Wenn gegen Ende des Monats mehr Tage als Euro zur Verfügung stehen, dann wird’s kritisch. Wir, als reiche Provinz eingestuftes Südtirol, brauchen eine neue Sozialpolitik, da trotz des hohen allgemeinen Wohlstands eine spürbare soziale Ungleichheit und Armut existiert. Der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich, die hohe Anzahl von Haushalten in relativer Armut und die steigende Gefahr des sozialen Abstiegs für einige Bevölkerungsgruppen brauchen eine Sozialpolitik, die effektiv greift. Keine Statistikklauberei und keine Beitrags-Almosen, die mehr an Bürokratie verursachen, als dass es den Betroffenen zugutekommt. Die Armut in Südtirol ist oft versteckt und betrifft nicht nur Menschen, die auf der Straße leben. Nicht wenige sind trotz Erwerbstätigkeit von Armut betroffen, mit Stundenlöhnen unter jeder Würde. In einem Land wie unseres, mit primärer Kompetenz für die Sozialpolitik, muss die Bekämpfung der Armut zu den wichtigsten Aufgaben überhaupt zählen. In einem Land, das jährlich über 10.000 Euro pro Kopf aus dem Landeshaushalt ausgeben kann, ist eigentlich allein schon die Existenz von Armut ein Armutszeugnis. Viele Bürger sind durch Zukunfts- und Existenzängste verunsichert. Die Angst ist groß, im Alter in die Armut abrutschen zu können.
Wir erleben seit Jahren, dass Arbeit entwertet wird. Aus sicheren Arbeitsplätzen werden unsichere Jobs. Aus unbefristeten Arbeitsverträgen prekäre Arbeitsverhältnisse. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich führt zu einer Zweiklassengesellschaft. Bei der Sanität hat sich dies bereits abgezeichnet. Wer Geld hat, lässt sich privat behandeln, wer das nicht vermag, mag halt monatelang warten.
Wichtig wäre doch, dass Südtirol eine Gesellschaft bleibt, in der Chancen für alle geschaffen werden, und nicht nur für einige wenige. Südtirol braucht eine neue Sozialpolitik, um die bestehenden sozialen Ungleichheiten zu bekämpfen.
Walter J. Werth