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Von Schwänen und Katern

Spaziert man durch Nals, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass man auf dem Weg lebenden Schwänen begegnet – im Wappen der Gemeinde befinden sich hingegen gleich zwei. Und folgt man der Schwanburger Straße kommt man am namengebenden Ansitz vorbei.

In jener guten alten Zeit, wo noch Papst Urbans Heiligkeit leibhaftig und mit milder Hand weinsegnend zog durch unser Land, da kamen eines Abends spät dorthin, wo heut die Schwanburg steht, zum Felsenwinkel in der Gaul, drei Handwerksburschen, müd und faul.“

Mit diesen Worten beginnt die feuchtfröhliche Legende „St. Urbans Weinkost“ von Karl Theodor Hoeniger, die vom Südtiroler Maler Albert Stolz in der Schwanburg verewigt wurde. Das „Haus in der Gaul“, so der ursprüngliche Name, wurde im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. Etwas später kam der Bau in den Besitz der Herren von Boymont, die in der nahegelegenen Burg Payrs­berg residierten. Jakob von Boymont-Payrsberg ließ das Anwesen großzügig aus- und umbauen. Der edle Schwan in seinem Wappen – von einem seiner Ahnen noch als Gans verspottet – gab dem Ansitz seinen neuen Namen. Jakob war ein bemerkenswerter Mann. Unter anderem verfasste er eine Autobiographie, die Einblicke in die adelige Lebenswelt des 16. Jahrhunderts gewährt. Auch besondere Ereignisse notierte er darin, beispielsweise, dass am 8. August 1577 der Bach bei der Schwanburg von einem Wolkenbruch dermaßen angefüllt wurde, dass sich seit Menschengedenken niemand an größere Wassermengen erinnern konnte. Anscheinend ein Problem, mit dem die Nalser auch noch später zu kämpfen hatten – zuletzt im Herbst 2001, als eine Mure einen Teil des Dorfes überschwemmt hatte. Doch zurück zu Jakob. Nach seinem Tod sah sich die verschuldete Familie genötigt, den prächtigen Ansitz zu verkaufen. Zunächst kam er an die Grafen von Trapp, dann an den Nalser Jakob Thaler und schließlich an Rudolf Carli.

Tatkraft und Wohlwollen
Die Besitzer der Schwanburg hatten sich schon seit jeher dem Wein verschrieben. Einst beherbergte sie die älteste Privatkellerei Südtirols, in der noch Fässer aus der Zeit Kaiserin Maria Theresias zu finden waren. Rudolf Carli, ähnlich tatkräftig wie Jakob von Boymont, hatte hier den Weinbau zu neuen Höhen gebracht. Er wurde am 14. September 1860 in Bozen geboren. Sein Vater hatte eine Handelsagentur gegründet und sein Großvater entstammte einer angesehenen Augsburger Bankiersfamilie, die ursprünglich in Savoyen lebte. Nach der Ausbildung im In- und Ausland übernahm Rudolf die väterliche Firma und fast gleichzeitig auch die Schwanburg. Seine Tante Berta war mit dem Besitzer verheiratet und übernahm nach dessen Tod Schloss und Gutsbesitz. Da die Ehe kinderlos geblieben war, ging das Erbe an den Neffen Rudolf. In den darauffolgenden Jahren wurden die Güter noch von einem Pächter bewirtschaftet, aber Rudolf nutzte jeden freien Halbtag, um nach Eppan zu fahren und an der dortigen Lehranstalt seine landwirtschaftlichen Kenntnisse zu erweitern. Der Schwanburg gehörte seine Aufmerksamkeit und er scheute weder Zeit noch Geld, um den vernachlässigten Bau und die Weingüter auf Vordermann zu bringen. Rudolf war außerdem über die Grenzen seiner Heimat hinaus als besonders herzlich und gastfreundlich bekannt. Und würde man alle seine Ämter, Vereinsmitgliedschaften und Funktionen aufzählen wollen, der Platz hier würde keinesfalls reichen. Bleibt noch eine Frage zu klären: Was ist aus den drei Handwerksburschen aus Hoenigers Gedicht geworden?

„So zechen sie bis Hahnenschrei, dann ziehen vergnügt die drei. Denn wisst: Von einem Weinlein gut, wo sichtbarlich der Segen ruht von Sankt Urban, dem heiligen Vater, gibt‘s keinen Rausch und keinen Kater.“
Christian Zelger