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Ein Vorbild für die Politik von heute

Maria Bertolini Koppelstätter ist den Älteren unter uns noch in Erinnerung. Die gebürtige Meranerin (1931) stammt aus einer überzeugten Dableiberfamilie und hat sich ein Leben lang für den Bauernstand eingesetzt.

Südtirol war bei der landwirtschaftlichen Ausbildung lange Zeit im Rückstand. Das Land begann in den 1950er Jahren mit der Errichtung von land- und hauswirtschaftlichen Fachschulen, zuerst 1952 in der Fürstenburg bei Burgeis. Die Fachschule Dietenheim, die als einzige bereits bestand, wurde 1955 ausgebaut. Die Abteilung „Bäuerliche Berufsertüchtigung“ im Assessorat für Landwirtschaft organisiert Kurse und Vorträge für Bauern und die bäuerliche Jugend. In den 1960er Jahren kamen eigene Kurse für Bäuerinnen hinzu, die u. a. hauswirtschaftliche Themen und den Urlaub am Bauernhof zum Inhalt hatten. Maria Bertolini spielte dabei eine wesentliche Rolle. Als Mitarbeiterin des ehemaligen Land­wirt­schafts­as­ses­sors und späteren Senators Peter Brugger hat sie die bäuerliche Weiterbildung und die Anfänge des Urlaubs auf dem Bauernhof führend umgesetzt. Zudem war Maria Bertolini am Aufbau der Bauernjugend (1969) und später der Bäuerinnenorganisation (1979) maßgeblich beteiligt. „Jugend und Bäuerinnenorganisation waren Neubeginne, ich würde sie beide als schwierige Geburten bezeichnen“, sagt Bertolini in einem Interview anlässlich der Verleihung des Verdienstkreuzes des Landes im Jahr 2008. „Der Weg war kein leichter, aber der Einsatz hat sich gelohnt. Mir persönlich lag der Fortbestand der bäuerlichen Familie sehr am Herzen. Die Unterstützung der Mädchen in der Bauernjugend und die Gründung einer Bäuerinnenorganisation waren mir deshalb sehr wichtig“, erinnert sie sich.

G. Platter (l.) und L. Durnwalder überreichen Maria Bertolini das Verdienstkreuz

Beruflich war Bertolini als Fachlehrerin für Hauswirtschaft tätig und leitete von 1984 bis 1987 das hauswirtschaftliche Bildungszentrum „Frankenberg“ in Tisens. Zwischen 1973 und 1993 war sie vier Legislaturperioden lang als Landtags- und Regionalratsabgeordnete der SVP aktiv und vertrat als erste Frau die Landwirtschaft auf der politischen Bühne. „Vielleicht sind heute Relativismus, Beliebigkeit und persönliches Streben nach Macht verbreiteter als zu meiner Zeit“, sagte Bertolini und wünschte sich zugleich mehr Zusammenhalt.
Neben der Landwirtschaft lag ihr besonders die Gleichstellung von Mann und Frau am Herzen. 1988 brachte sie den Gesetzesentwurf zum Beirat für Chancengleichheit mit ein. Maßgeblich wirkte Maria Bertolini auch bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Lebendige Tracht“ mit. Schließlich baute sie die Seniorenvereinigung im Bau­ernbund mit auf. Von 1994 bis 2006 war sie deren zweite Landespräsidentin.
Bertolini war lange Zeit auch Mitglied der Landesleitung der SVP-Frauen und des Verwaltungsrates des Musikinstituts. Für ihre Verdienste wurde sie 2006 zur Ehrenpräsidentin der Seniorenvereinigung ernannt, 2008 erhielt sie das Verdienstkreuz des Landes Tirol. „Fortschritt ist gut, darf aber nicht zum Schritt fort vom Leben werden, das müssen die zukünftigen Generationen stark bedenken“, lautet ihre Botschaft an uns heute. Maria Bertolini verstarb am 14. Juni 2022 in Algund, wo sie seit einigen Jahren wohnhaft war. Sie hinterlässt ihren Gatten Günther und die zwei Töchter Angelika und Elfriede.