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Im Tal der Passer

Schildhöfe, Talmuseum, Polarforscher und Ortler-Erstbesteiger, alter Wallfahrtsort, Malerschule: Das vordere Passeiertal hat viel zu bieten.

Aus geografischer Sicht beginnt das Passeiertal gleich hinter Meran und verläuft über eine Fläche von rund 423 Quadratkilometern bis zu den bekannten Passübergängen, dem Timmelsjoch und dem Jaufenpass. Ab St. Leonhard unterscheidet man zwischen dem hinteren und dem vorderen Passeiertal. Letzterer Teil zieht sich von unterhalb Dorf Tirol über 50 km lang, geradlinig, von Süden nach Norden taleinwärts. Bedingt durch seine Lage herrscht im vorderen Passeiertal ein durchaus mildes Klima, was auch an der subtropischen Vegetation zu erkennen ist.

Passeirer Wirtschaft
Der wichtigste Wirtschaftsmotor für die Gemeinden in Passeiertal ist heute der Tourismus. Ihm folgen Landwirtschaft, Handwerk und Kleinindustrie sowie zu einem beachtlichen Anteil auch der Handel. In der Landwirtschaft bilden die weit verstreuten Berg­bauernhöfe an den Hanglagen eine Besonderheit. Auf ihnen wird vor allem Vieh- und Milch­wirt­schaft betrieben. In den vorderen Tallagen findet man auch Obst­anbau. Das Gewerbe konzentriert sich vor allem auf die ausgewiesenen Gewerbezonen der Ge­mein­den Riffian, St. Martin und St. Leonhard.

Andreas Hofer, der bekannteste Psairer

Zur Geschichte
Auch wenn Archäologen bis heute keinen eindeutigen Beleg steinzeitlicher Siedlungen in Passeiertal gefunden haben, ist davon auszugehen, dass bereits ab dem 8. Jahrhundert v. Chr., steinzeitliche Jäger und Sammler durch das Tal gewandert waren. Hinweise dafür geben Steinzeitfunde in den Hochlagen des Pas­seiertals. Während der Römerzeit spielte das Passeiertal eine untergeordnete Rolle. Es galt hier vor allem als kürzeste Verbindungsstrecke zwischen Meran und Sterzing.

Die Schildhöfe
Die zwölf über das gesamte Tal verteilten Schildhöfe sind Zeitzeugen einer mittelalterlichen Besonderheit und waren mit adeligen Vorrechten ausgestattet. Die Ursprünge dieser Begünstigungen gehen auf Meinhard II. zurück, der 1282 den Talbewohnern aufgrund ihres ehrenwürdigen und treuen Dienstes die „Gnade“ des zollfreien Warentransportes über den Jaufenpass verlieh. Die enge Verbundenheit der Passeirer zu ihrem Herrscherhaus kommt im sogenannten Passeirer Freiheitsbrief aus dem Jahr 1363 zur Geltung, in dem es heißt: „Wenn wir im Felde liegen, so sollen sie unseren Wein führen und uns pflegen und schützen und die Nächsten bei uns.“ 1311 waren bereits elf Pas­seirer Höfe von den üblichen Steu­ern befreit worden. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Bauern innerhalb der Grenzen der Grafschaft von Tirol dem Lan­desfürsten Kriegsdienste zu leisten. Nachdem die sogenannten „Schildhofer“ durch ihren Kriegsdienst im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts in den Adelsstand aufgestiegen waren, bauten sie ihre Höfe zu kleinen Burgen aus.
Interessanterweise behielten die „Schildhofer“ ihre Privilegien bis Ende des 18. Jahrhunderts. Mit den Reformen von Maria There­sia und Joseph II. gingen die Vorrechte der adeligen Bauern allerdings verloren.

