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In Hinterpasseier

Pfelders im Naturpark Texelgruppe in Südtirol

Anlässlich der anstehenden Jubiläumsfeier „50 Jahre Timmelsjochstraße“ am 15. September widmen wir uns diesmal dem hinteren Passeiertal.

 

Pfelders im Naturpark Texelgruppe in Südtirol

Das Passeiertal ist im Burg­gra­fenamt allen bekannt. Wo beginnt aber Hinterpasseier?
Gotthard Gufler: Das hintere Passeiertal beginnt zwischen St. Leonhard und dem Dorf Moos, auf einer Höhe von 900 Metern über dem Meeresspiegel. Von hier erstreckt sich das Ge­meindegebiet Moos bis hinauf zu den Berggipfeln auf rund 3500 Metern. Die Gesamtfläche der Gemeinde beträgt 210 km2. Sie ist damit die sechstgrößte Gemeinde Südtirols und grenzt ans österreichische Ötztal in Tirol. Haupt­ort der Gemeinde ist Moos im Hinterpasseier, dazu kommen einige Fraktionen und Weiler. Die Fraktion Platt hat ungefähr gleich viele Einwohner wie Moos und ist von der Fläche her mit dem Hauptort zu vergleichen. Hinzu kommen die Fraktionen Stuls, Rabenstein und Pfelders als die flächenmäßig kleinste Fraktion der Gemeinde. Aufgrund des florierenden Tourismus in Pfelders hat der kleine Ort während der Saison mehr Einwohner als alle anderen Fraktionen.

 

Wie steht es um die Erreichbarkeit des hinteren Passeiertals?
Die Erreichbarkeit ist über die Hauptstraße von St. Leonhard nach Moos und in den Sommermonaten über die Passstraße auf das Timmelsjoch gegeben. Mit dem Timmelsjoch gibt es einen direkten Grenzübergang nach Österreich, genauer gesagt ins Ötztal. Insgesamt feiern wir in diesem Jahr gleich drei historische Ereignisse am Timmelsjoch: 100 Jahre Erster Weltkrieg, 50 Jahre Timmelsjochstraße und 20 Jahre Schengen-Abkommen mit Italien, durch das am 1. April 1998 die Grenzkontrollen abgeschafft wurden. Der öffentliche Verkehr führt – von Meran ausgehend – über die Gemeinde St. Leonhard nach Moos in Passeiertal.

Die Timmelsjochstraße feiert im September ihr 50-Jahr-Jubiläum. Was können Sie uns von der Entstehung dieser historischen Passstraße erzählen?
Anlässlich der Jubiläumsfeier haben wir über die Entstehung des Grenzüberganges einiges herausgefunden. Die ersten Dokumente, in denen die Timmelsjochstraße erwähnt wurde, stammen aus der Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts und befinden sich in Innsbruck. Diese belegen, dass bereits zur damaligen Zeit in Tirol der Wunsch bestand, eine Verbindung zwischen dem Ötz­tal und dem Timmelsjoch zu errichten. Allerdings blieb die Vi­sion ohne weitere Folgen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann man schließlich mit den Vorar­beiten. Diese wurden jedoch mit dem Ausbruch des Krieges abgebrochen und es dauerte weitere Jahre, bis sich auf dem Timmelsjoch endlich wieder etwas regte. Die Hauptzeit des Baues an der Passstraße liegt in den 1960er Jahren. Da die Zeit äußerst karg und die Arbeit rar war, arbeiteten auch viele Männer aus dem Pas­sei­ertal am Bau der Straße mit, von denen es heute noch einige Zeitzeugen gibt. Am 15. September 1968 war es schließlich so weit, dass die neue Passstraße über das Timmelsjoch feierlich eröffnet werden konnte. Seither hat sich die Passstraße zu einer wichtigen Verkehrsachse im Hinterpasseier entwickelt und ist sowohl für Ein­heimische als auch für Gäste zu ei­nem besonderen Ausflugsziel ge­worden. Aufgrund seiner Höhe von rund 2500 m ist der Passübergang nur in den Sommermonaten befahrbar.

Im Dokumentarfilm „Timmelsjoch – Wenn Grenzen verbinden“ des Passeirer Regisseurs Philipp J. Pamer wird von der Bedeutung der Verbindungsstraße erzählt.

