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Schenna besinnt sich

Die Covid-19-Testreihen in Schenna, Dorf Tirol, Kuens und Riffian ergaben, dass nur 1 % der getesteten Personen mit dem Virus in Kontakt waren. Die Auswirkungen der Corona-Krise haben auch Schenna schwer getroffen. Ein Gespräch mit Bürgermeister Luis Kröll.

Herr Bürgermeister, der Tourismus gehört zu den Branchen, die am massivsten unter der Corona-Krise leiden. Wie stark hat die Coronakrise Schenna getroffen?
Der Tourismus ist in Schenna einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Dementsprechend sind auch die Auswirkungen des Lock-downs groß. Die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe sind am meisten da­von betroffen, damit verbunden aber auch alle jene Arbeitnehmer, die in den Hotels und Restaurants beschäftigt sind.

Wie haben die Tourismustreibenden in Schenna darauf reagiert?
Im ersten Moment war man – als das Ganze im März losging – der Meinung, dass dieser Spuk relativ schnell wieder vorbei sein würde und dass man bereits zu Ostern zur Normalität zurückkehren wird. Doch wir sind dann leider eines Besseren belehrt worden. Inzwischen blicken viele mit großen Bedenken und großer Sorge auf den völlig misslungenen Saisonauftakt und es stellte sich die Frage, wann die einzelnen Betriebe wieder öffnen können und wie die heurige Saison verlaufen wird.

Ein großes Problem für den Tourismus war das Einreiseverbot. Nun sind die Grenzen wieder geöffnet, die Gäste bleiben trotzdem weitgehend aus und viele Betriebe geschlossen. Wie ist die Lage diesbezüglich in Schenna?
Aktuell haben in Schenna ungefähr 60 % der Beherbergungsbetriebe wieder geöffnet und die restlichen werden in den kommenden Wochen mehr oder weniger folgen. Die Buchungslage ist allerdings sehr verhalten und es gibt sehr viele Stornierungen. Das liegt vor allem daran, dass die weltweite Entwicklung der Corona-Pandemie und die Zunahme von Covid-19-Infektionen an be­stimmten Hotspots viele Gäste ver­unsichern.

Als Sensibilisierungskampagne startete Schenna zusammen mit Dorf Tirol, Schenna, Riffian und Kuens im Juni eine großflächige Covid-19-Testreihe. Was war das Ziel dieser Aktion?
Es handelte sich dabei um sogenannte Antikörpertests. Ziel der Aktion war ganz einfach festzustellen, wie viele Menschen in den Gemeinden bereits über Antikörper verfügen und wie viele schon in Kontakt mit dem Corona-Virus gekommen waren.

Von einigen Bürgern wurde diese Aktion etwas kritisch gesehen, nachdem die unterschiedlichen Covid-19-Tests verschieden zuverlässig sind. Welche Tests wurden in Schenna durchgeführt und wie war die Bürgerbeteiligung?
Der medizinische Leiter dieser Aktion war Dr. med. Eugen Sleiter von Dorf Tirol. Die Tests – so habe ich es mir von den Me­dizinern sagen lassen – hatten eine Zuverlässigkeit von 99,7 %, dementsprechend sind sie hochwertig. Zudem wurde die Testreihe von einem medizinischen Fachpersonal durchgeführt. Die Bürgerbeteiligung war leider sehr gering. Die meisten Bürger ließen sich in der Gemeinde Dorf Tirol testen. In Schenna war die Beteiligung ehrlich gesagt zu niedrig. Abgesehen von älteren Bürgern oder Kindern unter zehn Jahren, hätte ich mir erwartet, dass mehr Menschen die Testreihen nutzen, um Gewissheit zu erlangen, ob sie bereits in Kontakt mit Corona waren. Nachdem man im Vorfeld von vielen Leuten sagen hörte, sie hätten dieses Virus schon gehabt, weil sie Symptome wie hohes Fieber, Geschmacksverlust usw. hatten, fielen die Testergebnisse dann doch negativ aus.

Zu welchem Ergebnis kam man bei den Tests?
Wir haben gesehen, dass gerade einmal 1 % der Bevölkerung Antikörper aufgebaut hat und 99 % überhaupt noch nie in Kontakt mit dem Virus waren. Insgesamt haben sich in Schenna 1032 Personen testen lassen. Darunter waren 12 Personen, bei denen sich bereits seit einigen Wochen Antikörper gebildet hatten. Der Test ergab auch, dass unter den Testpersonen aktuell niemand infiziert ist.

Nun ist bekannt, dass es bei Corona zwischen 2 bis 14 Tage dauern kann, bis die ersten Symptome auftreten. Sind weitere Tests in der Gemeinde geplant?
Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Aktion um ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit der EURAC gestartet wurde. Dabei waren die Tests ein erster Teil dieses Projekts. Im Weiteren werden die Personen, welche Antikörper aufwiesen – auf freiwilliger Basis – in einigen Monaten noch einmal untersucht, mit dem Ziel, ein Forschungsergebnis darüber zu erhalten, wie lange die Antikörper auch effektiv halten.

Wie kommen Handel, Handwerk, Landwirtschaft oder auch Gewerbe mit der aktuellen Lage zurecht?
Neben dem Tourismus leidet auch der Handel stark unter dieser Krise, weil mit den fehlenden Gäs­ten bislang eine wichtige Kundenschicht ausblieb. Die Landwirtschaft konnte Gott sei Dank die ganze Zeit über weiterarbeiten und spürte bisher nur wenige Auswirkungen der Krise. Aber die Lage in der Weinwirtschaft ist in die­sem Jahr allgemein sehr schwierig. Im Gewerbe bzw. Hand­werk haben wir zurzeit noch eine Vollbeschäftigung, aber auch hier bestehen die Befürchtungen, dass die Auswirkungen dieser Kri­se erst noch spürbar werden.

