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Eine Straße für den König

1887 wurde der „Straßenbauverein für die Umgebung Merans“ gegründet. Zählte er zunächst 39 Mitglieder, so vervierfachte sich die Zahl in den folgenden Jahren. Eines der Vorzeigeprojekte sollte von Gratsch über Wessobrunn und dem Walknerhof bis zum Schloss Thurnstein führen.

Um zwei Uhr nachmittags öffnete das reich geschmückte Kurhaus in Meran seine Tore. Es war der 12. April 1903 und zum ersten Mal fand ein Osterbasar statt, um Geld für den Bau der König-Laurin-Straße zu sammeln. „Bazare waren es meist, welche den ersten oder letzten Stein zur Ausführung eines Projektes schufen“, schreibt ein Journalist. Der große Kursaal war dem Anlass entsprechend in ein Blumenreich verwandelt worden. Rosenumrankte Säulen trugen Baldachine, Rosenkioske dienten als Verkaufsstände, Blumengewinde, wohin das Auge blickte, reichten bis zur Galerie. Alles erinnerte an König Laurins Rosengarten. Vor dem Kurhaus erwarteten die Besucher drei Kapellen, die um die Wette musizierten, Sänger und Jodler gaben ihre Volksweisen zum Besten und auch der Männergesangsverein stellte sich in den Dienst der Sache. Es waren so viele Menschen gekommen, dass es stellenweise zu einem „beängstigenden Gedränge“ kam und selbst die Anwesenheit von Erzherzog Eugen vielen verborgen blieb. Schon im Vorfeld gab es neben Geschenken für den Glückstopf kleinere und größere Geldspenden, darunter von heute noch in Meran bekannten Familien wie Gobbi, Prinoth, Gutweniger, Seibstock und Ellmenreich. So wundert es wenig, dass man auf die stolze Summe von über 38.000 Kronen blicken konnte, umgerechnet etwa 327.000 Euro. Der so lukrierte Betrag ergab allerdings erst etwa ein Zehntel der geschätzten Kosten.

Laurin und die Rosen
Meran hatte in den Jahrzehnten davor eine Reihe von neuen Gebäuden und damit auch neue Straßen erhalten. Erstere galt es zu nummerieren, letztere zu „taufen“. Der Straßenbauverein entschied sich schon früh für den sagenhaften König. Dafür gab es einen guten Grund. Die Mär vom zauberkundigen Zwergenkönig und seinem Rosengarten gehört wohl zu den bekanntesten Überlieferungen Tirols. Als der König an der Etsch seine schöne Tochter Similde vermählen wollte, wurden alle Adeligen der Umgebung eingeladen, nur König Laurin nicht. Dieser nahm mit Hilfe seiner Tarnkappe dennoch am Fest teil, sah Similde, verliebte sich in sie und floh mit ihr zusammen hoch zu Ross. Sofort zogen Dietrich von Bern und seine Recken aus, um die Braut zurückzuholen. Im Rosengarten kam es zum Kampf, doch trotz Tarnung erkannten die Ritter an den Bewegungen der Rosen, wo sich ihr Gegner befand. So wurde Laurin besiegt und gefangengenommen. Im Zorn verfluchte er den Rosengarten: Kein Mensch sollte ihn je sehen, weder bei Tag noch bei Nacht. Allerdings hatte er die Dämmerung vergessen und so „blüht“ der Rosengarten bei Sonnenauf- und -untergang. Über dessen genaue Lage gibt es freilich unterschiedliche Angaben. Der Volkskundler Vinzenz Ignaz Zingerle führt in seiner Sagensammlung jene Version an, die den Rosengarten in Gratsch am Fuße von Schloss Tirol verortet. Die „Meraner Zeitung“ schreibt sogar, dass „kaum eine zweite Lokalität so begründeten Anspruch darauf erheben“ dürfe, wie die Gegend bei Gratsch.

Ein langer Weg
Bis zur Fertigstellung der König-Laurin-Straße dauerte es einige Jahre. Im Oktober 1907 konnte ein erstes Teilstück eingeweiht werden, 1910 das zweite, 1911 – auch dank eines weiteren Osterbasars – das dritte. Die Planung für die Zukunft sah den Ausbau über den Töllgraben bis nach Partschins vor. Ohne Alois Walser, Obmann des Straßenbauvereins, wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen. Er war einer der treibenden Kräfte und hatte sich unermüdlich um die Beschaffung von Geldmitteln bemüht. Nur so konnte das Prestigeprojekt zu einem guten Ende geführt werden.
Richard Putz dichtete anlässlich der Einweihung 1907: „Die Jungfer Laurinstraße / Ward heut’ zur Frau geweiht / Und trägt uns all mit Freude / In holder Weiblichkeit!“

Christian Zelger