Vor 100 Jahren… in Erinnerung gerufen

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Vor 100 Jahren… in Erinnerung gerufen

1921 entstanden in Italien gleich zwei Parteien, die das Land maßgeblich geprägt haben: die kommunistische Partei am 21. Jänner in Livorno und die faschistische Partei am 9. November in Rom.

Der „Partito Nazionale Fascista“ (PNF) war von 1921 bis 1943 die Partei der italienischen Faschisten. Sie ging aus den von Mussolini gegründeten „fasci di combattimento“ hervor.
Der „Partito Comunista d’Italia“ (PCI) spaltete sich 1921 von der Sozialistischen Partei Italiens ab.

von Josef Prantl

Partito Comunista Italiano (PCI)

Die Filme mit Don Camillo und Peppone spiegeln den Zwiespalt zwischen Kommunisten und Christdemokraten auf lustige Weise wider

„Toljatti“ nennt sich eine russische Stadt und erinnert an Palmiro Togliatti, den 1964 verstorbenen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens. Dieser hatte während des Zweiten Weltkriegs Asyl in Moskau gefunden. Nach Italien zurückgekehrt wurde Togliatti zu einem der mächtigsten Politiker des Landes: der PCI hatte bei seinem Tod 2 Millionen Mitglieder und war Westeuropas größte kommunistische Partei. Die Regierung stellte zwar über Jahrzehnte die „Democrazia Cristiana“ (DC), in Städten wie Rom, Neapel, Bologna oder Venedig waren aber kommunistische Bürgermeister an der Macht. Grandios und voller Galgenhumor stellen die Romane von Gio­vannini Guareschi und dessen Verfilmungen von Pfarrer Don Camillo und dessen kommunistischen Widersacher, Bürgermeister Peppone, den Zwiespalt dieser Zeit dar. In die Regierung aufgenommen wurden die Kommunisten nie, mit Ausnahme weniger Monate kurz nach Kriegsende 1945. Bis in die siebziger und achtziger Jahre hinein stand auch der größte Teil der italienischen Intellektuellen dem PCI nahe. Von Giangiacomo Feltrinelli, Carlo Levi, Alberto Moravia, Giorgio Napolitano, Cesare Pavese bis Pier Paolo Pasolini, von Natalia Ginzburg bis Luigi Nono und Andrea Camilleri, sie alle waren Kommunisten. Die Bedeutung, die der PCI für Italien errang, erklärt sich unter anderem auch aus der Tatsache, dass die Partei den Widerstand (Resistenza) gegen die deutschen Besatzer von 1943 bis 1945 führte. Neben Togliatti ist Enrico Berlinguer, PCI-Generalsekretär von 1972 bis 1984, die bedeutendste Persönlichkeit des italienischen Kommunismus. Unter seiner Führung trennte sich die Partei von den radikalen Linken und für ein paar Jahre, in den späten Siebzigern, schien sogar ein historischer Kompromiss zwischen PCI und DC möglich. Die Zusammenarbeit wurde aber durch die Ermordung Aldo Moros 1978 zunichtegemacht.

Vom PCI zum PD
Nach 1991 gab sich der PCI ein neues Programm, durchlief seitdem mehrere Wandlungen, Hammer und Sichel verschwanden aus den Symbolen der Partei. Im neu gegründeten „Partito Democratico di Sinistra“ (PDS, heute PD) fanden viele ehemalige Mitglieder ein neues Zuhause.  2016 kam es dann doch noch zu einer Wiedergeburt des PCI. Allerdings spielen diese Kleinstpartei und die anderen kommunistischen Listen in Italien heute keine politische Rolle mehr. In Südtirol war der Obervinschger Josef Stecher maßgeblich am Aufbau des deutschsprachigen Ablegers der kommunistischen Partei beteiligt. Von 1973 bis 1983 vertrat er seine Partei im Landtag. Prominentes Südtiroler Mitglied des PCI war auch der Schriftsteller Norbert Conrad Kaser.

