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Tscherms im Aufschwung

Schloss Lebenberg, die 7 Gärten im Kränzelhof, das sanierte Rathaus mit E-Stationen für Autos und Räder, die neue öffentliche Bibliothek, die anstehende Mobilitätsstudie: Tscherms bewegt sich voran.
von Philipp Genetti

Die BAZ im Gespräch mit Bürgermeisterin Astrid Kuprian.

Frau Kuprian, Sie sind seit 2020 Bürgermeisterin von Tscherms. Was hat sich seither in der Gemeinde getan?
Astrid Kuprian: Was in Tscherms aktuell ins Auge sticht, ist das schön sanierte Rathaus, das bislang viel Zeit, Energie und Investitionsmittel in Anspruch genommen hat. Wie man am derzeitigen provisorischen Eingang sehen kann, wurde das historische Ge­bäu­de des Rathauses nach hinten erweitert, um Platz für die neue öffentliche Bibliothek zu schaffen. Derzeit wird der Zubau als vorübergehender Verwaltungssitz genutzt. Die Einrichtungsplanung für die neue Bibliothek geschieht in enger Absprache mit dem Bibliotheksrat und dem ehrenamtlichen Bibliotheksteam. Die neue Bibliothek wird ein schöner Ort der Begegnung werden. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist uns die Verkehrssicherheit, wir möchten in Tscherms Mobilität neu denken. Dazu gibt die Gemeinde in Kürze eine Studie in Auftrag, um die Verkehrssicherheit im Dorf zu verbessern.

Worum geht es in dieser Studie?
Mit der Studie zur Verkehrssicherheit wollen wir innovative Lösungen in der Mobilität finden. Zuerst Fußgänger, Radfahrer und dann erst Autofahrer lautet unser Motto bei der Lösung der Verkehrsfragen. Bessere Anbindungsmöglichkeiten, die Aufwertung der alten Wege, eine sichere Erreichbarkeit der Angebote im Dorf sowie die Verbesserung des Radwegenetzes sind uns wichtig. Die im Mobilitätskonzept definierten Sicherheits- und Optimierungsmaßnahmen sollen dabei nicht nur entlang der Gampen­straße, sondern auch an weiteren neuralgischer Punkten im Gemeindegebiet erfolgen. Mobilitätslandesrat Alfreider hat uns für die Umsetzung einen hohen Förderbeitrag zugesichert.

Sie waren vor Ihrer Wahl über drei Legislaturperioden als Gemeinderätin und zuletzt als Gemeindereferentin tätig. Wie ist es nun als Bürgermeisterin?
Der Weg von der Gemeindereferentin zur Bürgermeisterin war tatsächlich noch einmal gewichtig, denn die vielfältigen Aufgaben und die Gesamtverantwortung unterscheiden sich doch wesentlich von den beiden Mandaten. Gleichzeitig bin ich für die Erfahrungen, die ich in den fünfzehn Jahren zuvor machen durfte, sehr dankbar. Bedingt durch die Coronakrise war und ist man als Bürgermeisterin vor allem als Kri­senmanagerin gefragt. Eine große Herausforderung war für mich die Kontaktbeschränkung, da darunter Politik und Verwaltung, die ja auf Dialog und Begegnung aufbauen, deutlich litten.

Inwieweit hat Ihnen hierbei Ihre Erfahrung als Unternehmensberaterin weitergeholfen?
Die Arbeit als Bürgermeisterin ist ein Allround-Job, aber auch ein großer Managementauftrag. Die Gemeindeverwaltung ist vergleichbar mit einem großen Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Funktionsebenen und Handlungsfeldern. Gleich wie in der Unternehmensführung sind Organisieren, Netzwerken und Kommunizieren auch in der Gemeinde drei wesentliche Aufgaben. Außerdem sind besonders in solchen Umbruchzeiten, wie wir sie durch die Coronakrise, aber auch durch den räumlichen Umzug der Gemeindeverwaltung derzeit erleben, eine effiziente und weitsichtige Führung sowie Empathie wichtiger denn je.

Wo mussten Sie als Unternehmerin umdenken?
Ein Wermutstropfen in der öffentlichen Verwaltung sind im Vergleich zu anderen Unternehmensformen die langen Zeitspannen, die von der Projektplanung bis zur Realisierung viel Geduld und Ausdauer fordern. Das erzeugt bei den Bürgern Unmut, der teil­weise auch nachvollziehbar ist, derzeit gerade in der Raumordnung und der Ur­ba­nistik. In einem Unternehmen haben wir es hingegen meist mit begeisterten Kunden zu tun, die auch positive Rückmeldungen geben, dies ist in der Gemeindetätigkeit leider selten der Fall.

Worauf sind Sie in Tscherms besonders stolz?
Ich bin vor allem auf den Charakter unseres Dorfes stolz. Wir sind kleinstrukturiert, landwirtschaftlich geprägt und sowohl von Meran als auch Bozen aus über die nahe Anbindung zur MeBo gut erreichbar. In den vergangenen Jah­ren haben wir es geschafft, die Nahversorgung im Dorfkern wiederzubeleben. Im Zuge dessen konnten wir die Nah­versorgung im Dorf halten und gegenüber dem Rathaus einen neuen kleinen Wirtschaftsstandort eröffnen mit einer Bäckerei, einer Arzneimittel-Ausgabestelle und einem Beautysalon. Hinzu kam unweit davon der „Easy Shop“ für Secondhand-Bekleidung und seit Jahresbeginn belebt Kinderarzt Dr. Egger das Arztambulatorium in unserem Seniorenwohnheim. Insgesamt haben wir im Dorf einen bunten Mix an Un­ternehmen, der – wenn es nach mir geht – in den nächsten Jahren gerne noch erweitert werden darf. Damit ein Dorf lebt, braucht es Leben, Anziehungspunkte, Treffpunkte, Dienstleistung, Geschäfte und Gastronomie.

