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Eine Weltsprache neben Wunderbalsam

Eine gemeinsame Sprache könnte ein Heilmittel gegen nationale Konflikte sein, so dachte man früher. Und wer eine solche hätte erlernen wollen, der musste nicht in der Ferne suchen. Entsprechende Lehrbücher gab es auch unter den Meraner Lauben zu kaufen.
Folgt man der biblischen Erzählung, so ist der Turmbau zu Babel schuld daran, dass es so viele verschiedene Sprachen gibt. Aber auch weitaus plausiblere Erklärungen von Linguisten und das Aufzeigen von Sprachverwandtschaften können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verständigung mit Fremden oft schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist.
Deshalb ist es nur naheliegend, dass sprachlich Interessierte darüber nachdenken, ob dieses Problem nicht durch eine gemeinsame Sprache gelöst werden könnte. Einer von ihnen war der katholische Pfarrer Johann Martin Schley­er. Neben seiner Arbeit als Priester widmete er sich intensiv dem Studium von Fremdsprachen. So entstand auch das Anliegen, eine Welt­hilfs­sprache zum Nutzen aller Menschen zu kreieren. 1879 stellte er die von ihm erfundene Sprache namens Volapük vor. Sie wurde zur ersten Plansprache, die international eine größere Anhängerschaft gewinnen konnte. Schleyer, der in Konstanz lebte, verschickte von dort aus sein „Weltspracheblatt“ sowie Lehr- und Wörterbücher, um die neue Sprache weiter zu verbreiten.

Ein Buchhändler in Meran
Auch in Meran konnte man sich mit Volapük-Literatur eindecken. So bot beispielsweise die Buchhandlung Carl Jandl in den Berg­lauben Nr. 62 Grammatik- und Wörterbücher sowie weitere Texte in Volapük an. Jandl, der dem Geschäft seinen Namen gab, stammte ursprünglich aus Nordtirol. Er wurde am 18. November 1813 als Karl Franz Jandl in Innsbruck/St. Jakob geboren. Seine Eltern waren der Schleifermeister Josef und seine Frau Anna Toblander. Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr war er im Buchhandel tätig und lernte die Branche von allen Seiten kennen. Von 1852 bis 1860 arbeitete er als Geschäftsführer der Wagner’schen Filiale in Brixen und unterhielt berufliche Kontakte nach Innsbruck und Wien. 1861 ließ er sich in Meran nieder und gründete dort seine „Buch-, Kunst-, Musikalien- und Schreibmaterialienhandlung“. Diese schon recht sperrige Benen­nung wurde aber der Vielfalt der angebotenen Produkte in keiner Weise gerecht. Auch Musikinstru­mente, optische Artikel, feine Toi­lettengegenstände und Wundspritzen, Lederwaren, Hängematten, Eisbeutel, Wunderbalsam u.v.m konnte man hier erwerben.

Familie und Geschäft
Im Juni 1863 heiratete Jandl in Bozen die fast zwanzig Jahre jüngere Rosa Offer aus dem kleinen Nordtiroler Weiler Vinaders. Doch das Familienglück blieb ihm versagt. Von den drei gemeinsamen Kindern starben zwei im Kleinkindalter und seine Frau 36-jährig an Lungentuberkulose. Er stürzte sich in die Arbeit und war in verschiedenen Funktionen in Meran tätig. So gab er bis 1866 das „Wochenblatt für Meran und Umgebung“ heraus, das sich an Touristen richtete. Lange überlebte es allerdings nicht, denn „offenbar gab es zu wenig Aufregendes aus Meran und Umgebung zu berichten“, wie später resümiert wurde. Nachdem er zwanzig Jahre lang seine Buchhandlung im ehemaligen Pardatscherhaus in den Lauben geführt hatte, übergab er sie 1881 an Anton Eberlin und dessen Vetter Alois Florineth. Diese führten das Geschäft weiter unter dem Namen „C. Jandl’s Buchhandlung“ und gründeten im Jahr darauf eine angeschlossene Druckerei unter der gleichen Bezeichnung. Carl Jandl selbst erlebte dies nicht mehr. Er starb 1881 am Silvestertag, betrauert von seinem einzigen Sohn Eduard, der ihm wenige Jahre später folgen sollte. Ende der 1920er Jahre wurde dann die Firma an die Verlagsanstalt Vogelweider verkauft. Die eingangs erwähnte Welthilfssprache Volapük hatte zu dieser Zeit kaum noch Bedeutung. Zu umständlich war das Erlernen, zu rigide die Versuche ihres Schöpfers, die vollständige Kontrolle darüber zu behalten. Sprache ist eben etwas Natürliches, Lebendiges. Christian Zelger