Das erste Eis
14. Oktober 2021
Tradition und Innovation
14. Oktober 2021
Alle anzeigen

Der Pfarrer von Tirol

Pfarrer Edmund Ungerer gehört in Tirol längst zum „Inventar“ und hat die Dorfentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte als gebürtiger Laureiner sowohl von außen miterlebt als auch als Pfarrer mitgestaltet. Der passio­nierte Kunsthistoriker und Priester gewährt uns einen etwas anderen Blick auf das Dorf.
von Philipp Genetti

Herr Pfarrer, im kommenden Jahr stehen für Sie zwei Jubiläen an: 20 Jahre Pfarrer von Dorf Tirol und 10 Jahre Schlosskaplan von Schloss Tirol. Was bedeuten für Sie diese beiden Jubiläen?
Diese beiden Jubiläen sind für mich eine Freude, denn sie stehen für Kontinuität. Wenn man als Pfarrer über eine längere Zeit eine Gemeinde mitgestalten kann, bekommt man auch mit, welche Dinge dauerhaft bestehen. Außerdem merkt man, wenn man Jahrzente lange Zusammenarbeit zurückblickt die Veränderung, sei es im Pastoralen, als auch in der Dorfgemeinde. Wenn man Dinge als Pfarrgemeinde mit der Dorfgemeinschaft auf den Weg bringt und sie halten über eine lange Zeit, kann man sagen, wir haben gemeinsam richtige Entscheidungen getroffen und dazu beigetragen, dass das Dorf ein Stück weit gewachsen ist. Wir haben in diesen Jahren vor allem einige Akzente in der Kinder- und Jugend-­Pastoralarbeit gesetzt und veranstalten seit rund 15 Jahren den monatlichen Jugendgottesdienst, sowie seit über 6 Jahren den Krabbelgottesdienst, die immer wieder gut besucht sind. Das Dorf selbst hat sich während meiner Zeit als Pfarrer auch stark verändert. Man spürt vor allem Gäste, die immer wieder kommen, freuen sich nicht nur am Dorfleben, sondern auch an der Pfarrgemeinde. Nach den Gottesdiensten nutze ich gerne die Gelegenheit Menschen zu be­gegnen und dann freut es mich, wenn man sich jedes Jahr fast zur selben Zeit wiedersieht. Auch die 10-jährige Tätigkeit als Schlosskaplan ehrt mich. Ich stehe damit in der Nachfolge des Dr. Johann Kollmann. Er ist gleich wie ich ein gebürtiger Laureiner und ich habe bereits zu seiner Zeit immer wieder gerne an seinen Stiftsgottesdiensten auf Schloss Tirol teilgenommen und bin durch seine Tätigkeit in diesen Dienst hineingewachsen.

Pfarrer Edmund Ungerer vor einer seiner selbstgebauten Krippen

Was kann man sich unter einem Schlosskaplan vorstellen?
Ein Schlosskaplan ist ein Ehrenkaplan. Früher hatte der Schlosskaplan auf Schloss Tirol auch einen eigenen Wohnsitz und war der schlosseigene Seelsorger, der dort die täglichen Messen feierte. Seit 1949 sind diese sogenannten Stiftsmessen auf zwei Stiftsgottesdienste reduziert worden und finden bis heute am St.-Pankra­zius-Tag, den 12. Mai und am 19. November statt, an dem an die adeligen Stifter gedacht wird.

Sie sind gebürtiger Laureiner, leben aber seit 20 Jahren in Dorf Tirol. Haben Sie hier Ihre zweite Heimat gefunden?
Das kann man so sagen. Vor allem habe ich in diesen Jahren Kinder getauft, bei der Erstkommunion und Firmung begleitet und so das Heranwachsen einiger Dorfbewohner von der Pike auf bis ins junge Erwachsenenalter wahrgenommen. Ich spüre, wenn ich durchs Dorf gehe und die jungen Erwachsenen mir ein „Hoi Pfarrer“ zurufen, dass ich zum Dorf dazu gehöre. Dorf Tirol hat für mich viele Qualitäten. Auf der einen Seite die geografische Lage, das Zweite ist, es hat eine große Ortsgeschichte. Das Pfarrhaus selbst geht auf das 13. Jahrhundert zurück und Dorf Tirol ist historisch gesehen die Mutterpfarre von Meran und so spüre ich auch die Bedeutung dieses Dorfes in mir, das sowohl dem Schloss Tirol als auch dem Land Tirol seinen Namen verliehen hat.

