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Ein kurzes Leben

Vor fast genau 60 Jahren, am 22. November 1961, starb der Südtirol-Aktivist Franz Höfler. Noch heute scheiden sich die Südtiroler Geister, wenn es um die damalige Zeit geht. Wer aber in Lana von der Kravogl-Straße zum Lorenzerweg will, tut gut daran, die Franz-Höfler-Straße zu benutzen.

Jede Gemeinschaft kennt dunkle Kapitel in ihrer Geschichte. Für die US-Amerikaner ist der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten ein solches Beispiel, für die Iren die Große Hungersnot durch die Kartoffelfäule und für die Russen wahrscheinlich die Zeit des Stalinismus. Auch in der Südtiroler Geschichte gibt es solche dunklen Flecken. Die Zeit der Option gehört mit Sicherheit dazu, die Jahre rund um die Feuernacht 1961 ebenso. Auch 60 Jahre danach gehen die Meinungen darüber, wie über die Anschläge zu urteilen ist, auseinander. Die eine Seite sieht in den damaligen Akteuren Terroristen und Alpen-Jihadisten, die andere Kämpfer für ein lebenswerteres Südtirol. Auch ob die Anschläge förderlich oder hinderlich für den politischen Prozess waren, der letzten Endes zum 2. Autonomiestatut geführt hat, hängt davon ab, mit wem man spricht. Darum soll es in diesem Beitrag auch nicht gehen. Vielmehr darum, wie diese Menschen urbanistisch gewürdigt wurden. Nach Sepp Kerschbaumer zum Beispiel, Gründungsmitglied und Leitfigur des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS), wurde in seinem Heimatort Frangart eine Straße benannt, auch eine in Innsbruck. Auch Luis Amplatz, ein weiterer bedeutender Südtirol-Aktivist, sollte in Innsbruck als Namengeber dienen. Bisher ist dieses Vorhaben am fehlenden politischen Konsens gescheitert. In Lana gibt es eine Franz-Höfler-Straße seit vierzig Jahren.

28 Jahre
Franz Höfler stammte vom Pallgut-Hof in Niederlana und wurde dort am 26. September 1933 geboren. Schon seit der frühen Jugend setzte er zusammen mit anderen aus dem Dorf Zeichen des Protests gegen die Politik der Italiener.
So wurden beispielsweise Tiroler Flaggen an schwer zu­gänglichen Stellen gehisst oder mit Farbe aufgepinselt. Als erster Oberjäger der wiedergegründeten Schützenkompanie Lana trug er bei der Feier zum Andreas-Hofer-Gedenkjahr 1959 einen großen Tiroler Adler auf seinen Schultern. Später plante der Befreiungsausschuss Südtirol, dem sich Höfler angeschlossen hatte, die Aktionen, die unter dem Namen „Feuernacht“ in die Geschichte eingehen werden. Bei der Durchführung in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 war Höfler ebenfalls dabei. Einen guten Monat später klickten die Handschellen, er wurde in die Speckbacher-Kaserne nach Meran gebracht und dort verhört. Nachdem Gerüchte über Folterungen die Runde machten, verlangte Bischof Joseph Gargitter volle Aufklärung der ungeheuerlichen Vorwürfe. Am 23. November 1961 schreibt die Tageszeitung „Dolomiten“: „Im Bozner Krankenhaus starb gestern abends um 20.30 Uhr der 28jährige Franz Höfler aus Lana. Franz Höfler war am 15. Juli mit seinen zwei Brüdern Luis und Karl im Zusammenhang mit den Sprenganschlägen verhaftet worden. Seither befand er sich im Gefängnis in der Dantestraße in Bozen.“ Ein kurzes Leben. Die genauen Todesumstände sind bis heute ungeklärt. Er selbst hatte in einem Brief von Folterungen berichtet. Seine Beerdigung, an der über 10.000 Menschen teilgenommen hatten, wurde zu einem schweigenden Massenprotest gegen die damals für viele unerträgliche Situation.

Jahreszahlen
Als man die Franz-Höfler-Straße in Lana einweihte, waren u. a. der Bürgermeister Franz Lösch, der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Hans Stieler, und der erste Schützenhauptmann der wiedergegründeten Kompanie Lana, Helmuth Valtiner, anwesend. Auch wenn man im Internet auf mehreren Seiten lesen kann, dass es die Franz-Höfler-Straße seit 1984 gibt, so deuten doch einige Zeitungsausschnitte darauf hin, dass diese schon 1981 existierte. In jenem Jahr wurde im Tagblatt der Südtiroler ein Inserat geschaltet, in dem die Franz-­Höfler-Straße in Lana genannt wird. Auch im darauffolgenden Jahr 1982 taucht die Straße unter diesem Namen im Zusammenhang mit einem Ausbau auf. 1981 als Zeitpunkt der Benennung wäre jedenfalls nachvollziehbar – genau zwanzig Jahre nach seinem tragischen Tod.

Christian Zelger