Die Tragödie von Cutro und das Lied von Marinella

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Die Tragödie von Cutro und das Lied von Marinella

Im Morgengrauen des 26. Februar kenterte nur wenige hundert Meter vor der Küste Kalabriens ein türkisches Schiff mit hunderten von Migranten an Bord. Bisher wurden 88 Leichen, darunter zahlreiche Kinder, geborgen. Es handelt sich um den Schiffsbruch mit der höchsten Anzahl an Toten, der sich in den letzten 10 Jahren vor Italien ereignet hat.
Diese Tragödie hat die öffentliche Meinung zutiefst erschüttert und Fragen zur Migrationspolitik der Regierung Meloni aufgeworfen.
Nur wenige Tage zuvor hatte der Senat ein Gesetz verabschiedet, das Rettungsschiffen der NGOs ihre Arbeit möglichst erschweren sollte. Während der Debatte hatte eine Parlamentarierin der Mehr­heit die Migrantenschiffe als Kreuzfahrtschiffe bezeichnet. Unmittelbar nach dem Massaker begab sich Minister Piantedosi nach Kalabrien, wo er Eltern, die ihre Kinder auf diese Schiffe bringen, als „unverantwortlich“ bezeichnete.
An Bord des Schiffes befanden sich hauptsächlich AfghanInnen, IranerInnen und SyrierInnen: Menschen, die vor Krieg oder autoritären Regimen fliehen und daher Anspruch auf den internationalen Flüchtlingsstatus haben. Die unterlassenen Rettungsmaßnahmen durch die Küstenwache und die Äußerungen des Innenministers lösten eine Empörung aus, die mit einem in Cutro tagenden Ministerrat beantwortet werden sollte.
Doch ausgerechnet bei diesem Ministerrat in Kalabrien wurde ein Dekret verabschiedet, das die Kriterien für die Gewährung des Flüchtlingsstatus einschränkt.
Dabei pflegt die Regierung in ihrer Kommunikation verschiedene Ebenen zu vermischen. Denn es ist eine Sache, die Migrationsströme zu steuern, Arbeitsgenehmigungen zu erteilen, die Umsiedlung in andere europäische Länder oder die Rückführung in die Herkunftsländer durchzuführen. Eine andere Sache ist, die Seenotrettung, die auf jeden Fall stattfinden muss. Außerdem der humanitäre Schutz für Menschen, die aus Kriegssituationen oder Kontexten fliehen, in denen sie Opfer von Folter, Verfolgung oder Diskriminierung werden. Beides wird durch internationale Abkommen geregelt, die für Italien verbindlich sind, weshalb bereits mehrere diesbezüglich erlassene Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt wurden.
Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen des politischen Schlamassels in dieser Angelegenheit war das Video der Geburtstagsfeier von Salvini, dem für die Küstenwache zuständigen Minister. Dort stimmten Meloni und Salvini, noch bevor die meisten Toten überhaupt begraben waren, in ausgelassener Stimmung ein Lied an: Das Lied von Marinella, das von einer jungen Frau handelt, die ertrunken ist.