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In Tscherms

Farbenprächtig hält der Herbst Einzug im Meraner Land, wie hier auf Schloss Lebenberg über Tscherms, wo zu Erntedank gebührend gefeiert wird.

Die Gemeinde ist reich an Kultur und Geschichte.
Schloss Lebenberg ist weit über die Grenzen hinaus bekannt,
und in Tscherms gab es sogar ein „Badl“.

Woher der Ortsname „Tscherms“ stammt, ist nicht eindeutig geklärt. Doch es ist davon auszugehen, dass die Siedlungsgeschichte der Gemeinde bis in die vorrömische Zeit zurückreicht. Die erste urkundliche Erwähnung geht auf den 2. Juni des Jahres 857 zurück. Dabei handelt es sich um eine Urkunde, in der König Ludwig der Deutsche einen Vertrag zwischen Bischof Esso von Chur und einer Frau namens „Waldrada“ bestätigt, in dem Waldrada ihr Eigengut in Meran an die Kurie übergab und im Gegenzug die Güter der „villa cerones“ (heute Tscherms) und einen Weinberg in „Aniues“ (heute Naif in Obermais) erhielt. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich die Schreibweise des Ortsgebietes mehrmals. Die Namensänderungen reichen von „Sermone“ über „Schirmis“, bis hin zu „Scherms“. Ab dem 14. Jahrhundert setzte sich schließlich die heutige Schreibweise „Tscherms“ durch. Die italienische Bezeichnung „Cermes“ erinnert hingegen noch an die ursprüngliche Bezeichnung.
Die Geschichte
Als dörfliche Siedlung mit eigener Kirche erscheint Tscherms erstmals 1270 unter der Bezeichnung „Tschermser Terz“. Verwaltungstechnisch gehörte der Standort damals zur Gemeinde Marling. Interessanterweise unterstand diese ab dem 14. Jahrhundert dem Gericht „Stein unter Lebenberg“, welches sich wiederum auf Tscherm­ser Ortsgebiet befand. Sitz des Gerichts war das gleichnamige Schloss Stein, das ungefähr zur gleichen Zeit wie die Burg Lebenberg in Tscherms erbaut worden ist. Nachdem man den Gerichtssitz um 1599 nach Lana verlegt hatte, verfiel das Schloss allmählich. In der Mitte des 19. Jahrhunderts standen dann nur noch die letzten Überreste des einst stolzen Gerichtsschlosses.
Die Burg Lebenberg
Die Burg Lebenberg, auch bekannt als Schloss Lebenberg, ist bis heute erhalten geblieben und wurde zum sichtbaren Wahrzeichen der Gemeinde. Nachdem die Herren von Marling die Burg zwischen 1240 und 1280 erbaut hatten, übernahmen sie ihren Namen und nannten sich fortan Herren von Lebenberg. Um das 15. Jahrhundert gelangte das Anwesen an die Herren Fuchs von Fuchsberg, welche 1644 in den Grafenstand erhoben worden waren. Ganze 400 Jahre blieb die Burg in ihrem Besitz. Dann wechselte sie mehrmals ihre Besitzer. Erst als sie 1924 in die Hände von Herrn Adrian van Rossem van Sinoutskerke gelangte, erhielt Lebenberg allmählich wieder ihren Glanz zurück. Die Burg ist heute noch im Besitz der Familie Van Rossem, kann in den Sommermonaten besichtigt werden und wird auch für zahlreiche Kulturveranstaltungen genutzt.

