Wo der Beruf zur Berufung wurde

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Wo der Beruf zur Berufung wurde

Die Liebe zu den Menschen, die ihrer kompetenten Hilfe und achtsamen Zuwendung bedürfen, deren Begleitung von der Geburt bis zum Sterbebett, prägen das Leben von Verena Werth auf ihrem Weg vom südlichsten deutschen Sprachzipfel bis zu den Berghöfen vom Passeiertal.
Altrei, das kleine Bergdorf an der Grenze zum Trentino nennt Verena ihre Heimat, denn dort ist sie auf dem „Hof am Orth“, dem Stammhof aller, die Amort heißen, aufgewachsen. Altrei, eingebettet in eine herrliche Natur, das Cembratal auf der einen, die Lagoreikette auf der anderen Seite und das Schwarzhorn im Norden. 1978 als Älteste von vier Geschwistern geboren, lernt sie schon früh, Verantwortung zu übernehmen. Die Großeltern, sowie eine unverheiratete Tante leben ebenso am Hof. So hat sie ihre allerersten „Praktikum-Jahre“ mit den kleinen Geschwistern, Notburga ist immerhin neun Jahre jünger sowie den pflegebedürftigen Großeltern. Hier verbringt Verena eine glückliche Kindheit, fern von allem Stadtrummel. Sie sagt: „Ein großes Vorbild waren mir immer meine Eltern. Sie lehrten mich so wichtige Werte: Glaube, Einsatz für andere, Nachhaltigkeit im Einklang mit der Natur, Wahrhaftigkeit ohne Angst vor Verlusten und die Leidenschaft, mich einzusetzen und auch der Gefahr des Leidens auszusetzen.“

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Verena (r) mit ihren Eltern und Geschwistern bei der Taufe der jüngsten Schwester

Die Mittelschule besucht Verena im „Mariengarten“ in St. Pauls/Eppan. Abgesehen vom Heimweh, das sie in der ersten Zeit plagt, sind die drei Mittelschul- und zwei Oberschuljahre eine sehr prägende Zeit. Schon früh weiß sie, welche Berufe für sie in Frage kommen: Floristin oder Krankenpflegerin. Die Geburt ihrer jüngsten Schwes­ter ist ausschlaggebend für ihre Entscheidung, denn sie erinnert sich noch heute, wie aufgeregt sie war, als sie mit den Eltern bei einer Vorsorgeuntersuchung beim Ultraschall anwesend sein durfte. So besucht Verena die dreijährige Krankenpflegeschule in Bozen und macht auch ein längeres Praktikum in der Marienklinik. Dort hat sie die Chance, aber auch die Herausforderung, von der Geburtshilfe über die Orthopädie, Chirurgie, Medizin, Augenheilkunde, HNO und Geriatrie Pa­tien­ten von 0 bis 99 Jahren zu betreuen und viele Erfahrungen zu sammeln. So beginnt sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildung auch dort zu arbeiten.

Eine Vielfalt an Erfahrungen
Insgesamt arbeitet sie 12 Jahre in der Marienklinik. In dieser Zeit absolviert Verena eine Spezialisierung als Still- und Laktationsberaterin und vertieft ihr Wissen auf der Geburtshilfe im Krankenhaus Meran. Von den Neugeborenen wechselt sie ins Altersheim Neumarkt, kehrt aber nach einem Jahr wieder in die Marienklinik zurück. Verena erzählt: „Da vermutlich Liebe durch den Magen geht, lernte ich meinen Mann, der als Koch in der Marienklinik arbeitete, kennen. Im März 2010 erfuhr ich von einer Freundin, dass im Krankenpflegedienst, Sprengel Passeier, Krankenpfleger gesucht würden. Probeweise konnte ich eine Kollegin auf ihrer Dienstfahrt begleiten. Es schneite – wir fuhren auf einen einsamen Hof, wo mich die Menschen und ihre einfache Lebensart tief beeindruckten. So entschloss ich mich, diese Herausforderung zu wagen.“

Mit Freude ins Passeiertal
Unbeschwert, voller Vorfreude beginnt sie im Mai 2010 ihren Dienst als Krankenpflegerin. Da auch ihr Mann im Tal Arbeit findet, verlagert sich ihr Lebensschwerpunkt völlig. Sie erinnert sich an die erste, sehr schwere Zeit, in der sie oft dachte, es nicht zu schaffen. Zu vieles war ihr fremd, angefangen von den Fahrten auf steilen, engen Berg­straßen; aber auch sie war den Menschen auf den Passeirer Berg­höfen fremd. Schmunzelnd erinnert sie sich: „Wahrscheinlich wegen meiner dunklen Haarfarbe und kleinen Statur glaubten sie, ich sei aus Peru.“ Doch dank der Unterstützung durch ihre damalige Koordinatorin Maria O., aber auch durch ihre Herzlichkeit ist sie heute, nach 10 Jahren glücklich und dankbar für diese abwechslungsreiche, selbständige Arbeit, bei der sie viel Wertschätzung von den Patienten und deren Familien erfährt.

Man hat nie ausgelernt!

Krankenschwester sein ist für Verena nicht nur ein Beruf, sondern Berufung

Deshalb macht Verena Werth berufsbegleitend einen dreijährigen, sehr wertvollen Spezialisierungskurs an der Claudiana für Familien- und Gemeinschaftskrankenpflege, den sie 2019 abschließt. Dieser systemisch, lösungsorientierte Ansatz, welcher gezielt die Unterstützung des ganzen Familiensystems als Ziel hat, ist sehr spannend und oft ist die junge Frau tief beeindruckt, was Familien leisten, wenn sie Angehörige zu Hause begleiten und pflegen. Wer ahnt schon, dass sie dann von einem Tag zum andern selbst zur pflegenden Angehörigen wird, da ihre Mutter einen Schlaganfall erleidet. Unterstützt von ihrem Mann, ist es für sie klar, dass sie eine Auszeit von ihrer Arbeit nimmt, um sich ganz der Pflege der Mutter zu widmen. Inzwischen geht es dieser wieder bedeutend besser und Verena ist zurück an ihrem Arbeitsplatz, durch wertvolle und auch schmerzliche Erfahrungen gereift.Auf die Frage, was ihr Kraft gibt, meint sie: „Die Unterstützung meines Mannes, die gemeinsame Zeit in der Natur und beim Wandern, die Entspannung beim Arbeiten mit Naturmaterialien und beim Flechten mit Weiden, aber genauso beim Austausch mit lieben Menschen. „Auch wenn ich schon bald 11 Jahre im Passeirtal wohne und arbeite, bin ich meinem Heimatdorf eng verbunden und fahre immer gern in mein „schians Voltrui“, meint sie abschließend.

von Christl Fink