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Merans Lauben

Das Meraner Stadtarchiv erklärte vor kurzem bei einem Vortragsabend die baugeschichtlichen Untersuchungen der Meraner Lauben. Die BAZ hat sich mit dem Referenten, Kunsthistoriker und Leiter des Arbeitskreises für Hausforschung Südtirol, Martin Laimer aus Lana darüber unterhalten.

BAZ: Worum ging es bei den baugeschichtlichen Untersuchungen?

Martin Laimer

Martin Laimer: Das erste Projekt betraf das sogenannte „Herzoghaus“ in den unteren Wasserlauben, das 1997 baugeschichtlich untersucht worden ist. Das zweite Projekt betraf die baugeschichtliche Untersuchung des Haisrainer in den oberen Berglauben im Jahre 2014. Mit dem Herzoghaus wurde 1997 erstmals die bauliche Entwicklung eines Meraner Laubenhauses aufgezeigt. Es wurde festgestellt, dass sich die ältesten Bauteile nicht an der Gasse, sondern im rückwärtigen Baubestand erhalten haben und dieser ältere Baubestand erst sekundär bis an die Gasse erweitert worden ist. Auch wurde festgestellt, dass die Anlage des Laubenganges erst einer dritten Bauphase angehört, wobei die Laube im Erdgeschoss nachträglich entstand.
Die Bauuntersuchung des Haisrainer, die mit einer dendrochronologischen Untersuchung (Jahrringanalyse der Bauhölzer) der Kellerdecken einher ging, bestätigte die mit dem Herzoghaus aufgezeigte Tendenz: Auch beim Haisrainer wurde der Laubengang im Erdgeschoss nachträglich um 1333/34 aus dem älteren, um 1272/73 entstandenen Bestand herausgebrochen. Wiederum sind bergseitig Reste eines vermutlichen Vorgängerbaues zum heutigen Laubenhaus erhalten.

Die Altersbestimmung der Laubenkeller war ein wichtiger Teil der Forschungsprojekte. Wie kann man sich diese Forschungsarbeit vorstellen?
Im Vorfeld der 700-Jahr-Feier zur Verleihung der Stadtordnung im Jahr 2017 wurden von mir 37 Laubenkeller begangen, was in etwa der Hälfte des erhaltenen Bestandes an Laubenkellern entspricht. Dabei ging es zunächst um eine Sichtuntersuchung des Kellermauerwerks. Davon ausgehend nahmen Prof. Kurt Nicolussi und sein Mitarbeiter die bauliche Datierung vor.

Eine Methode zur Bestimmung des Alters ist die „Dendrochronologie“. Was versteht man darunter?
Bei der Dendrochronologie oder Jahrringanalyse der Bauhölzer geht es darum, das Schlagdatum von Balkendecken, die sich original im Mauerwerk befinden, zu bestimmen. Mit dem Schlagdatum ist die Schlägerung von Bauholz gemeint, das meist nach einem ein- oder zweijährigen Trocknungsprozess verbaut worden ist. Das Prinzip der Dendrochronologie beruht darauf, dass Hölzer je nach sommerlicher Witterungs­periode unterschiedlich breite Jahresringe anlegen: In sehr günstigen, sprich warmen oder feuchten Sommern, breitere Jahresringe und in kühleren oder trockneren Sommern schmälere. Diese unterschiedlichen Wachstumsschübe ergeben „Ausschläge“, die in Kurvendiagrammen er­fasst wer­den und die je nach Holzart in Langzeitkurven der jeweiligen Holzart (Lärche, Fichte, Kiefer usw.) eingeordnet werden können. Im Idealfall kann so das Schlagdatum des untersuchten Balkens ermittelt werden.

Im Gegensatz zu den Lauben in Bozen sind jene von Meran meist nur mit einem Geschoss unterkellert. Eine Ausnahme bildet das ehem. Gasthaus „Wei­ßes Rössl“.

Die Laubenhäuser weisen eine einzigartige Architektur auf

Es stimmt, die Meraner Lauben sind für gewöhnlich eingeschossig, wodurch sie sich von den mehrgeschossigen Bozner Lauben unterscheiden. Nur sehr vereinzelt wurden in Meran „Tiefkeller“ angelegt, wobei es sich wie im westlichen Keller des „Rössl bianco“ um nachträglich angelegte, klei­ne Kelleranlagen handelt. Diese neuen Kelleranlagen entstanden meistens im rückwärtigen Hinterhaus der Laubenparzel­le, wegen des Grundwasser­spiegels und der da­mit zusammenhängenden Pro­ble­me.

Wofür wurden die Laubenkeller in erster Linie verwendet?
In der Regel dienten die Laubenkeller früher als Weinkeller für den privaten Gebrauch oder für den Ausschank in Wirtschaften. Später, ab dem 19. Jahrhundert, wurden Laubenkeller auch als Abstellräume, Depots, als Geschäftsräume oder sogar als Restaurants verwendet wie den Zitt oder den Römerkeller in den Obe­ren Wasserlauben. Ab den 1960er und frühen 1970er Jahren kam verstärkt die Nutzung als Heiz- oder Tankraum auf. Im Haus Laubengasse 75 in den Oberen Wasserlauben soll Frau Flora Turri-Bertagnolli im Laubenkeller die älteste Sauna Merans betrieben haben. Heute werden die Keller, mit einigen Ausnahmen, als Abstellräume genutzt. Die Erdgeschosse dienen als Standorte für Verwaltung, Gastronomie, Dienstleistung, Handel und Handwerk.

