Der „Starchirurg“ aus dem Passeiertal

Wohnideen nach Maß
2. August 2023
Das Problem der Gewaltenteilung
2. August 2023
Alle anzeigen

Der „Starchirurg“ aus dem Passeiertal

Prof. Dr. Alfred Königsrainer gilt als einer der angesehensten Transplantationschirurgen. Nach seiner langjährigen Tätigkeit als Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum in Tübingen ist der in St. Leonhard im Passeiertal geborene Arzt in seine Heimat zurückgekehrt und leitet das Gesundheitszentrum ST. JOSEF in Meran.
von Philipp Genetti

Herr Prof. Königsrainer, Ihre familiären Wurzeln liegen im Passeiertal. Wie kamen Sie zur Chirurgie?
Alfred Königsrainer: In St. Leon­hard, wo ich aufgewachsen bin, gab es im Haus meiner Eltern eine Arztpraxis und als kleiner Junge war ich schon früh beeindruckt vom Beruf des Arztes. Ich begann Medizinbücher zu lesen und wusste von da an, dass ich eines Tages selbst diesen Beruf ausüben wollte.

Nach Abschluss der Matura und des Studiums der Allgemeinmedizin in Innsbruck haben Sie Ihre Facharztausbildung an der Innsbrucker Universitätsklinik gemacht. Was waren Ihre wertvollsten Erfahrungen in dieser Zeit?
Während meiner Facharztausbildung an der Innsbrucker Universitätsklinik in den 1980er Jahren erlebte die Transplantationschirurgie ihren großen Aufschwung. Als junger ambitionierter Mediziner war es für mich selbstverständlich, an dieser faszinierenden Entwicklung teilzuhaben. Gleichzeitig gab es neue Entwicklungen in der Tumormedizin, die mich faszinierten.

Neben Ihrer Tätigkeit in Innsbruck haben Sie zeitweise auch in Mailand, Hamburg, Brüssel und in London gearbeitet. Inwieweit waren diese Orte für Ihre weitere berufliche Laufbahn wichtig?
Meine Studienaufenthalte in Mailand, Hamburg, Brüssel und London waren motiviert, neue Bereiche bzw. Angebote in Innsbruck zu etablieren. In Mailand konnte ich mich beispielsweise mit der Inselzelltransplantation bei Diabetes mellitus vertraut machen, während ich in den anderen Zentren, vor allem in Belgien und England, Erfahrungen mit der Lebertransplantation bei Kleinkindern und Säuglingen sammeln konnte, um diese Konzepte dann in Österreich etablieren zu können.

Prof. Dr. Alfred Königsrainer

In Innsbruck wurden Sie stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie. 2004 wechselten Sie nach Tübingen, wo Sie zum Ärztlichen Direktor für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum berufen wurden. Wie kam es dazu?
Meine Berufung zum Ärztlichen Direktor für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen entsprach dem üblichen akademischen Weg. Es war der nächste Schritt in meiner Karriere, mich in einer universitären Struk­tur zu bewerben. Ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich als Nicht-Deutscher diese Position in Deutschland erreichen konnte.

Was waren für Sie die wichtigsten Meilensteine Ihrer bisherigen Arbeit?
Die wichtigsten Meilensteine meiner Arbeit waren die Transplantation aller Bauchorgane bei Kindern und Erwachsenen, das Erleben und Gestalten der modernen Beeinflussung des Immunsystems zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen und die Entwicklung neuer Konzepte in der Tumorchirurgie, bei der die Chirurgie immer eine zentrale Rolle spielt. Vielfach geht es um die Frage, was im Körper verbleiben muss, damit ein normales Leben möglich ist, oder anders ausgedrückt, was ein Mensch braucht, um mit einer akzeptablen Lebensqualität zu überleben.

Wer waren Ihre Vorbilder, die Sie in Ihrem Fachgebiet weitergebracht oder besonders fasziniert haben?
Meine Vorbilder waren Menschen, bei denen es nicht um die eigene Person, sondern um die Sache, aber vor allem, wo der Pa­tienten im Mittelpunkt stand. Be­sonders geprägt haben mich dabei u.a. Prof. Margreiter (Innsbruck), Prof. Pichlmayr (Hannover), Prof. Trede (Mannheim) und Prof. Nagino (Japan).

Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit am Universitätsklinikum Tübin­gen ist die Transplantation von Bauch­organen. Was fasziniert Sie daran?
Es fasziniert mich, dass man lebenswichtige Organe austauschen und damit einem Patienten wieder ein normales Leben ermöglichen kann. Besonders beeindruckend ist die Möglichkeit, Bauch­organe zu transplantieren. Es ist erstaunlich, wie ein solcher Eingriff das Leben eines Menschen grundlegend verändern kann. Auch die Gebärmuttertransplantation hat mich fasziniert. Ich habe miterlebt, wie wichtig es für eine Frau ist, durch diesen Eingriff die Möglichkeit zu schaffen, ein eigenes Kind zu bekommen.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Chirurgen aus?
Ein „guter“ Chirurg zeichnet sich durch Bescheidenheit, Zielstrebigkeit, Selbstreflexion und den Glauben, niemals aufzugeben, aus.

Was hat Sie bewogen, in Ihre Heimat zurückzukehren?
Mein Versuch, bereits 1995 nach Südtirol zurückzukehren, um hier eine wettbewerbsfähige Chirurgie aufzubauen, scheiterte an vielen Hindernissen, die oft mehr mit politischen Interessen als mit den Anliegen der Patienten zu tun hatten. Damals war ich 40 Jahre alt und nicht bereit, meine Energie mit Streitigkeiten zu vergeuden; ich sah kein Licht am anderen Ende des Tunnels. Deshalb kehrte ich an die Universitätsklinik in Innsbruck zurück. Jetzt, da meine Karriere beendet ist, möchte ich meiner Heimat etwas zurückgeben und leite das Gesundheitszentrum ST. JOSEF in Meran.

Welches Potential sehen Sie für das Gesundheitszentrum ST. JOSEF?
Ich sehe im Gesundheitszentrum ST. JOSEF in Meran die Möglichkeit, den öffentlichen Gesundheitssektor zu entlasten und damit die öffentlichen Einrichtungen in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben besser zu erfüllen. Das ergänzt sich gut.

Was macht die Arbeit im Gesundheitszentrum ST. JOSEF besonders reizvoll? Welche Schwerpunkte setzen Sie?
Die Arbeit im Gesundheitszentrum ST. JOSEF reizt mich, weil ich bisher immer kranke Menschen behandelt habe. Ich konnte viele Leben retten und Leiden lindern. Aber ich habe mich immer gefragt, was wäre, wenn diese patienten früher zu mir gekommen und gar nicht erst erkrankt wären. Im St. Jo­sef konzentrieren wir uns auf die Vorsorge. Unser Ziel ist es, die Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren und zu begleiten, Krankheiten durch Früh­erkennung zu vermeiden und im Krankheitsfall möglichst schnell wieder gesund zu werden. Hier liegt noch viel Potenzial.

Sie organisieren seit langem die „Euregio-Tour für Transplantation“, die in diesem Jahr vom 30. Juni bis 2. Juli 2023 stattgefunden hat. Worum ging es dabei?
Mit dieser Radtour wollen wir auf die Bedeutung der Organspende aufmerksam machen, denn ohne Organspende keine Transplantation. Transplantierte sind ganz „normale“ Menschen, die wie wir alle auch arbeiten und in der Lage sind, sportliche Höchstleistungen erbringen zu können. Wir wollen Transplantierte als „normale“ Men­schen darstellen indem wir an den Menschen vorbeifahren und zeigen, wie Organspende helfen kann. Transplantation ist ein sehr emotionales Thema, weil es auch mit dem Tod zu tun hat, aber es ist noch nicht ausreichend in der Gesellschaft präsent. Mit der Euregio-Tour wollen wir über Organspende sprechen und die Menschen für dieses Thema sensibilisieren. Dies kann nur durch die Teilnahme von Trans­plan­tierten erreicht werden.