im Lager von Bozen zusammen mit Germano Sommavilla nach Meran verlegt worden war und meinte: „Hier geht es einem etwas besser als in Bozen, sowohl von der Strenge als auch von der Einrichtung her. Die Abläufe sind hingegen die gleichen, wie auch die Uhrzeiten. Auch hier sind die Menschengruppen im Lager heterogen: Männer und Frauen, rote Dreiecke, gelbe, in Rosa und so weiter. Wir sind ungefähr 500. Die Frauen sind Antifaschistinnen, Partisaninnen oder Prostituierte.“
Die Mehrheit wurde wegen politischer Aktivitäten oder als Partisanen gefangen gehalten, einige waren im Gefecht festgenommen worden. Es waren aber auch Menschen im Lager, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion ins Lager gebracht worden waren. Die Wächter waren SS-Männer. Die Disziplin hart. Es fehlte nicht an Belästigungen, Strafen und Schlägen. Zwar ist die Arbeit anders als in Bozen, dennoch sehr kräftezehrend. Die Gefangenen wurden beispielsweise in Gruppen zur naheliegenden Bahnhofsstation gebracht, um dort Waggone abzutransportieren und auf Lastwägen zu laden. Ware aller Art, eine große Menge an Teppichen, Bildern, Seidenwaren, Vorhängen, aber auch Lebensmittel, wie Säcke von Zucker.
Die Waren wurden weiter in die umliegenden Schlösser von Meran transportiert, u. a. zu Schloss Trauttmansdorff. Mit der Bevölkerung von Meran gab es überhaupt keinen Kontakt. Die Kennzeichnung der Gefangenen geschah unter dem Nationalsozialismus mit Dreiecken verschiedener Farben, womit die Gründe der Gefangennahme sichtbar gemacht wurden, von denen wiederum die Härte der Arbeit, der Bestrafung und der Schläge abhängig war. Die Farbe Rot galt dabei politischen Gefangenen, Rosa kennzeichnete Homosexuelle, ein blaues Dreieck deutete auf einen Emigranten hin, Violett galt sogenannten Bibelforschern, Gelb Juden und Schwarz Asozia­len. Daraus wurden dann wiederum detailliertere Kennzeichnungen abgeleitet.

Weihnachten 1944
Immer wieder gelang es einigen Gefangenen aus dem Arbeitslager zu fliehen. Eine der bemerkenswertesten Aktionen trug sich um Weihnachten des Jahres 1944 zu, als es den beiden jungen Frauen Albertina Brogliati und Ernesta Sonego gelang, über die Mauer zu klettern und sich unbemerkt davonzumachen. „Dank der Hilfe einiger Meraner Bürgerinnen und Bürger konnten sie sich in Sicherheit bringen.“ So heißt es im Wortlaut der Gedenktafel, die 2010 an den Überresten der Grenzmauer in der Gewerbezone entlang der Luis-Zuegg-Straße angebracht worden war. Bereits 2008 wurde in der Zone eine Straße nach Brogliati benannt.

Ernesta Sonego und Albertina Brogliati
Wie es Paolo Valente in seiner Veröffentlichung dokumentiert, wurde Ernesta Sonego von den Faschisten festgenommen, als sie eine Zeitung der Christlich-Demokratischen Partei in Venedig verteilt hatte. Nachdem man in ihrer Wohnung schlussendlich eine Reisetasche voller deutscher Identitätskarten und Dokumente in blanko gefunden hatte, wurde Sonego von den Faschisten zunächst an das Kommando der deutschen SS weitergeleitet. „Man unterzog mich einer kurzen gerichtlichen Untersuchung und brachte mich daraufhin in ein deutsches Konzentrationslager zweiter Kategorie. Am 5. Oktober 1944 wurde ich mit 22 anderen Verurteilten schließlich ins Lager von Bozen gebracht, von wo aus man mich am 20. Oktober dann nach Meran überwiesen hatte“, erinnert sich die Italienerin in einem späteren Interview. Die Belluneserin Albertina Brogliati (1924 – 1985) wurde hingegen erst Ende des Jahres 1944 nach Meran überführt, heißt es im neuen Stadtführer des Meraner Frauenmuseums. Nachdem ihr Schwager, der Widerstandskämpfer Francesco Pesce „Milo“, zunächst zum Tode verurteilt, 1944 dann aber von Partisanen befreit worden war, wurde die Mutter, die Schwester und die Schwägerin der jungen Albertina von den Nationalsozialisten gefangen genommen. Ihre Familie kam kurze Zeit später wieder frei. Anders kam es aber bei Albertina Brogliati. Sie wurde in das Meraner Arbeitslager überwiesen und verbrachte darin anderthalb Monate, bis ihr schließlich mit Ernesta Sonego die Flucht gelang. Zu Hilfe kamen ihnen dabei einige Meraner mit Belluneser Herkunft sowie der Pfarrer der Heilig-Geist-Kirche, die Albertina wäh­rend ihres Aufenthaltes im Me­raner Krankenhaus kennenlernte.

Tag des Gedenkens
Vielen Gefangenen der Durchgangslager in Südtirol erwartete ein tragischeres Schicksal. Denn abhängig von ihrer Kenn­zeich­nung wurden einige schlussendlich weiter in die Vernichtungslager deportiert. Um der Opfer des Nationalsozialismus insbesondere des Holocaust zu gedenken, wurde am 27. Januar 2005 von den Vereinten Nationen der „Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ eingeführt. Im Rahmen des diesjährigen Gedenktages fanden in Meran Ende Januar gleich mehrere Veranstaltungen statt, bei denen über die Gräueltaten des Faschismus und die Herausforderungen der Juden in Meran informiert und aufgeklärt wurde. Außerdem findet dazu bis 27. März im Frauenmuseum eine Sonderausstellung unter dem Titel „Die Blume des Bösen. Frauen in den Irrenhäusern des Faschismus“ statt.

von Philipp Genetti