Die oberen Geschosse werden weniger genutzt. Warum?
Im Unterschied zu den Geschäften des Erdgeschosses sind die Obergeschosse wirtschaftlich weit weniger interessant. Dies hat unterschiedliche Ursachen: Der Bau­bestand ist meist kleinräumig unterteilt und weist vielerorts historische Ausstattungen oder unterschiedliche Bodenniveaus auf. Dazu kommt das Fehlen von Aufzügen, großflächigen Belichtungen oder Fluchtwegen.

Wie sind die Laubenhäuser aufgebaut?

Kapelle im Kuntnerhaus in den oberen Wasserlauben Foto: M. Laimer

Die schmalen Laubenparzellen gliedern sich in meistens in das an der Laubengasse liegende Vorderhaus, auf das nach einem Licht- oder Innenhof das rückwärtige Hinterhaus folgt. Daran schloss früher ein offener Hofraum mit den Wirtschaftsgebäuden (Stall und Stadel oder sonstige Nebengebäude) an.
Den Ab­­schluss bildete der oft mit Re­ben oder Streuobst bestandene Hausgarten und zuletzt die freistehende, unverbaute Stadtmauer.

Eine große Herausforderung an der langgezogenen Bauform war die Lichtzufuhr.
In früheren Jahrhunderten wurde die Lichtzufuhr in die schmalen Laubenhäuser durch die Anlage von (überdachten) und nach Süden hin offenen Lichthöfen gelöst, von denen aus sowohl die rückwärtigen Räume des Vorderhauses, als auch die Räume des Hinterhauses belichtet wurden.

Im Geschäft Kuntner wurde in der oberen Etage vor Jahren eine be­malte Hauskapelle zu einem Ausstellungs- und Geschäftsraum umgestaltet.
Allem Anschein nach handelt es sich bei diesem vollständig bemalten Raum des 16. Jahrhunderts um einen privaten An­dachts­raum, der um 1570 ver­­­mutlich von Bartlmä Dill dem Jüngeren ausgemalt wurde. Im bi­blischen Bildzyklus, der unter anderem den Sündenfall darstellt, kommt lutherisches Gedankengut zum Ausdruck. Nach meiner Kenntnis ist es die einzige Hauskapelle in den Lauben.

Gut geschützt vor Unwettern verläuft entlang der Laubengasse auf beiden Seiten der Laubendurchgang. Dieser stammt nicht aus derselben Zeit wie die Laubenhäuser. Wann ist dieser Durchgang entstanden?

Maria Theresianischer Katasterplan

Die bauhistorischen Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Laubengänge ab dem frühen 14. Jahrhundert zunächst nachträglich aus dem älteren, privaten Baubestand herausgebrochen wurden. Dies hatte im darunterliegenden Keller den Ein­bau von Stützen und gemauerten Bögen zur Folge, musste nun doch eine neue Trennmauer zwischen dem öffentlichen Raum (der Laube) und den Privaträumen des Erdgeschosses eingezogen und entsprechend unterfangen werden. Offensichtlich erfolgten die nachträglichen Ausbrüche der Lauben zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten und entsprangen keinem einheitlichen Plan. Ab dem 15. Jahrhundert lassen sich in den unteren Wasser- oder Berglauben aber auch jüngere Laubenhäuser nachweisen, bei denen der Laubengang mit dem Laubenkeller in einer Bauphase entstanden ist.

Was konnte man über die Entstehung der Lauben herausfinden? Die bisherigen Ergebnisse der Jahrringanalyse der Bauhölzer der Laubenkeller zeigen eine verstärk­te Bautätigkeit im 13. bzw. 15. Jahrhundert, während das 14. Jahrhundert eher wenig vertreten ist. Dies könnte mit den Katastro­phen des 14. Jahrhunderts, den Bränden und Seuchen zusammenhängen, welche die wirtschaftliche Entwicklung und die Bautätigkeit beeinflusst haben.

Ein Zeitzeuge des Faschismus ist in den Lauben das Rathaus. Was können Sie uns darüber sagen?

Das Steinachviertel

Das Meraner Rathaus entstand in den Zwischenkriegsjahren. Damals wurde unter dem Faschismus am oberen Ende der Unteren Berglauben das ehemalige Thal­guter-Haus und mit ihm weitere Laubenparzellen abgebrochen, um Platz für das heutige Rat­haus zu schaffen.
In den vergangenen Jahren wurden die Lauben saniert. Nun soll auch das Stein­ach­viertel aufgewertet werden.
Das Steinachviertel wird in geschichtlichen Abhandlungen zu Meran immer wieder als das älteste Stadtviertel bezeichnet. Die Baugeschichte kann dies bislang nicht bestätigen. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass dort bereits im Mittelalter ärmlichere Häuser, vornehmlich von Handwerkern und Inwohnern (nicht Bürgern) bestanden, die teils in Holz errichtet waren und oft erneuert oder durch ge­mau­erte Bauten ersetzt wurden. Auch fehlt bislang eine bauhistorische Untersuchung des Viertels, so dass noch vieles im Unklaren ist.

Gibt es schon Pläne für eine weitere Er­­forschung der Meraner Stadtmitte in den kommenden Jahren?
Es ist derzeit nichts geplant. Allerdings muss die dendrochronologische Untersuchung der Laubenkeller, zu der bislang nur ein Vorbericht vorliegt, noch abgeschlossen werden. Wünschenswert wäre eine Fortsetzung, welche die noch ausstehenden Laubenkeller mit einbezieht, um so ein Gesamtbild der Entwicklung zu erhalten.

Wo kann über die Geschichte des Stadtkerns nachgelesen werden?
Historische Informationen zur Ge­­schichte Merans sind im Stadtarchiv erhältlich. Auch liegen im Südtiroler Landesarchiv die Verfachbücher der Stadt Meran ab dem 16. Jahrhunderts auf, in denen Informationen zu früheren Eigentümern, zu Nutzungen und baulichen Aktivitäten zu finden sind.

 

von Philipp Genetti