Sie waren lange Zeit einer der jüngsten Pfarrer im Land und haben früh zu Ihrer Berufung gefunden. Wie kam es dazu?
Ich bin nicht in einem klassischen Priesterseminar zur Schule gegangen. Ich habe wie andere auch in Meran die LBA (Lehrerbildungsanstalt, heute Sozialwissenschaftliches Gymnasium) besucht, habe im Gamperheim mit vielen anderen Schülern gewohnt und ab dem 20. Lebensjahr verstärkt eine Zuneigung zum geistlichen Leben verspürt. Ich wollte in meinem Leben etwas tun, was sich von unserer Welt und Gesellschaft abhebt. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen einen Zi­vildienst zu machen. Ich war der einzige Zivildiener im Dorf und musste mich im Gegensatz zu meinen Mitstreitern beim Militär statt für 12 Monate, für 20 Monate Dienst verpflichten und mich dazu bereit erklären ein Le­ben lang auf einen Waffenpass und eine Waffe zu verzichten. Das war für mich kein Thema und so habe ich meinen Zivildienst beim Roten Kreuz in Meran angetreten und dabei viel Erfahrung im Krankentransport und Unfallwesens gesammelt und dabei das Leid der Menschen, aber auch ih­re Bedürfnisse wahrgenommen. Das führte dazu, dass ich mich schließlich mehr mit dem christlichen Glauben befasste, mich in Brixen zu einigen theologischen Kursen an­gemeldet habe, bei denen ich gemerkt habe, dass mir die Theologie liegt. Im Spätsommer 1989 habe ich mich dann, ohne es den Eltern mitzuteilen, dazu entschieden, das Pries­terseminar zu besuchen. Von diesem Moment an war für mich klar, dass ich diesen geistlichen Beruf ergreifen möchte. 1994 wur­de ich zum Diakon geweiht, habe mein Pastoraljahr in Nals gemacht, am 24. Juni 1995 die Priesterweihe erhalten und so hat mein pastoraler Dienst in Südtirol vor rund 26 Jahren begonnen.

Vor Ihrer Pfarrstelle in Dorf Tirol gab es noch einige Zwischenstopps.
Nach Abschluss meines Theologiestudiums wurde ich zunächst Kaplan im oberen Pustertal. Dann hat mich das Katechetische Amt an die Lehranstalt für Wirtschaft und Tourismus nach Innichen geschickt. Dort habe ich parallel zu meinem pas­to­ralen Dienst drei Jahre lang Religion unterrichtet und kam dann nach Schlanders, wo ich als Religionslehrer an der Berufsschule tätg war. Dort habe ich gemerkt, dass ich mich in der Jugendarbeit mehr einbringen möchte und bin 1998 ins Schulwesen eingestiegen und mittlerweile seit 24 Jahre Reli­gions­lehrer an der Berufsschule Schlanders.

2002 erhielten Sie die Pfarrstelle in Dorf Tirol. Was ist das Besondere an dieser Pfarrstelle?
Ich finde, die Pfarrstelle in Dorf Tirol hat einerseits etwas Forderndes, andererseits aber auch Bereicherndes. Dorf Tirol ist eine Tourismus-Pfarrgemeinde und gehört zu den Hochburgen unseres Landes. Wir haben um die 500.000 Nächtigungen im Jahr und eine Pfarrgemeinde in der so viele Gäste kommen, bietet sehr viele Begegnungsmöglichkeiten, die vielfältiger sind als anderswo. Es gibt Gäste, welche die Gottesdienste besuchen und einem daraufhin eine Rückmeldung durch eine Mail zukommen lassen, Gäste, die in Dorf Tirol heiraten, ihr Hoch­zeitsjubiläum feiern oder die sich während ihres Urlaubs für eine Aussprache mit dem Pfarrer anmelden. Außerdem ist die Lage von Dorf Tirol einzigartig.