Die Pfarrkirche von Tscherms

Die Chronica ze Lebenberg

Es war das Jahr 1842, als es zur Gründung der sogenannten Weingesellschaft „Stehwein ze Meran“ in einem Gasthof in Meran kam. Noch im selben Jahr wurde mit dem Literaten und Journalisten Josef Friedrich Lentner eine bekannte Persönlichkeit aus Meran in den Gesellenstand aufgenommen. Es war klar, dass der Mitbegründer und langjährige Leiter der Meraner Kurverwaltung den Posten als Obrist der „Stehweingesellschaft ze Meran“ übernehmen würde. Zur großen Freude seiner Gesellen willigte er ein, wodurch die Gesellschaft allmählich salonfähig wurde. Lent­ner initiierte zahlreiche Ordensfeste und scherzhaft-ritterliche Spiele und war maßgeblich an der Organisation des alljährlichen Festumzugs nach Schloss Lebenberg beteiligt. Als eine besondere Rarität gilt heute noch die von Lentner verfasste „Chronica von dem Geschlosse und der Vesten ze Lebenberg“, die auf humorvolle Weise die Entstehungsgeschichte von Lebenberg erzählt. Der Na­me „Stehwein“ geht darauf zurück, dass die Gesellen vor dem Nachhausegehen meistens noch einen Schoppen Wein im Stehen tranken. Nachdem sich die „Weingesellenschaft“ nach Lentners Tod aufgelöst hatte, wurde sie 1996 von einigen Meranern neu ins Leben gerufen und zählt heute 20 Gesellen, die sich regelmäßig zum kulturellen Austausch und gemeinsamen Ausflügen treffen.
Tscherms als selbstständige Gemeinde
Es ist nicht ganz klar, ab wann in Tscherms eigene Dorfversammlungen abgehalten wurden. Das erste Protokoll eines Tschermser Dorfrechtes stammt aus dem Jahr 1857, als man damit begann, die alljährlichen Niederschriften der Dorfrechte im sogenannten „Tscherm­ser Dorfrechtbuch“ einzutragen. Das Buch galt außerdem als Grundlage für die Vorverhandlungen von Gemeindeangelegenheiten in der gemeinsamen Verwaltung von Tscherms und Marling. Als solche wurde das Dorf­recht zunächst in die moderne Gemeindeverwaltung eingegliedert und um 1897 allmählich durch Gemeindeausschussversammlungen ersetzt. Es waren Franz Pöder, Johann Gruber, Johann Schwienbacher, Johann Unterrainer, Simon Thalguter, Heinricht Seifarth, Josef Breitenberger, Martin Braun, Alois Golser, Johann Prünster, Alois Wolf und Karl Kirchlechner, die im Januar des besagten Jahres von der Tschermser Bevölkerung als erste Mitglieder in den Gemeindeausschuss gewählt wurden. Bereits am 19. Januar 1897 traf sich der Ausschuss zur ersten Sitzung und beschloss die Anschaffung von notwendigen Requisiten zur Organisation der Gemeinde. Im Mai 1900 folgten die Einstellung eines eigenen Gemeindesekretärs und die Ernennung eines Gemeindevorstehers. Nach der Zeit der beiden Weltkriege wurde Friedrich Baron von Bach 1945 Bürgermeister von Tscherms. Er behielt sein Amt bis 1950. Nach ihm folgten Alois Golser, Karl Innerhofer und Karl Huber. Seitdem wird die Gemeinde Tscherms in zweiter Legislaturperiode von Bürgermeister Roland Pernthaler verwaltet.
Marling und Tscherms rücken näher zusammen
Die zeitweiligen historischen Rivalitäten zur Nachbargemeinde Marling sind längst überwunden. Man bemüht sich um eine engere Zusammenarbeit. So teilen sich seit Februar dieses Jahres die Gemeinden Algund, Marling und Tscherms einen gemeinsamen Hauptsekretär, der mit seinen zwei Stellvertretern die Sekreta­r­iatsdienste der drei Gemeinden übernimmt. Das Pilotprojekt ist in seiner Art in Südtirol einzigartig und soll in Zukunft die drei Gemeinden noch enger zusammenbringen, so die drei Bürgermeister Walter Mairhofer (Marling), Ulrich Gamper (Algund) und Roland Pernthaler (Tscherms). Damit sollen vor allem die immer vielfältiger und komplexeren Aufgaben der Gemeinden zentral gesteuert und gemeinsam bewältigt werden.
Der Wirtschaftsstandort
