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Einmal Kirchenglocken, einmal Sturmglocken

Anselm-Pattis-Straße in Marling

Geld mache nicht glücklich, aber man könne sich dafür Dinge kaufen, die einen glücklich machen, so scherzt der Volksmund. Auch im geistlichen Bereich geht es selten ohne den Mammon. Umso besser, wenn der Dorfpfarrer ein Händchen dafür hat. Anselm Pattis zum Beispiel.

Auch wenn sich momentan alles um chirurgische Mundschutze, Desinfektionsmittel und pistolenförmige Fieberthermometer dreht – jedes Jahr wird an den Schulen ein Teil des Budgets dafür verwendet, um Bücher, DVDs, Anschauungsgegenstände und andere Unterrichtsmaterialien für die Schüler anzukaufen. Ein Blick in das Jahrbuch des k.k. Obergymnasiums in Meran aus dem Jahr 1902 verrät, dass dies früher nicht anders war. Das „naturhistorische Cabinet“ beispielsweise wurde um ein menschliches Skelett, zwei gestopfte Auerhennen und drei Mineralien von Puflatsch bereichert, großzügig finanziert von Wohltätern. Und die Münzsammlung der Schule erhielt einen Curer Silbergroschen aus dem Jahr 1730. Diese Münze stammte von Anselm Pattis.

Einsatz für die Gemeinde
Karl Anton Maria Pattis, in Marling besser bekannt als Pater Anselm, war dort fast ein halbes Jahrhundert Pfarrer. Neben der Seelsorge kümmerte er sich um ökonomische Belange und entwickelte ein besonderes Talent, Geld für zahlreiche Projekte zu sammeln. Er gründete einen Kirchenbauverein, und in verhältnismäßig kurzer Zeit konnten genügend Mittel aufgetrieben werden, um mit dem Bau des neuen Gotteshauses zu beginnen. Im Kloster Muri-Gries, wo er nach seiner Matura eingetreten war, bekleidete er das Amt des Stiftsökonomen; und ab 1895 war er der erste Aufsichtsratsobmann der Raiffeisenkasse Marling. Mit der Einweihung der neugotischen Kirche kurz nach der Jahrhundertwende sah er seine Mission noch nicht erfüllt.
Drei Jahre später nutzte er sein 25-jähriges Jubiläum als Ortspfarrer mit einem Volksfest, um Geld für die Restaurierung des Kirchturms zu sammeln. Die Algunder Musikkapelle lud in Nationaltracht zum Konzert, es gab einen reichausgestatteten Glückstopf und verschiedene Spiele mit schönen Gewinnen, Eintritt 20 Heller – so inserierte man in der Burggräfler Zeitung. Auch ein Weingarten wurde zur Versteigerung ausgeschrieben. Immerhin galt es neben dem Turm noch ein mehrere Meter hohes Mosaik, einen neuen Glockenstuhl und eine Orgel mit elektrischem Antrieb zu finanzieren.
Aufgrund seiner vielen Verdienste für die Gemeinde zeichnete ihn Kaiser Franz Joseph mit dem Goldenen Verdienstkreuz mit der Krone aus. Und später wurde eine Straße nach ihm benannt.

Anekdote mit Feuer
Apropos Straße. Als die Marlinger Musikkapelle dem geschätzten Pfarrer zu seinem Namenstag am Vorabend des 21. April ein Ständ­chen darbringen wollte, marschierten auch zahlreiche Fackelträger in einem Lichterzug vor dem Widum auf. Das blieb nicht unbemerkt. In Untermais wurde das Leuchten für ein Schadenfeuer gehalten, die Sturmglocken wurden geläutet und die Feuerwehrmänner von Unter- und Obermais versammelten sich zum Einsatz. Alarmiert durch die Feuersignale aus der Umgebung, wollten auch die Marlinger selbst ausrücken, erkundigten sich aber telefonisch in Untermais, wo denn der Brandherd sei. Ja, bei euch in Marling, hieß es. Da musste er lachen und klärte seinen Kollegen auf. Die Florianijünger der drei Gemeinden konnten beruhigt nach Hause gehen. Ob diese einen Mundschutz getragen haben, ist leider nicht überliefert.

Christian Zelger