Partito Nazionale Fascista (PNF)

Italienische Briefmarken im Umlauf von 1921 bis 1944. Gestaltet von
Corrado Mezzana (1890-1952)

Auch Italien war nach dem Weltkrieg politisch und wirtschaftlich am Boden. Vor allem die Kriegsheimkehrer, aber auch die vielen Enttäuschten schlossen sich in nationalistischen Gruppen zusammen, die politisch sehr unterschiedlich waren. Es war Benito Mussolini, der diese Splittergruppen 1919 zu den faschistischen Kampfverbänden („fasci di combattimento“) einte. Aus diesen paramilitärischen Einheiten entstand 1921 der „Partito Nazionale Fascista“. Mussolini kam 1922 an die Macht und nach massiven Änderungen der Wahlgesetze gewann der PNF 1924 deutlich die umstrittenen Wahlen. Von 1928 bis 1943 war er die einzige zugelassene Partei in Italien. Nach der Verhaftung Mussolinis 1943 wurde die Partei allerdings aufgelöst und von der Badoglio-Regierung  verboten. Als „Partito Fascista Repubblicano“ (PFR) wurde sie nach der Befreiung Mussolinis durch die Nazis wiederbelebt. Mit der Ermordung des Duce durch die Resistenza und der Auflösung der Republik von Salò verschwand auch der PFR im April 1945 von der Bildfläche, vorerst.Das politische Geschehen im Nachkriegsitalien dominierte wie gesagt die „Democrazia Cristiana“. Ein den Nürnberger Prozessen vergleich­ba­res Großverfahren gab es in Italien nicht.
Die „Resistenza“ rechnete selbst mit den Faschisten ab. Zur gerichtlichen Ahndung faschistischer Verbrechen wurden unter anderem außerordentliche Schwurgerichte gebildet. Diese Entwicklung endete allerdings durch ein im Juni 1946 verabschiedetes Amnestiegesetz. Die italienische Regierung weigerte sich auch, Forderungen nach der Auslieferung italienischer Soldaten an andere Staaten wegen begangener Kriegsverbrechen nachzukommen. Am rechten Rand gründete sich bereits 1946 der „Movimento Sociale Italiano“ (MSI) als neues Sammelbecken der faschistischen Anhängerschaft. Dem MSI, 1995 umbenannt in „Alleanza Nazionale“ (AN), gelang es, sich in den Folgejahrzehnten von seinem negativen historischen Image zu lösen und eine Rehabilitierung des Faschismus zu erreichen.

Vom MSI zu „Fratelli d‘ Italia“

Zu Beginn der 1990er Jahre implodierte das Parteiensystem Italiens innerhalb von wenigen Jahren. Die PCI spaltete sich in mehrere sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien auf. Ungewöhnlich war jedoch der Zusammenbruch der „Democrazia Cristiana“. Die Problematik der Partei ist personifiziert in Giulio Andreotti. Dieser Politiker, der über Jahrzehnte hinweg als Außenminister oder Regierungschef wichtige Ämter innehatte, musste sich in einem großen Prozess verantworten, in dem es um seine Verstrickungen mit der Mafia ging. Für viele Italiener waren Andreotti und der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Bettino Craxi schlicht korrupte Kriminelle. Die im Auseinanderbrechen dieser Parteien sichtbar werdende Krise des Parteiensystems ermöglichte in Italien die Durchsetzung des Rechtspopulismus als Massenphänomen: Politiker wie Gianfranco Fini, Silvio Berlusconi, Umberto Bossi und andere profitierten davon. Heute konkurrieren vier neofaschistische Parteien untereinander: Fiamma Tricolore, Forza Nuo­va, Casa Pound Italia und Fratelli d’Italia. Dabei kristallisiert sich Letztere unter Führung von Giorgia Meloni als neuer Stern am politischen Him­mel Italiens heraus.