Der Dokumentarfilm von Philipp J. Pamer „Timmelsjoch – Wenn Grenzen verbinden“ – wurde von der Gemeinde Moos finanziert und erzählt die Geschichte um die Entstehung der Timmelsjochstraße und ihren Stellenwert für die Einwohner der beiden Täler auf österreichischem und italienischem Staatsgebiet. Philipp Pamer lässt dafür verschiedene Zeitzeugen zu Wort kommen, die einen authentischen Bericht liefern und den Wert, aber auch die Herausforderungen des Baues deutlich machen. Der Film wurde bei den diesjährigen Bozner Filmfestspielen erstmals vorgestellt.

Auf dem Weg zum Timmelsjoch begleiten einen seit geraumer Zeit auch Kultur und Kunst.
Das erste Projekt, das entlang der Passstraße in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Moos und dem Architekten Tscholl entstanden ist, trägt den Titel „Timmelserfahrung“. Oberhalb von Moos befindet sich die erste Skulptur der „Timmelserfahrung“. Der sogenannte „Granat“ erzählt die Geschichte des im Timmelstal und Seebertal heimischen Edelstein­erzes. Insgesamt sind es 6 Stationen, die auf die Besonderheiten des Gebietes aufmerksam machen und Besucher auf den Weg bis hin zum Passübergang auf österreichischer Seite begleiten.

Installation auf der Passstraße

Bis vor kurzem befanden sich auch einige Ruinen auf dem Pass. Was hat es damit auf sich?
Das leerstehende Gasthaus auf österreichischer Seite, das sogenannte Schmugglerhaus, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder erneuert und hergerichtet. Die Ruinen auf italienischer Seite wurden erst vor kurzem abgerissen. Eine davon, ein alter Bunker, wurde mit dem Architekten Werner Tscholl zu einem neuen Passmu­seum umgestaltet, in dem die Ge­schichte des Timmelsjochs auf italienischer Seite vom Jahr 1900 bis heute erzählt wird. Es ist die Geschichte zweier Täler, die sich kulturell zwar ziemlich ähnlich, aber durch einen Pass voneinander getrennt sind.

Das neue Museumsprojekt trägt den Titel „Timmel-Transit“. Wann wird es eröffnet?
Die Realisierungsarbeiten befinden sich in der Endphase. Die of­fizielle Eröffnung findet am 15. September statt. Sie ist Teil des Fest­aktes, bei dem die erwähnten Jubiläen, 100 Jahre Erster Weltkrieg, 50 Jahre Timmelsjochstraße und 20 Jahre Schengen auf dem Timmelsjoch gefeiert werden. Es freut uns besonders, dass sowohl unser Landeshauptmann Arno Kompatscher als auch der Landes­hauptmann von Tirol Günther Plat­ter ihren Besuch bereits zugesagt haben.

Sie erwähnten das „Schmug­g­lerhaus“ auf dem Timmelsjoch. Die Bezeichnung impliziert, dass Schmuggeln zur Geschichte von Hin­ter­passeier ge­hörte.
Das Schmuggeln begann in der Nachkriegszeit, als die Lebensmittel rar waren und Zucker, Salz und Tabak hinter der Grenze güns­tiger war als in Italien.
Ein 50 kg schwerer Rucksack voll Schmug­gelware – meist waren es Tabak, Sacharin, Zucker oder Salz, die geschmuggelt wurden – hatte im Passeiertal ungefähr den Wert von einem Monatslohn. Ge­lang es die Ware ungehindert über die Grenze zu bringen und zu verkaufen, machte man damit ein lukratives Geschäft. Allerdings war das gar nicht so einfach, und es kam immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Finanz- und Grenzpolizei, bei denen es leider auch Tote gab. Auch Tiere wurden geschmuggelt, und so kam es nicht selten vor, dass Hirten aus dem Ötztal und dem Passeiertal mit ein paar Schafen mehr oder weniger wieder ins Tal zurückkehrten. Es fällt einem heute schwer zu verstehen, welchen Stellenwert das Schmuggeln in der damaligen Zeit hatte. Immerhin war es für viele Familien in Passeier die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten.