Als Wirtschaftsstandort war Tscherms vor allem durch die Durchzugsstraße zum Gampenpass bekannt geworden. Außerdem verlief auch die Straßenbahn Lana-Meran durch die Dorfgemeinde und bot somit eine direkte Anbindung an Meran. Die weiten Apfel- und Rebenanlagen, die das Landschaftsbild des Ortes bestimmen, stehen für den hohen Stellenwert, den die Landwirtschaft seit jeher innehat. Das Gewerbe konzentriert sich vor al­lem in der Gewerbezone „Tscherms Süd“ entlang der Ifin­ger­straße. Handel und Handwerk haben sich hingegen entlang der Gampenstraße niedergelassen. Nachdem in der Nahversorgung ein Lebensmittelbetrieb sein Geschäft schloss, hofft man in Tscherms auf eine Alternative, da die Bäckereifiliale Schmidt nur die Grundversorgung in der Gemeinde garantieren kann.
Tourismus
Im Tourismus ist Tscherms vor allem durch sein Aushängeschild „Schloss Lebenberg“, seine zahlreichen historischen Ansitze und dem Tschermser Waalweg besonders beliebt. Dennoch ist in der Hotellerie und Gastronomie noch „viel Luft nach oben“, heißt es von Seiten des Bürgermeisters. Ein Grund zur Freude sei für ihn die Neueröffnung des einst renommierten Hotelbetriebes „Breitenberger“ im April. Um den Tourismus zu fördern, hat die Gemeindeverwaltung ein Tourismuskonzept für „Tscherms“ erarbeitet, das neben verschiedenen touristischen Angeboten auch die Möglichkeit eines Campingplatzes vorsieht. Wie uns der Bürgermeister erzählt, wurde das Konzept bereits an das Land weitergeleitet, und er hofft auf die Zustimmung der Landesregierung, um Rahmenbedingungen zur Realisierung zu schaffen.
Das Tauferer Badl
In der Geschichte des Fremdenverkehrs von Tscherms war seit 1815 das Bauernbad „Tauferer Badl“ ein beliebter Rückzugsort für die einheimische Bevölkerung sowie für die Gäste. Das Wasser des Badls verwendete man vorwiegend für Trink- und Badekuren, denen eine heilende Wirkung bei Rheumatismus, Gliederkrankheiten, Gicht, Geschwüren, Bleichsucht (Anämie) und Haut­ausschlägen nachgesagt wurde. Im Jahre 1927 wurde auf dem Tauferer Gut sogar ein neues Badehaus mit Heizraum und zehn Badekabinen mitsamt zwölf Wannen errichtet. Die Veranda mit dazugehörender Kegelbahn war hingegen für die Vergnügung vorgesehen. 1970 wurde der Badebetrieb am „Tauferer Badl“ wieder eingestellt. Die Quelle wurde von der Landesagentur für Umwelt als eisen- und leicht mineralhaltiges Wasser klassifiziert und kann vor Ort verkostet werden.
Wissenswertes
Lange bevor man in der Landwirtschaft Hagelnetze zur Unwetterbekämpfung anbrachte, gab es im Alpenraum mehrere Initiativen, um dem Hagel entgegenzuwirken. Dazu gehörte auch die umstrittene Methode der Hagel­abwehr mittels „Hagelraketen“. Vom Erfolg solcher Raketen waren viele Landwirte in Tscherms überzeugt und gründeten Anfang der 1950er Jahre die „Hagel-Abwehr-Organisation Tscherms“. Die ersten Raketen waren vom Typ „Italrazzi 1000“ und hatten eine Reichweite von 1000 bis 1500 Metern. „Kurzes heftiges Abreißen der Zündvorrichtung, mittels der angebrachten Schnur und sich sofort eiligst mindestens 15 Meter von der Abschussstelle entfernen!“ hieß es in der Bedienungsanleitung. Dabei galt die Devise: „Im Hagelfall so lange zu schießen, bis das Unwetter eine Änderung aufwies!“

Und Tscherms blieb seit dem Einsatz der Hagelraketen von größeren Hagelschäden verschont. Dass dies nicht dem Zufall zu verdanken war, stand für viele Tschermser außer Frage. Die Bemühungen der Wissenschaft, die Mitte der 1960er Jahre vermehrt auf die Ineffektivität der Methode hinwies, wollte man zunächst nicht hören. Deshalb dauerte es noch eine ganze Weile, bis die Ra­ketenabschüsse in der Gemeinde verboten wurden. Die Vereinigung der Hagel-Abwehr-Organisation blieb jedoch weiter bestehen und entwickelte sich zum heutigen „Konsortium für den Schutz der landwirtschaftlichen Kulturen vor Witterungsunbilden“.
Die Mannschaft der Abschussstelle Nr. 5 beim Raffeiner-Hof blieb noch bis Ende der siebziger Jahre bestehen und schloss als die letzte Abschussstelle in Südtirol.

von Philipp Genetti