Wie ist die Wirtschaft in der Gemeinde aufgestellt?
Die wirtschaftlich stärksten Sektoren der Gemeinde sind die Landwirtschaft und der Tourismus. Wir haben aber auch einige weithin bekannte Handwerksbetriebe und aufstrebende Betriebe im Dienstleistungs- und Handelsbereich angesiedelt.

Bürgermeisterin Astrid Kuprian

Was hat die Gemeinde kulturell anzubieten?
Tscherms verfügt über einen großen kulturellen Schatz. Neben Castel Lebenberg, dem St.-Anna-Kirchlein, alten Ansitzen usw. zähle ich vor allem unsere Vereine und das entsprechende Ehrenamt dazu: unser Kirchenchor, die Musikkapelle mit vielen Nachwuchsmusikern, der Bildungsausschuss, der auch unsere Dorfzeitung herausgibt, unsere Schützenkompanie, den Bibliotheksrat mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Mit dem Verein „Freiluft“ Kin­der- und Jugendtheater, das im Vorjahr und auch dieses Jahr in den „7 Gärten“ im Kränzelhof ein Theaterstück für Familien dar­bietet, wird Tscherms auch über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt.

Sportbegeisterte treffen sich in Tscherms im Sportverein?
Der Amteursportverein Tscherms ist der größte ehrenamt­liche Verein im Dorf und vereint mehrere Sektionen. Dazu gehören neben der Sektion Fußball und Ski auch die neue Sektion der Jochflieger, denen vor allem der Fallschirmlandeplatz beim Friedhof zugutekommt. Sie leisten damit wichtige Jugendarbeit und können immer wieder mit tollen Erfolgen aufhorchen. Weithin bekannt ist mit­tlerweile auch der Bike & Run Duathlon aufs Vigiljoch, welcher zahlreiche Sportler aus ganz Südtirol nach Tscherms kommen lässt.

Wann wird das neue Rathaus den Bürgern vollständig zugänglich sein?
Der Umzug ins sanierte Rathaus soll noch innerhalb Februar erfolgen, somit öffnen wir die neuen alten Türen sehr gerne ab März der Bevölkerung. Das Gebäude wurde mit sehr viel Fingerspitzengefühl saniert und die historische Bausubstanz mit hellen modernen Bauelementen aufgewertet. Die feierliche Eröffnung des Rathauses werden wir jedoch erst nach Fertigstellung der öffentlichen Bibliothek im Jahr 2023 machen. Im Frühjahr können sich unsere Bürger und darüber hinaus auch über die Wiederaufnahme der Dienststelle der Post im Parterre des Rathauses erfreuen. Zudem möchten wir den Ratssaal künftig auch Vereinen für kleinere Veranstaltungen und Sitzungen zur Verfügung stellen. Außerdem haben wir im Dachgeschoss des Rathauses einen Raum samt Teeküche ausschließlich für Vereine geschaffen. Das Rathaus soll somit verstärkt ein Ort der Begegnung sein.

Das sanierte Rathaus mit modernem Bibliothekszubau

Welche Herausforderungen und Projekte stehen noch an?
Die größte Herausforderung von Gemeinden in der Größenordnung von Tscherms liegt künftig ganz klar in ihrer Finanzierbarkeit. Wir alle haben zahlreiche Ideen und Wünsche, allerdings stehen uns nur geringe Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung, weshalb wir wesentlich auf Fördermittel angewiesen sind. Neben der Errichtung der neuen öf­fentlichen Bibliothek und der Erstellung und Umsetzung des Verkehrssicherheitskonzeptes sind in Zukunft auch im Sport mehrere Projekte offen, die seit Jahren von der Bevölkerung gewünscht sind, aber bislang noch nicht umgesetzt werden konnten. Dazu gehört der Bau einer Turnhalle sowie die Erneuerung des bestehenden Sportplatzes. Aber auch der Ausbau und die energetische Sanierung der Grundschule wären not­wendig. In der Verwaltung werden wir in den nächsten Jahren viel Zeit und Energie für die Erarbeitung des Gemeindeentwicklungsprogramms samt Teilkonzepten investieren.

Und Ihre Wünsche?
Ich wünsche mir für Tscherms, dass es seinen schönen Charakter behält, dass das Ehrenamt auch in Zukunft weiter blüht und dass die Wirtschaft und die Nahversorgung weiter ausgebaut werden, damit man die wesentlichen Dinge im Dorf erledigen kann und vor allem, dass Tscherms weiterhin eine so lebenswerte Gemeinde bleibt.
Als Verwaltung hoffe ich, dass es uns gelingt, innovativ zu denken, neue Wege zu gehen und dass wir als kleine Gemeinde auch möglichst lange eigenständig bleiben.