Auf dem sogenannten „Schneeberg“ oberhalb von Moos befindet sich ein altes Bergwerk. Welche Bedeutung hatte der Bergbau für Hinterpasseier?
Das Bergwerk auf dem Schneeberg teilt sich in die zwei Teile: dem einen auf Ridnauner Seite und einem weiteren auf Mooser Seite. Es ist das höchstgelegene Bergwerk Europas. Die kleine Sied­lung St. Martin am Schneeberg erinnert heute noch an das ehemalige Knappendorf. Hier befanden sich außerdem eine Kirche, eine Schule und ein Krankenhaus. Um das 15. Jahrhundert beschäftigte das Werk rund 1000 Knappen, von denen einige auch aus dem Passeiertal kamen. Vom Jahre 1200 bis 1972 baute man hier unter unvorstellbar harten Bedingungen Silber, Blei und Zinnerze ab. Anschließend wurde das Bergwerk stillgelegt und zu einem einzigartigen Erlebnismuseum umgestaltet. Es ist über mehrere Wanderrouten vom Pas­seiertal und dem Ridnauntal zu Fuß erreichbar.

Auf welche Säulen stützt sich die heutige Wirtschaft in Hinterpasseier?
Die Wirtschaft von Hinterpasseier stützt sich heute vor allem auf die Landwirtschaft. Dabei sprechen wir von rund 265 Höfen. Im Verhältnis zur aktuellen Einwohnerzahl von 2097 Einwohnern, haben wir rund 2200 Rinder in der Gemeinde. Dazu kommen Ziegen und Schafe, die als Zucht- und Nutztiere gehalten werden. Vor allem die Haltung von Ziegen hat in der Gemeinde eine lange Tradition. Wir sprechen zurzeit von einem Bestand von 1500 Ziegen im Hinterpasseier. Den 265 Höfen stehen auch 65 Gastbetriebe gegenüber. Dabei handelt es sich vorwiegend um klein­strukturierte Traditionsbetriebe und einen 4-Sterne-Betrieb in Pfelders, die allesamt auf einen sanften Tourismus ausgerichtet sind. Durch die moderne Aufstiegsanlage und bestens präparierte Skipisten im Winter hat sich vor allem die Fraktion Pfelders in den vergangenen Jahren zum beliebten Skigebiet entwickelt.

Wie sieht es im Handwerk aus?
Im Handwerk arbeiten ebenfalls viele kleinere, teils Ein- bis 15-­Mann-Betriebe. Im Tal befindet sich aber auch ein Maurerbetrieb mit über 40 Angestellten.
Auf sich aufmerksam gemacht hat auch Martin Schweigl, ein besonders innovativer Handwerker aus Hinterpasseier.
Der gelernte Metzgermeister und passionierte Jungbauer Martin Schweigl wohnt in Pfelders-Zeppichl und erfüllte sich hier seinen Traum eines eigenen Hofladens und hofeigener Metzgerei am elterlichen Hof, den er 2013 übernommen hatte. In seinem Hofladen werden verschiedene Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Herstellung angeboten, dazu ein großes Sortiment an Honig, Marmeladen, Säften, Passeirer Schüttelbrot sowie Zirbenkissen und die hauseigenen Schokoladenliköre, welche sein Bruder Lukas herstellt. Ein weiteres innovatives Konzept aus Pfelders ist die „Berg­käserei Pfelders“ von Christian Ennemoser. Da die Gemeinde Moos sehr unter der Abwanderung leidet, freuen wir uns, wenn junge Leute Wege finden, um sich vor Ort eine Zukunft zu sichern.

Was unternimmt die Gemeinde, um junge Leute zu halten?
Um junge Leute zu halten, braucht es in erster Linie Arbeitsplätze, die innovativ sind und eine Perspektive für die Zukunft bieten. Das ist von Seiten der Verwaltung schwierig. Allerdings haben sich mit der Gründung unserer eigenen Energie- und Umweltbetriebe Moos Genossenschaft auch neue Arbeitsplätze in der Gemeinde eröffnet, die auch für junge Leute interessant sind. Die Genossenschaft versorgt – neben ihrer Kerntätigkeit als Strom­verteiler – inzwischen auch ihre Mitglieder in der Fraktion Pfelders mit Energiewärme aus dem eigenen Fernheizwerk. Sie betreibt auch eine Tankstelle und eine Kfz-Werkstatt, bietet den Mit­gliedern als Provider einen Breit­bandinternetzugang und leitet zwei Lebensmittelgeschäfte in den Dörfern Platt und Pfelders, welche die Nahversorgung im Hinterpasseier sichern.

von Philipp Genetti