10 Jahre „Zentrum Mensch“ in Meran

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10 Jahre „Zentrum Mensch“ in Meran

Im Juni hat das Psychologische „Zentrum Mensch“ sein 10-jähriges Jubiläum am Sitz im Kieserhaus Meran gefeiert.
Dr. Tanja Corazza, Inhaberin des Zentrums, konnte gemeinsam mit der therapeutischen Leiterin, Dr. Michaela Tollo und ihren 7 Mitarbeiterinnen über 150 Gäste willkommen heißen und die letzten Jahre Revue passieren lassen.
Das private Zentrum bietet eine wichtige Alternative zu den bekannten öffentlich zugänglichen Diensten des Landes und deckt Themen wie Angst und Depressio­nen, Burnout und Mobbing, Familie und Schwangerschaft ab. Ziel des Zentrums ist es, Menschen mit psychologischer Beratung und Therapie bei ihren persönlichen Anliegen zu begleiten. Die Psychologinnen und Psychotherapeutinnen unterstützen seit der Gründung im Jahr 2012 mit unterschiedlichen Therapieansätzen Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In ihrer Ansprache be­tonte Landesrätin Waltraud Deeg, wie wichtig es sei, auf die eigene psychische Gesundheit zu achten und den Mut zu haben, sich Hilfe zu holen. Das Zentrum Mensch könne dabei eine wichtige Brücke bauen, um den Menschen mehr Lebensqualität und –Freude zu geben. Stefan Frötscher, Referent der Gemeinde Meran, richtete Grüße des Bürgermeisters Dal Medico und der Vizebürgermeisterin Zeller aus und betonte, dass es eine intensivere Zusammenarbeit geben werde, die Pilotprojekte wie auch Finanzierungsmöglichkeiten betreffe, um die Bürger in Meran in den aktuellen Anliegen der Stadt zu unterstützen. „Die Anfragen von hilfesuchenden Menschen haben in den letzten beiden Jahren ein nie zuvor dagewesenes Ausmaß angenommen. Nicht nur Menschen in akuten Krisensituationen, mit belastender Vergangenheit haben sich zuletzt bei uns gemeldet, sondern auffallend viele Menschen, die völlig stabil in ihrem Berufsalltag und ihrem Familienleben integriert sind“, so Corazza. Corazza, Tollo und ihrem Team ist es gelungen, in den letzten 10 Jahren einen Platz zu schaffen, in dem Menschen ganzheitlich heilen und sich weiterentwickeln können. Beide bedankten sich für die Unterstützung aller Anwesenden und gaben zugleich einen Ausblick: mit neuen Angeboten und Projekten werden sie weiterhin nah am Menschen bleiben, in allen Lebenslagen.

Tanja Corazza

Die BAZ im Gespräch mit Dr. Tanja Corazza
Haben Ihrer Meinung nach die Pandemie und der Ukraine-­Krieg einen Einfluss auf das psy­chische Wohlbefinden gehabt? Sind in diesen letzten beiden Jahren mehr Hilfesuchende ins Zentrum gekommen?
Die meisten, die zu uns kommen fühlen sich stark verunsichert und orientierungslos. Bei sehr vielen Menschen zeigen sich diese Themen in Form von Ängsten, Panik­attacken und depressiven Verstimmungen. Oft sehen wir körperliche Begleiterscheinungen wie starke Kopfschmerzen, Tinnitus, Schlafprobleme, Lebensmittelunverträglichkeiten und ein geschwächtes Immunsystem.Besonders zu Beginn des Ukraine-­Krieges hatten wir vermehrt Anfragen, die konkrete Zukunfts­ängste beinhalteten, momentan scheinen sich die Menschen an diesen schrecklichen Zustand zu gewöhnen. Bei der Pandemie hingegen war es besonders nach der Akutphase ersichtlich, dass viele Menschen starke psychische Beeinträchtigungen hatten. Latent schlummernde Ängste kommen vermehrt zum Vorschein, Zukunftsängste für sich und die Familie machen sich breit. Die Menschen suchen neue Orien­tierungspunkte und haltgebende Elemente. Es freut mich aber zu beobachten, dass diese Phase der Pandemie gesellschaftlich und im Einzelnen große Erkenntnisprozesse ins Rollen gebracht hat. Besonders bei jungen Menschen sehen wir eine Re-Orientierung auf wesentliche Themen ihres Lebens. Familie und Freunde spielen eine wichtige Rolle. Die sogenannte Work-Life-Balance steht ganz oben. Das lässt hoffen, dass auch langfristige, wichtige Veränderungen vom Großteil der Gesellschaft mitgetragen werden. „Das Rückbesinnen auf das Wesentliche im Leben, gibt den Menschen Halt und Orientierung“. Sinngemäß mit den Worten Bert Hellingers: wenn wir beim Wesentlichen sind, fühlen wir uns ruhig und angekommen, etwas Beständiges darf wachsen.

