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Der Turiner Motorenzauberer

Sein Name wurde zum Synonym für temperamentvolle Kleinwagen und Automobil-Veredelung. Über Jahrzehnte hinweg hat er mit seinen Fahrzeugen den Rennsport mitgeprägt: Carlo Abarth. Die Stadt Meran dankt es ihm mit einer eigenen Straße in Sinich.

Es war wohl der berühmte Apfel aus dem Paradies für Tschucky Kerschbaumer, einen Vertrag mit dem erfolgreichen Rennstallbesitzer Carlo Abarth zu unterzeichnen. Doch Kerschbaumers Mutter schob der Versuchung gleich einen Riegel vor: „Es ist doch gescheiter, du heiratest und denkst an unser Hotel …“ Damit war die Sache für die Grödnerin erledigt. Dies ist nur eine Anekdote von vielen aus dem bewegten Leben des gebürtigen Wieners, der stets elegant gekleidet die sonst von Lärm und Öl dominierte Motorsportwelt aufmischte. Abarth gehörte zweifelsohne zu den schillerndsten und eigenwilligsten Figuren der Automobilgeschichte. Seine Hemden wechselte er dreimal täglich, seine Schuhe wurden in London handgefertigt, die Bügelfalte der Hosen saß messerscharf. Dabei zögerte er nicht, sich auch persönlich auf die Piste zu legen, um die Straßenlage zu analysieren. Überzeugt von dem, was er tat, war er allemal. Auch durch Rückschläge ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen. Einmal gab er einem Journalisten zu Protokoll: „Alle denkbaren Lö­sungen liegen griffbereit in meiner Schublade.“ Was für ihn zählte, war die Verbesserung seiner Autos und der nächste Rekord. Kurzum: Seine Maschinen waren sein Leben. Einer seiner Testfahrer brachte es auf den Punkt: „Er liebte halt zuallererst seine Autos, dann sich selbst, erst dann kamen seine Rennfahrer.“

Freund der Geschwindigkeit
Carlo Abarth wurde 1908 als Karl Albert Abarth geboren. Kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges zog seine Familie nach Meran. Nachdem sich seine Eltern getrennt hatten, kam Karl mit seiner Mutter und seiner Schwester erneut nach Wien. Schon damals zeigte sich seine Begeisterung für Geschwindigkeit und Technik. Er fuhr zunächst Radrennen und begann als Motorradmechaniker. Als im Rennteam, für das er arbeitete, ein Fahrer ausgefallen war, bot sich Karl die Chance, das erste Mal ein Rennen zu bestreiten – und war prompt schneller als der Werksfahrer. Im Alter von 20 Jahren gründete er dann sein erstes eigenes Team, mit dem er über Jahre hinweg Rekorde brach. Auch eine unfallbedingte Knieverletzung war kein Hindernis. Vielmehr war es Ansporn, die Ma­schinen weiterzuentwickeln, um erfolgreich zu bleiben. 1934 gewann er mit einem eigens umgebauten Motorradgespann ein spektakuläres Rennen gegen den Orient-Express.
Wenige hatten ihm eine Chance gegeben, doch der berühmte Zug musste sich auf der 1300 km langen Strecke von Ostende nach Wien geschlagen geben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Meran zurück, nannte sich Carlo und gründete die Firma Abarth. Vor allem das Geschäft mit dem Fahrzeugtuning, das Autos von Fiat, Simca und Alfa Romeo renntauglich machte, florierte. Die Absatzzahlen schnellten in die Höhe. Bei den eigenen Fahrzeugen spezialisierte sich das Turiner Unternehmen auf Sportwagen mit kleinem Hubraum und schaffte es damit, bis in die 70er Jahre die etablierten Rennställe auszubooten. Danach verkaufte er die Namensrechte und Fertigungsstätten an Fiat und zog sich in seine Heimatstadt zurück.

Freund der Äpfel
Abarth war den leiblichen Genüssen nicht abgeneigt. Als er 1965 mit 57 Jahren einen Beschleunigungsrekord in seinem Fiat Abarth 1000 aufstellen wollte – was ihm auch gelang –, hatte er zuvor mithilfe einer Apfeldiät 30 Kilogramm abgenommen, damit er in den Rennwagen passte. Auch sonst spielten Äpfel eine wichtige Rolle in seinem Leben. Bis zu 20 Stück aß er pro Tag, da er überzeugt war, so ein Alter von 100 Jahren erreichen zu können.
Dies wurde ihm, dem ersten König der Tuning-Szene, nicht vergönnt. Er starb 1979 im 71. Lebensjahr. Einen Monat vorher hatte er seine dritte Frau Anneliese geheiratet, die mit der Carlo Abarth Foundation das geistige Erbe ihres Mannes bis heute lebendig hält.
Christian Zelger