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Der Meister der schönen Frauenstimmen

Gaetano Donizetti

Auch wenn viele seiner Opern nach der Uraufführung oder mit seinem Tod in Vergessenheit geraten waren, entdeckte man sie wieder und gehören heute zum Standardrepertoire der Opernhäuser. In Meran befindet er sich in guter Gesellschaft zwischen Rossini und Puccini – wenn man von den Straßen spricht.

Gaetano Donizetti

Bisweilen ist die Wertschätzung und Dankbarkeit eines Schülers gegenüber seinem Lehrer rührend. Als ein Operndirektor sich weigerte, dem Komponisten und Musiklehrer Simon Mayr die Originalpartitur seiner Oper „La rosa bianca e la rosa rossa“ zurückzugeben, erzürnte ihn das über alle Maßen. Umstimmen konnte er ihn aber nicht. Doch nicht nur ihn belastete diese Situation, sondern auch einen seiner besten Schüler. Da dieser seinen Lehrer außerordentlich schätzte, ging er an drei hintereinanderfolgenden Abenden ins Theater und hörte sich dessen Oper an. Dank des fabelhaften Gedächtnisses gelang es ihm, die Partitur fehlerfrei niederzuschrei­ben. Daraufhin fuhr er nach Bergamo zu Mayr und brachte ihm die Aufzeichnungen. Dieser umarmte ihn gerührt, zog seine Uhr aus der Tasche und übergab sie seinem Schützling mit den Worten: „Und du nimmst das da, so haben wir jeder ein Andenken an den andern.“ Der Schüler, von dem hier die Rede ist, war Gaetano Donizetti, einer der wichtigsten Opern­kom­po­nisten des Belcanto.

Talent und Erfolg
Domenico Gaetano Maria Donizetti wurde 1797 in Borgo Canale geboren, heute ein Teil von Bergamo. Seine Eltern Andrea und Domenica wohnten mit ihren fünf Kindern in zwei dunklen Kellerräumen. Die finanzielle Lage war schlecht. Hinzu kam, dass das Verhältnis zu seinen Eltern, besonders zu seinem Vater schwierig war. An eine Karriere als Musiker glaubte zuhause niemand, ebenso wenig an eine Förderung seines Talents. Das Bild des Vaters vom eigenen Sohn schwankte zwischen dem eines Größenwahnsinnigen und eines Versagers. Wohl aus diesem Grund verbot Donizetti dem Vater, die Premieren seiner Opern zu besuchen. Auch als er die wohlhabende Bürgerstochter Virginia Vasselli aus Rom heiratete, teilte er dies seiner Familie erst im Nachhinein mit. Dem erwähnten Simon Mayr hatte er es zu verdanken, dass er seine musikalische Gabe vervollkommnen konnte. Zuerst unterrichtete er ihn in Bergamo, dann schickte er ihn nach Bologna, um Kirchenkomposition zu studieren. Hier entstanden auch die ersten Opern, die weitgehend unbeachtet blieben. Der Erfolg stellte sich mit seinem Umzug nach Neapel und einem großen Schaffenspensum von vier Opern pro Jahr ein. Neben seiner Arbeit als Komponist betätigte er sich als Lehrer, Kapellmeister, Dirigent und Direktor des Konservatoriums. Zu seinen bekanntesten, auch international geschätzten Werken gehören u.a. die tragische Oper „Anna Bolena“, „Elisir d’amore“, „Lucrezia Borgia“, „Maria Stuarda“ und – allen voran – „Lucia di Lammermoor“.

Wenig Glück zuhause
Privat hatte Donizetti weniger Glück. Er musste eine Reihe von familiären Schicksalsschlägen ertragen. Seine drei Kinder starben: das erste missgebildet mit nicht einmal zwei Wochen, das zweite schon vor der Geburt, das dritte nach einer Stunde. Wenige Wochen darauf verschied auch noch seine geliebte Frau Virginia, die er schon als Dreizehnjährige kennengelernt hatte, im Alter von 28 Jahren an der Cholera. In den letzten drei Lebensjahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide, wodurch er praktisch arbeitsunfähig und gegen seinen Willen in ein Irrenhaus gebracht wurde. Donizetti starb 50-jährig 1848 in seiner Heimatstadt. Sein Grabmal befindet sich in der Basilika Santa Maria Maggiore in Bergamo unmittelbar neben jenem seines Lehrers und Förderers Simon Mayr. Als er sich für den Chor aus dem letzten Akt von „Lucia di Lammermoor“ bei einer Messe seines Lehrers bediente, beklagte sich dieser keineswegs und meinte: „Wahrlich, Donizetti hat mir da eine große Ehre erwiesen.“
Christian Zelger