Als begeisterter Kunsthistoriker zählen für Sie die Kirchen zu den Besonderheiten der Gemeinde.
Dorf Tirol hat im Gegensatz zu anderen Dörfern nicht so viele Hei­ligtümer, haben dafür aber eine sehr lange Tradition. Das beginnt mit der Pfarrkirche, die dem Heiligen Johannes dem Täufer geweiht ist und der St.-Ruperts-Kirche, die zeitgleich ab dem 13. Jahrhundert erwähnt werden. Um diese Zeitzeugen zu erhalten, habe ich mich in meinen 20 Jahren als Dorfpfarrer auch dafür eingesetzt, diese Heiligtümer zu restaurieren und mit Leben zu füllen. Die Rupertskirche hat war von 1972 bis 2008 nur als „Totenkapelle“ genutzt. Ich habe dann gesagt, wir müssen die Kirche nicht für die Verstorbenen öffnen, sondern für die Lebenden. Das gab auch den Impuls in der Gemeinde eine eigene Totenkapelle zu errichten. Die Rupertskirche wurde daraufhin ab 2008 innen renoviert, der Altar eingeweiht und eine neue Orgel gebaut, sodass mittlerweile auch wieder einige Anlässe in dieser Kirche gefeiert werden können. Die Pfarr­kirche hat kunstgeschichtlich mehrere Wandel erlebt. Der älteste Teil davon stammt aus dem Jahr 1369 und ist ein Romanischer Bau. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Romanische Kirche abgebrochen und von 1854 bis 1856 das heutige Langschiff, das ein Quadrat ist, unter der Leitung des Architekten Graf Brandis errichtet. Im Ortsteil Finele haben wir die kleine Maria-Heimsuchungs-Kapelle an der Jaufenstraße. Auch diese wurde 2015 neu renoviert. Nachdem es dort zeimlich schattig ist, war sie über die Jahre hinweg sehr heruntergekommen. Auch hier war es mir ein Anliegen, diese Kapelle wieder herzurichten und sie mit Leben zu füllen. Das sind die drei wesentlichen Gotteshäuser, die zur Pfarre Tirol gehören.

Der Innenraum erstrahlt in neuem Glanz

Die restaurierte St.-Ruperts-Kirche

Ein Landschaftsbild, gemalt von Pfarrer Ungerer

 

Auf dem Pfarrgebiet steht auch die Kapelle von Schloss Tirol.
Die Schlosskapelle ist die geschichtlich wertvollste Kapelle, die bereits seit den Anfängen von Schloss Tirol (um 1138) besteht. Seit dieser Zeit gab es auch den Schlosskaplan in dessen langer Traditionsfolge ich den 42. Platz einnehmen darf.

Für viele ist Dorf Tirol der Inbegriff einer Tourismushochburg. Was macht für Sie Dorf Tirol aus und wie haben Sie die Dorfentwicklung der vergangenen 20 Jahre erlebt?
Dorf Tirol ist denke ich mehr als eine Tourismushochburg. Wir haben sehr viele aktive soziale Kerngruppen und rührige Vereine im Dorf, die aus der Basis herauswachsen und das Leben auch in der Pfarrgemeinde bereichern. Dorf Tirol hat ganz viele Keimzellen, die nicht offiziell gegründet worden sind, die aber noch viele Jahre bestehen werden.

Hat sich das Dorfbild in den vergangenen 20 Jahren gewandelt?
Die großen Häuser sind „etwas“ größer geworden. Man sieht, dass im Tourismus eine Verschiebung stattfindet. Von den kleinen Zimmervermietern geht es immer mehr in Richtung 4-Sterne-Betriebe. Es sind Bauten, die man in Südtirol überall hineinstellen könnte. Leider geht durch diese „Schreibtischbauten“ einiges vom „Typischen“ Tirols verloren.

Welche Anliegen haben Sie als Pfarrer für die nächsten 20 Jahre?
Meine Anliegen sind, dass die einzelnen Gruppen stärker vernetzt werden und die Dorfbewohner noch mehr Eigenverantwortung übernehmen. Nur dann sind wir im Stande das religiöse und kulturelle Leben in der Gemeinde weiterzutragen. Ich betreue auch noch zwei weitere Pfarrgemeinden. Es dind Kuens und Riffian und ich merke, dass diese Gemeinden sich noch mehr auf die Eigenverantwortung stützen, weil der Pfarrer dort nicht immer vor Ort ist. Ich wünsche mir für meine Pfarrgemeinden, dass wir immer wieder bereit sind die Zeichen der Zeit zu erkennen und es uns gelingt, gemeinsam die Aufgaben und Inhalte, die anstehen zu bewältigen.

Neben Ihrer Arbeit als Seelsorger sind Sie auch begeisterter Künstler und passionierter Krippenbauer.
Seit 1995 beschäftige ich mich intensiver mit dem Krippenbau und der Landschaftsmalerei. Meine größte Weihnachtskrippe ist dreieinhalb Quadratmeter groß. Ich habe daran 18 Jahre lang gebaut. Auch wenn ich neben meinen vielen Aufgaben nur noch selten dazu komme, bedeutet die Kunst für mich Ausgleich und besondere Freude. Bei den Landschaftsbildern male ich vor allem mit Öl und Akryl. Dabei mittlerweile öfter mit Akryl, weil die Farben eine ganz andere Wirkung erzeugen und viel schneller trocknen.