Welche Themen beschäftigen Kinder und Jugendliche?
Bei den Kindern kommt es sehr darauf an, in welcher Umgebung sie sich in den letzten zwei Jahren befunden haben und wie gut ihre engen Bezugspersonen mit pandemiebezogenen Ängsten umgehen konnten. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es erschreckend zu sehen, wie viele einer sozialen Isolation verfallen sind, aus der sie nur mehr schwer ohne fremde Hilfe herauskommen. In dieser Lebensphase, in der es darum geht, sich zu orientieren und das eigene Leben auszurichten, hat die kollektive Verunsicherung gravierende Auswirkungen. Der Mut zu Neuem, die Lust etwas Unbekanntes auszuprobieren, sind stark eingeschränkt.

Seit 10 Jahren gibt es ihr Zentrum in Meran. Was waren für Sie und für das Zentrum große Meilensteine in der Entwicklung?
Einen Platz zu schaffen, in dem eine Person ganzheitlich heilen und sich weiterentwickeln kann, war schon immer mein Herzenswunsch. Durch unser Team können wir mit ganz unterschiedlichen Ansätzen den Menschen, die zu uns kommen, so einen vielseitig begleiteten Prozess anbieten. Momentan setzen wir die ersten Schritte, um unser Angebot mittelfristig auch in die freie Natur zu verlagern. Den Kontakt zur Natur und den Tieren in den therapeutischen Prozess zu integrieren kommt dem Bedürfnis vieler Menschen sehr entgegen.

Welche Methoden kommen in einer Therapie zum Einsatz?
Besonders Methoden, die einen neuropsychologischen Hintergrund haben, eignen sich gut, um die Funktionsweise des Körpers besser zu verstehen und sich mit der Regulierung von Gefühlszuständen vertraut zu machen. Das gibt dem Menschen das Gefühl wieder Kontrolle über den eigenen Körper zu erlangen und ist meist ein guter Ausgangspunkt, um darunterliegende Themen zu vertiefen.

Mit welchen Lebensthemen kommen Menschen in Ihr Zentrum?
Unser Angebot umfasst ganz bewusst die gesamte Lebensspanne. In jedem Lebensabschnitt gibt es Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. So begleiten wir Kinderwunschpaare, Schwangere, Eltern und Kinder ebenso wie Jugendliche und Erwachsenen mit Problemen im Beziehungs- oder Berufsleben. Auch begleiten wir gesunde und kranke Menschen im letzten Abschnitt ihres Lebens.

Warum ist Psychohygiene so wichtig?
Psychohygiene ist wie Händewaschen, es gehört einfach zum All­tag dazu. Vergessen wir es einmal, passiert zwar nichts, aber jeder hat früher oder später den natürlichen Impuls, den aufgenommenen Schmutz des Alltags wieder loszuwerden. Auf psychischer Ebene ist das genauso sinnvoll. Besonders sehr feinfühlige Menschen leben oft die Gefühle ihrer Mitmenschen mit und können mit der Zeit nicht mehr unterscheiden, ob ihr Leid wirklich ihr Leid ist. In dieser Überforderung ziehen sie sich dann zurück und sind in ihrem Alltag verunsichert. Eine tägliche Routine, um sich vom eigenen Gedanken-Ballast und dem der Mitmenschen frei zu machen, ist somit sehr nützlich.

Was bedeuten Innovation und Digitalisierung für Ihr Zentrum?
Auch wenn ich selbst zu Beginn eine Abneigung gegen die Digitalisierung in unserem Berufsfeld empfunden habe, konnten wir in der Zeit der Pandemie den großen Nutzen kennen lernen. Menschen, die sich in Quarantäne be­fanden oder ihre Gemeinde nicht verlassen durften, konnten so trotzdem eine regelmäßige Begleitung über Online-Ge­sprä­che erfahren. Vorübergehend haben wir zu 100 % unsere Sitzungen online abgehalten oder Übungsmaterial zugesendet. Mittlerweile hat sich ein gutes Gleichgewicht eingependelt, in dem die Menschen, die zu uns kommen, von Mal zu Mal entscheiden, ob sie persönlich kommen oder sich lieber von zu Hause aus dazuschalten.

Wie bekommt man einen Termin?
Termine können über Mail oder noch besser telefonisch vereinbart werden. So kann gleich abgeklärt werden, um welche Themen es sich handelt und welches Teammitglied am besten zur hilfesuchenden Person passt.