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Photograph, Bergsteiger, Lebemann

Als am 19. Jänner 1899 Bernhard Johannes zu Grabe getragen wurde, verlor die Welt einen hochtalentierten Fotografen und eine Meraner Persönlichkeit ersten Ranges. Noch heute erinnert an ihn die nach ihm benannte Straße in Untermais neben der Pfarrkirche.

Wenn Anton Johannes über seinen berühmten Vorfahren spricht, dann merkt man als Zuhörer schnell, dass es nicht einfach ist, sich diesem Menschen mit all seinen Facetten zu nähern. Er sei schon in seiner Kindheit ein Mythos in der Familie gewesen, erzählt der Urenkel, obwohl doch alles in der Villa Johannes in Obermais an ihn erinnerte. Wie ein Geist, der durch die Räume schwebt, auch heute noch. Tausende von Bildern, Fotoplatten und Apparate zeugen von der immensen Schaffenskraft des Fotografen. Er war ein imposanter Mann von kräftiger Gestalt und einem einnehmenden Wesen. Seine Leidenschaft galt den Bergen und der Jagd. Viel zuhause war er nicht. Dazu kannte er zu viele Leute. Männer wie der Tourismuspionier Theodor Christomannos, vor drei Monaten selbst Protagonist einer Straßengeschichte, gehörte zu seinen Bekannten. Und sein Einsatz für den Alpen- und den Männergesangsverein kostete ebenfalls viel Zeit. Verheiratet war er zweimal. Seine erste Frau Helene Öffner starb nach neun Jahren Ehe, seine zweite Frau Bertha Niggl hingegen überlebte ihren Mann um mehr als vier Jahrzehnte. Wenige Tage nach seiner Beerdigung lässt die Witwe im „Burggräfler“ verkünden, dass sie das Geschäft ihres seligen Mannes in unveränderter Weise weiterführen werde.

Ein Pionier hinter der Kamera
Bernhard Johannes wurde am 4. Juni 1846 in München als Sohn eines Buchhalters geboren und erhielt beim bekannten Hoffotografen Joseph Albert seine Ausbildung. Beim Deutsch-­Französischen Krieg 1870/71 war er bereits mit einer Kamera dabei. Mit 27 Jahren zog er nach Partenkirchen und eröffnete sein eigenes Geschäft. Neben den üblichen Atelier­aufnahmen widmete er sich mit Euphorie der Landschaftsfotografie. Dazu unternahm er Hochgebirgstouren nach Tirol, Kärnten und in die Steiermark und wurde damit zu einem Pionier der Alpenfotografie. Besondere Bekanntheit erlangte er mit seinen ersten Fotos von der Zugspitze. Sechzehn weitere Male bestieg er sie mit Großbildkamera, Dunkelkammerzelt und mehreren Trägern. So entstand die erste Fotoserie von Deutschlands höchstem Berg. Sein Ruhm reichte aber weit über sein Heimatland hinaus – einerseits als Hoffotograf in Österreich, Bayern und Sachsen, andererseits als Teilnehmer an internatio­nalen Ausstellungen und Wettbewerben. Mit seinen Aufnahmen erlangte er Weltruhm und wurde von Europa bis Australien vielfach ausgezeichnet. Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand gehörte ebenso zu seinen Kunden wie der Fürst Auersperg, der ihm als Dank einen gravierten Becher schenkte. In den 1880er Jahren war er nach Meran gekommen und hatte sich hier niedergelassen. „Sei mir gegrüßt du schönes Land, mit deinen Burgen, Bergen, Seen, bei Sonnenauf- und Niedergeh’n“, schreibt er auf einer Spruchtafel oberhalb der Nassereith-Hütte. Die Berge faszinierten ihn so, wie ihn das mediterrane Klima anzog. Seiner Gesundheit diente es anscheinend zu wenig. Johannes starb 1899 im 53. Lebensjahr an einem Herzschlag.

Eine Straße als Geschichtsdokument
Fünf Jahre nach seinem Tod wurde in Meran eine Straße nach ihm benannt. Doch mit dem Anschluss Südtirols an Italien und der Machtergreifung der Faschisten begann ein Hin und Her, das zeigt, dass Straßennamen auch eine politische Funktion besitzen. 1927, Benito Mussolini war seit zwei Jahren Diktator, wurde aus der Johannes-Straße die Via Johannes. Durch die fortschreitende Italianisierung musste sie dann 1935 der Via San Marco weichen. 1944, Südtirol war nun Teil der von Deutschland kontrollierten Operationszone Alpenvorland, erhielt sie wieder ihren ursprünglichen Namen, um im Jahr darauf, die Italiener waren zurück, erneut die Via San Marco auferstehen zu lassen. Dabei ist es geblieben. Die heutige Bernhard-Johannes-Straße erhielt ihren Namen 1980 – allerdings an einer anderen Stelle. So wie die Straße und ihr wechselvolles Schicksal einen Teil der Südtiroler Geschichte festhält, so dokumentierte Johannes mit seiner Kamera die Landschaft und die Menschen um ihn herum in bleibenden Meisterwerken. Christian Zelger