2022 – Eine Vorschau
12. Januar 2022
Im Namen der Naturwissenschaft
12. Januar 2022
Alle anzeigen

Ein Herz für den Ehrenbürger

Die Ludwig-von-Comini-Straße in Algund

Ehrungen kommen selten allein. Wer Fußballkaiser, Modepapst oder Schinkenkönig ist, der ist wahrscheinlich zudem Ehrenbürger irgendeiner Stadt. Auch der Schwefelapostel wurde zum Ehrenbürger auserkoren. Und eine Straße hat er auch bekommen.

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Tiroler Landwirtschaft in einer schlimmen Krise. Sowohl die Seidenraupenzucht mit dem Anbau von Maulbeerbäumen als auch der Weinbau waren davon betroffen.
Im Weinbau trat eine Krankheit auf, die mit den Dampf­schiffen aus Amerika eingeschleppt worden war. Seit den späten 1840er Jahren überzog sie nach und nach die europäischen Weinberge. Der Weinbau war in Tirol zwar auch bis dahin nicht von Krankheiten wie dem Traubenwickler verschont geblieben, allerdings waren die Ernteausfälle nun durch den Mehltau um ein Vielfaches größer. Die Schäden waren so verheerend, dass sogar der Fortbestand des Weinbaus bedroht war. Dass es nichts zum Schlimmsten kam, ist vor allem dem unermüdlichen Forschen eines Mannes zu verdanken: Ludwig von Comini, Edler zu Sonnenberg. Aber was der Bauer nicht kennt  … galt damals wie heute. So gab es zunächst noch heftigen Widerstand gegen Cominis Methode. Nur das Gebet allein sei der wahre Weg, davon war man in Tirol überzeugt.
Andreas Stecher, der damalige Algunder Pfarrer, war zwar ein moralisch strenger Mann, aber ein realistischer Geist, der die Chancen, die in Cominis Methode lagen, erkannte und die Bauern dazu ermunterte, sie auszuprobieren. Auch dank der Werbekampagnen Cominis verbreitete sie sich, in den Südtiroler Weinbergen sogar schneller als in den anderen Weinbaugegenden des Kaiserreichs Österreich. Allein in Algund, jenem Ort, in dem auch eine Straße nach Comini benannt ist, hatte der finanzielle Schaden durch die Traubenfäule in den Jahren 1851 bis 1857 über 700.000 Gulden betragen – in heutiger Kaufkraft umgerechnet über 11 Millionen Euro.

Kampf dem Schimmeltiesel
Ludwig von Comini wurde am 19. Juni 1814 in Innsbruck geboren, als Sohn des Arztes und Schriftstellers Michael Ulrich von Comini und dessen Frau Maria Prev. Aufgewachsen war er in Nordtirol, seine Vorfahren stammten allerdings aus dem Nonstal. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Innsbruck und der k.u.k.-­ Forst­akademie in Mariabrunn bei Wien arbeitete er als Förster in verschiedenen Bezirken Südtirols. Im Alter von 26 Jahren hei­ratete er die Boznerin Maria Anna von Tschiderer, eine Verwandte des Bischofs Johann Nepomuk von Tschiderer, die ihm sechs Kinder gebar. Ab 1851 widmete sich Comini einem ungefähr dreieinhalb Hektar großen Weingut nahe Bo­zen, das seine Frau geerbt hatte. Als er bemerkte, dass es von einer Krankheit befallen war, begann er mit verschiedenen Gegenmitteln zu experimentieren. Er erkannte den Schlauchpilz Erysiphe necator (auch: Oidium Tuckeri) als Ursache der Traubenfäule – der sogenannte „Schimmeltiesel“, wie die Einheimischen sagten. Vertraute man bei der Be­kämpfung bisher auf Pro­zessio­nen, Wallfahrten und Gottesdienste, begann Comini seine vielversprechenden Versuche mit Schwefel.
Da er sich von der Wirksamkeit überzeugt hatte, warb er in seinem Buch „Die Trau­benfäule und ihre Folgen“ für diese Behandlungsart. Auch sonst war er aktiv.
Als Land­tagsabgeordneter rief er 1866, mit Genehmigung durch Kaiser Franz Joseph, die Tiroler und Vorarlberger zur Bildung einer Scharfschützen-Kompanie auf, um das Vaterland zu verteidigen. In Erinnerung wird er aber immer als Schwe­felapostel bleiben. Den langen Kampf gegen den Mehltau hatte er zwar gewonnen, doch seine Gesundheit und sein Vermögen waren verbraucht. Verarmt und geschwächt starb Comini am 18. Jänner 1869 erst 55-jährig auf seinem Ansitz Kalch­grube bei Bozen.
Aus Dankbarkeit, dass er mit dem Schwefeln den Weinbau rettete, hatte man Comini schon acht Jahre zuvor als erstem die Ehrenbürgerschaft Algunds verliehen – für seine außerordentlichen Verdienste im Bereich der Obst- und Weinbauwirtschaft.
Christian Zelger