Der Tiroler Freiheitsheld Andreas Hofer
Die bekannteste historische Persönlichkeit aus dem Passeiertal ist der Tiroler Freiheitskämpfer An­dreas Hofer. Er ist am 22. November 1767 am Sandhof in St. Leonhard geboren und erlangte durch seinen Fleiß und seinen Ehrgeiz als Land- und Gastwirt zeitlebens hohes Ansehen im gesamten Tiroler Raum. Nachdem 1805 das geschlagene Österreich Tirol an die Franzosen und ihre Verbündeten, die Bayern, abtreten musste, wurde Tirol in Südbayern umgetauft und man erließ radikale Reformen. Vor allem die Eingriffe in das religiöse Leben stießen bei der Bevölkerung auf starken Widerstand. Mit Andreas Hofer als Ober­kom­man­danten brach am 9. April 1809 der Aufstand los. Tatsächlich gelang es Hofer in zwei Schlachten am Bergisel in Innsbruck die Besatzer aus dem Land zu vertreiben. Allerdings musste das besiegte Ös­terreich Tirol daraufhin ein zwei­tes Mal an Napoleon abtreten. Doch auch wenn ein weiterer Erfolg am Bergisel immer unwahrscheinlicher zu werden schien, kämpften Andreas Hofer und seine Landsleute ein drittes Mal gegen die Franzosen. Nach der dritten verlorenen Berg­isel­schlacht und den Kämpfen in St. Leonhard und am Segenbühel oberhalb Merans mussten die Tiroler sich schließlich geschlagen geben. Andreas Hofer versteckte sich daraufhin auf der Pfandleralm bei St. Martin, wo er allerdings wenig später gefasst wird. Auf Anordnung Napoleons wurde Andreas Hofer am 20. Fe­bruar 1810 in Mantua erschossen.

Das Museum Passeier
Um Andreas Hofers Vermächtnis einen Platz zu geben, wurde 2002 am Sandhof das MuseumPasseier errichtet. Es thematisiert vor allem das Brauchtum des Passeiertales, die Geschichte der historischen Landwirtschaft sowie die Spannungsfelder „Freiheit“ und „Heldentum“.

St. Leonhard
Unweit des Sandhofes gelangt man nach St. Leonhard, dem Hauptort des Passeiertales. Mit 3558 Einwohnern ist die Marktgemeinde der bevölkerungsstärks­te Standort im Passeiertal und erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 88,4 km2. Die beiden Fraktionen Walten und Schweinsteg gehören ebenfalls zur Gemeinde. Walten ist zudem Heimatort des bekannten Südtiroler Musikers und Ziehharmonikaspielers Herbert Pixner, der im deutschsprachigen Raum vor allem mit seiner Formation „Herbert Pixner Project“ überaus erfolgreich ist. Das Wappen von St. Leonhard zeigt eine in Schwarz eingebogene goldene Spitze und geht auf die Herren von Passeyr zurück. Es gilt als eines der eindrucksvollsten frühen Wappen Tirols.

Der Polarforscher und der Erstbegeher des Ortlers
Zwei weitere Persönlichkeiten, die aus St. Leonhard stammen, sind der Gamsjäger und Erstbesteiger des Ortlers Josef Pichler, besser bekannt als „Psairer Josele“, sowie der österreichische Nordpolfahrer und Polarforscher Johann Haller.

Stramme Wadln die Psairer

Johann Haller
Nach dem Krieg von 1866 mit Ös­terreich gegen Italien und Preu­ßen und dem darauffolgenden Frieden von Wien erhielt Ita­lien das einst österreich-ungarische Venetien. Für die not­wen­di­ge Neubemessung der öster­rei­chischen Grenze wurde der Ober­leutnant Julius von Payer beauf­tragt. Zur Begleitung stellte man ihm drei tüchtige Männer zur Seite, darunter auch den Passeirer Johann Haller. Während dieser Zeit hatte Payer Hallers Vertrauen gewonnen und bat ihn wenig später um seine Teilnahme an der geplanten Nordpolarexpedition von Österreich-Ungarn. Mit ihnen ging auch der Psairer Ale­xander Klotz. Der sogenannte Tiroler Fjord erinnert heute noch an die beiden Expeditionsteilnehmer. Nach zahlreichen Erkundungen und Expeditionen ließ sich Haller 1875 schließlich als Förster in Nordtirol nieder.

