Die Frau mit den Goldhänden

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Die Frau mit den Goldhänden

MÜHLEN/SAND IN TAUFERSDie große Leidenschaft von Marianna Flatscher Steger aus Mühlen ist die Fertigung von Klosterarbeiten. Aus Perlen, Golddraht und Glassteinen zaubert sie kunsthandwerkliche, sakrale Schmuckstücke.

Viel Geduld, Fantasie und ein goldenes Händchen sind die Voraussetzungen für die Fertigung von Klosterarbeiten. Das Kunsthandwerk reicht in das Mittelalter zurück und wurde vorwiegend in Frauenklöstern ausgeführt, um  Reliquien und Heiligenfiguren zu verzieren. Die filigrane Handwerkstechnik fand später auch Eingang in den Bauernstand, um damit Trachten, Hauben oder Haarnadeln zu verschönern.

FILIGRANE KUNSTWERKE
Marianna Flatscher Steger übt das Kunsthandwerk bereits seit 15 Jahren aus. Aus Golddraht, Glasperlen und Swarovsky-Steinen verziert sie damit Heiligenbilder oder Kruzifixe, bettet ein Christkindlein aus Wachs in eine goldene Wiege oder umkränzt die Altöttinger Madonna mit dem symbolischen Wettersegen. Zu Ostern werden Eier mit goldenen Ranken umschmückt. Die Grundmaterialien dazu sind nicht billig, zumal Frau Steger nur echten Golddraht verwendet, „man muss schon was Edles nehmen, sonst ist die Arbeit zu schade“, sagt sie. Ihre mittlerweile mehrere Dutzend Objekte und Bilder aber verkauft sie nicht. „Ich habe zu meinen Werken eine Art Bindung hergestellt, sodass ich sie nicht für Geld weggeben möchte. Ich mache es aus reinem Spaß an der Freud.“ Allein einzelne Blüten zu fertigen, braucht es viel Zeit und eine ruhige Hand und bis die Gesamtkomposition richtig drapiert ist, fließen die Stunden für Frau Marianna auch manchmal bis zwei Uhr nachts dahin.

BASTELN UND WURSCHTELN
Ihr Mann Franz hat Verständnis für das kostspielige Hobby und gemeinsam unternehmen sie Fahrten zu Ausstellungen von Klosterarbeiten vor allem nach Bayern, wo das alte Kunsthandwerk besonders gepflegt wird. „Bei mir ist nie Leerlauf“, sagt die beherzte 62-Jährige. Denn außer mit Klosterarbeiten füllt sie ihre Freizeit mit Klöppeln, Häkeln, Stricken und Sticken. Die Liebe für das Handarbeiten wurde ihr bereits von der Mutter am elterlichen Hof in Ellen in die Wiege gelegt. Als Jugendliche wollte sie Näherin werden, in Welsberg erhielt sie eine Lehrstelle. Allerdings verdiente sie über die Woche weniger, als der Zug von Welsberg übers Wochenende nach Hause gekostet hat. Somit gab sie ihren Wunschberuf auf und besuchte die Haushaltungsschule in Dietenheim, arbeitete dann als Kindermädchen und nach ihrer Heirat als Hausfrau. Ihren vier Enkeln gibt sie die Leidenschaft für das Basteln weiter. Da wird oft stundenlang „gewurschtelt“, wie es die Kinder nennen, und keines der Kleinen mag in dieser Zeit lieber fernsehen. Die goldenen Blüten, die Marianne fertigt, gibt sie somit symbolisch an ihre Enkel weiter als Werte namens Fleiß, Genauigkeit, Geduld und als sinnvollen Zeitvertreib. (IB)