Auch die für Mai dieses Jahres angesetzten Gemeinderatswahlen mussten verschoben werden. Nach drei Regierungsperioden ist für Sie die maximal erreichbare Zahl an Jahren als Bürgermeister erreicht. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Die Zeit als Bürgermeister war für mich eine sehr große Lebenserfahrung und ich muss sagen, dass ich vom ersten Tag bis jetzt an eine große Verantwortung für die Bevölkerung und für die Menschen im Dorf gespürt habe, der ich stets mit einer gewissen Gelassenheit und doch notwendiger Ernsthaftigkeit begegnet bin. Für mich war und ist es eine sehr lehr­reiche Zeit, die ich nicht missen möchte.

Welche Projekte konnten Sie umsetzen?
In dieser Zeit konnten wir als Verwaltung relativ viele Projekte realisieren. Hervorzuheben ist der Neubau der Grundschule und des Kindergartens in Verdins. Wir haben sehr viel in die Ortsgestaltung durch Sanierung der Straßen, Erweiterung von Gehsteigen und Infrastrukturen im Allgemeinen investiert. Außerdem laufen zurzeit die Arbeiten am neuen Kindergarten und der Kita. Das sind die wichtigsten Projekte, die wir im Dorf gemacht haben.

Welche Wahlversprechen konnten Sie nicht einlösen?
Die Probleme in Schenna liegen nach wie vor noch in der Mobilität, besonders im Personenverkehr, weil wir im Moment nicht im Stande sind, die Leute mit den Bussen benutzergerecht zu befördern. Die straßenunabhängige Verbindung zu Schenna zwischen Meran und Dorf Tirol war ein Ziel. Dieses Projekt ist auch nach wie vor aktuell. Leider verzögert sich alles immer wieder und ich bedaure sehr, dass wir damit nicht schneller vorangekommen sind.

Über das Projekt Standseilbahn wurde oft im Zusammenhang mit dem Küchelbergtunnel diskutiert. Dort scheint es grünes Licht für den weiteren Ausbau der Nord-­West-Umfahrung zu geben. Welche Auswirkungen hat dies auf das Projekt Standseilbahn?
Über die neuesten Entwicklungen beim Küchelbergtunnel freue ich mich, denn die Nord-West-Umfahrung wird der Gemeinde Meran, Dorf Tirol und den Gemeinden im Passeiertal sehr zu Gute kommen, allerdings haben die Entwicklungen auf das Projekt der straßenunabhängigen Verbindung im öffentlichen Nahverkehr, sprich der Standseilbahn, keine Auswirkungen. Es handelt sich hier um ein unabhängiges Projekt.

Wie muss man sich den Streckenverlauf der angedachten Standseilbahn vorstellen?
Die auf den verschiedenen Landesstellen vorliegende Machbarkeitsstudie der Standseilbahn sieht den Start in der Galileistraße in Meran vor, wo sich derzeit die Talstation des Sesselliftes Tirol befindet. Von dort aus sollte die Bahn durch einen unabhängigen Tunnel durch den Küchelberg zur ersten Zwischenstation bei der Handwerkerzone Zenoberg fahren. Eine zweite Zwischenstation wäre beim Ofenbauer geplant. Diese ist für Schenna deshalb so wichtig, da die Zone „Ofenbauer-Leiterweg“ zurzeit mit dem öffentlichen Verkehr noch nicht erschlossen ist und dadurch eine Anbindung sowohl nach Meran als auch nach Schenna gewährleistet werden könnte.

Was ist der Stand der Dinge?
Wie erwähnt, liegt die Machbarkeitsstudie zurzeit beim Land auf. Die Projektvorleger waren Leitner und Doppelmayr und Partner, da die Kosten aber auch mittels öffentlichen Mitteln finanziert werden sollen, muss das Land seine Zustimmung geben. Dann erst kann eine konkrete Ausschreibung folgen und in der Projektierungsphase auch die Verfügbarkeit der Grund­flächen geklärt werden. Im Detail kann man momentan also nicht viel sagen. Es gibt eine technische Studie, die dem Land vorliegt und schon seit geraumer Zeit überprüft wird. Bleibt zu hoffen, dass wir so bald als möglich Klarheit darüber bekommen.

Nachdem man im Tourismus in den vergangenen Jahren hohe Erträge erzielt hat, wurde sehr viel erweitert und investiert. Wie schätzen Sie diese rege Bautätigkeit am Ende Ihrer Laufbahn ein?
Tatsächlich muss man sagen, dass in Schenna in den letzten Jahren zu viel gebaut worden ist. Als Gemeinde hatten wir deshalb eine Tourismuszone ausgewiesen. Bei der Bautätigkeit handelte es sich um Erweiterungen, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens einfach möglich waren und es ist verständlich, dass es für jeden Beherbergungsbetrieb eine Herausforderung ist, sich gut aufzustellen und den Standardanforderungen der Gäste gerecht zu werden. Allerdings wurde die Bautätigkeit letzthin zunehmend auch zur Belastung für die Bevölkerung. Es hätte so nicht weitergehen können. Dass der Rückgang aber nun durch einen so radikalen Einschnitt zustande kommen würde, hätte sich niemand gedacht. Ich hoffe nur, dass es im Tourismus auch bald wieder eine „Zeit nach Corona“, d. h. zurück zur Normalität geben wird. Einer Normalität allerdings, in der es wieder zu einer bedächtigeren Entwicklung kommt, und nicht eine, die wieder so rasant verläuft, wie wir sie in den letzten zehn Jahren hatten.

von Philipp Genetti