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Ein Leben für die Kunst

Die Welt ist klein – sogar die der Straßen. Josef Garber ist eine in Tscherms gewidmet. Auch Anselm Pattis, der seine Eltern verheiratet hatte, und Josef Weingartner, mit dem Garber über Jahrzehnte hinweg in Freundschaft verbunden war, standen schon im Zentrum einer Straßengeschichte.

Ein goldener Schatz, wie eine Sage behauptete, sei zwar nicht gefunden worden, als man in Meran 1913 das Thalguterhaus unter den Lauben abriss, allerdings über 500 Jahre alte Fresken mit Wappen bekannter Adelsfamilien. Sie seien al fresco auf die Mauer eines viereckigen Raums von gut 5 mal 5 Metern gemalt worden. Profane Fresken aus der Zeit um 1400 waren außerordentlich selten – also doch eine Art Schatz, der ein berechtigtes Aufsehen in der Kunstwelt hervorrief. Der Abbruch des letzten Rests des Thalguterhauses war sofort eingestellt worden. Ein Stuckateur aus Bozen, der sich auf die Ablösung alter Mauerdecken spezialisiert hatte, löste sie unter großer Vorsicht. Vor Ort war auch der Landeskonservator, der die Arbeiten überwachte, Fotografien anfertigte und die Familiennamen unter den Wappen entzifferte. Sein Name war Josef Garber.

Josef Bartholomä Garber erblickte am 15. März 1883 um 4 Uhr früh in Tscherms das Licht der Welt und wurde, wie früher häufig, nur wenige Stunden später getauft. Den zweiten Vornamen erhielt er zu Ehren seines Großvaters mütterlicherseits. Rosa Waldner, seine Mutter, war eine Seitertochter und hatte den Feldererbauer Johann Garber eineinhalb Jahre zuvor geheiratet. Hinter dem Traualtar stand der schon eingangs erwähnte P. Anselm Pattis. Josefs Werdegang war der vieler intelligenter Jungen zur damaligen Zeit. Nach der Grundschule besuchte er das Johanneum in Dorf Tirol und studierte im Anschluss daran Theologie in Brixen. Allerdings nicht ohne vorher mit der Kunstgeschichte in Kontakt gekommen zu sein und darin eine Leidenschaft gefunden zu haben, die ihn sein ganzes weiteres Leben begleiten wird. Mit einem seiner Studienkollegen hatte er sich besonders angefreundet. Es war Josef Weingartner, ebenfalls Theologiestudent und in gleicher Weise fasziniert von Kunst und Kunstgeschichte. Im Juni 1907 wurde Garber dann vom Trientner Fürstbischof Celestino Endrici zum Priester geweiht. In seinen ersten Jahren wirkte er als Kooperator in St. Gertraud und St. Walburg in Ulten. Doch seine angeschlagene Lunge – wohl ein Familienleiden – zwang ihn, die Seelsorge aufzugeben. So erhielt er die Möglichkeit, seine kunsthistorischen Studien wieder aufzunehmen, zuerst in Rom und dann bei Max Dvořák in Wien, wo er im Juli 1912 promoviert wurde. Schon im Herbst begann seine Tätigkeit für die k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien. Lange blieb er aber der Heimat nicht fern. Im Mai 1913 wurde ihm auf Veranlassung von Thronfolger Franz Ferdinand der Amtssitz Bozen zugewiesen. Von nun an war er für den deutschen Teil der Diözese Trient verantwortlich. Er wirkte mit großer Kenntnis und unermüdlichem Einsatz als Denkmalpfleger und später als Landeskonservator. In den schwierigen Zeiten während des 1. Weltkrieges versuchte er bei den Metallsammlungen, den Glockenabnahmen und der Einziehung von Orgelpfeifen das Kostbarste zu retten. Nach dem Krieg stellte er seinen Sachverstand und seine Kraft in den Dienst des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck. Zeit seines Lebens publizierte Garber zu kunstgeschichtlichen Themen. Ob es die karolingische St.-Benedikt-Kirche in Mals, das Schloss Ambras oder die Malerfamilie Stolz war, Garber setzte sich mit ihnen in wissenschaftlicher Weise auseinander und ließ andere daran teilhaben. Nebenher malte er, schrieb Gedichte und das erfolgreich aufgeführte „Tiroler Weihnachtsspiel“. Er starb kurz nach seinem 50. Geburtstag am Palmsonntag 1933 in München. Fast dreißig Jahre lang hatten er und Josef Weingartner sich geschrieben. Der Ende der 40er Jahre herausgegebene Briefwechsel der beiden Priester ist Zeugnis einer tiefen Freundschaft und liefert ein aufschlussreiches Zeitbild des wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens in Tirol. Christian Zelger