St. Martin
Die Gemeinde St. Martin in Passeiertal entstand zur Zeit des Mittelalters um die bereits im 12. Jahrhundert erwähnte Pfarrkirche. Im Ortskern befinden sich heute mehrere Gastlokale und Geschäfte. Außerdem ist St. Martin Standort der ehemaligen „Pas­seirer Malerschule“, einer Kunstschule für barocke Fresken- und Fassadenmalerei.

Die Passeirer Malerschule
Die grundlegende Idee für diese ländliche Werkstätte kam von dem Passeirer Kuraten Michael Winnebacher. Er förderte den begabten Bildhauer aus Moos Johann Pichler und bot dem Maler Nikolaus Auer dem Älteren und dem Bildhauer Anton Ferner seinen „Mairhof am Anger“ als Standort für die Errichtung einer Ausbildungsstätte für angehende Künstler an. Der Maler wurde mit seinen drei Söhnen Josef, Benedikt und Nikolaus zu wichtigen Vertretern der Werkstatt. Als besonders talentierter Maler zeigte sich der Künstler Josef Haller (1737 – 1773), der mit seinen Rokoko-Malereien in ganz Tirol hohe Anerkennung fand.

St. Martins Fraktionen
Die Standorte Saltaus, Quellenhof, Ried, Kalmtal, Flon, Matatz und Christl sind Fraktionen der Gemeinde St. Martin. Vor allem am Standort Quellenhof ist unverkennbar, dass der Tourismus in St. Martin wirtschaftlich einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Was die Passeirer besonders stolz macht ist, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft 2014 nach ihrem Trainingslager in St. Martin die Weltmeisterschaft in Brasilien für sich entschied.

Die Schatzkammer der Traktoren

Riffian
Die Gemeinden Riffian und Kuens befinden sich am vorderen Ende des Passeiertales und bilden das Tor gegen Süden. Zur Zeit des Mittelalters gehörte Riffian bereits zum engeren Teil des Burggrafenamtes und bildete kirchlich eine Filiale der Pfarre Tirol. Die Verwaltung des Dorfes oblag dem Stadt- und Landesgericht Meran. Heute ist Riffian eine eigenständige Gemeinde und umfasst eine Fläche von 3575 ha. Die Landschaft wird vom Obst- und Weinbau geprägt, welche an den sonnigen Lagen am Talhang betrieben wird. Die Fraktionen Gfeis, Vernuer, Magdfeld, Ried und Walde liegen zwischen 1200 und 1400 Metern über dem Meeresspiegel. Neben der Landwirtschaft steht auch das rege Handwerk, der Handel, die Dienstleistung und der Tourismus für den attraktiven Wirtschaftsstandort Riffian.

Wallfahrtskirche
Für Pilger ist Riffan vor allem für die Wallfahrtskirche „Unsere Liebe Frau“ bekannt. Seit über 700 Jahren bildet sie einen der wichtigsten Wallfahrtsorte in Tirol. Kunsthistorisch ist sie vor allem auch für ihre prunkvolle barocke Ausstattung besonders wertvoll.

Kuens
Die Gemeinde Kuens bildet mit einer Gesamtfläche von rund 1,55 km2 die kleinste Gemeinde Südtirols. Die Kirche von Kuens ist ein Zeitzeuge des späten Mittelalters und den Heiligen Mauritius und Korbinian geweiht. Naturliebhabern ist Kuens auch für seine Erdpyramiden bekannt. Zu ihnen führt der „Erdpyramidenweg“.

Traktormuseum in Kuens
Einheimischen ist auch der Ungerichtshof in Kuens ein Begriff. Hier befindet sich das private Traktorenmuseum der Familie Laimer Pixner. Über 60 Oldtimer-Traktoren, darunter 40 „Porsche-Diesel“ und 5 Porsche-­Diesel Master verschiedener Bau­jahre, beherbergt das Museum. Das älteste Stück der Sammlung ist ein Traktor „Balilla“, aus dem Jahre 1929. Weiters können eine Sammlung alter Vespas sowie seltener Schildkröten-Puppen besichtigt werden. Das Privatmuseum ist von Dienstag bis Sonntag geöffnet. Jeden 1. Freitag im Monat findet außerdem um 15 Uhr eine kostenlose Führung statt.

von Philipp Genetti