Handwerk – Innovation und Zukunftsperspektiven

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Handwerk – Innovation und Zukunftsperspektiven

In den letzten Jahren waren im Handwerk deutliche Trends erkennbar, die sich auf die Bedürfnisse einer sich wandelnden Gesellschaft einstellen. Besonders hervorzuheben ist das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit.
von Markus Auerbach

Handwerksbetriebe setzen verstärkt auf lokale Rohstoffe und faire Prozesse, um wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen. Dabei sollen Arbeitsplätze gesichert, kleine Betriebe unterstützt sowie Tradition und Moderne verbunden werden. Durch gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote will das Handwerk junge Talente gewinnen und neue Geschäftsmodelle fördern.

Ein Interview mit Herrn Piazzi, dem LVH-Bezirksobmann des Burggrafenamtes.

Herr Piazzi, welche innovativen Techniken oder Materialien setzen Sie in Ihrem Betrieb ein?
Auch im Handwerk schreitet die technische Entwicklung rasant voran und bringt zahlreiche Vorteile sowie Erleichterungen in der Praxis. In unserem Zimmerei- und Spenglereibetrieb setzen wir moderne Werkzeuge wie Wärmebildkameras, Laserscanner und digitale Messgeräte ein, um Bestandsgebäude präzise zu erfassen.
Mit Hilfe spezieller Zeichenprogramme können wir daraufhin neue Bauteile millimetergenau an den Bestand anpassen. Die anschließende Fertigung erfolgt auf CNC-gesteuerten Maschinen, die höchste Präzision und Effizienz garantieren. Wir setzen bewusst auf nachhaltige Materialien, etwa organische Dämmstoffe oder die Wiederverwendung von Bauholz. Kurze Transportwege sind für uns ebenso wichtig: Unser Bauholz beziehen wir bevorzugt aus der Region. Ein Beispiel für praktiziertes Recycling ist die Zellulose-Einblasdämmung, die aus dem Altpapier von Tageszeitungen hergestellt wird. Auf diese Weise können Abfallmaterialien wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt und neue Produkte hergestellt werden. Allerdings braucht es bei diesem Thema noch viel Sensibilisierungsarbeit. Der Markt bietet eine Vielzahl von Materialien an und es ist nicht immer leicht, hier den Überblick zu behalten. Wir bevorzugen innovative Lösungen, d. h. nachhaltige Produkte.

Gibt es spezifische Trends im Handwerk, die Sie beobachtet haben? Wie plant Ihr Betrieb, auf diese Trends zu reagieren?
Gut ausgebildete Handwerker werden immer seltener. Der Wettbewerb um die kompetentesten Mitarbeiter – aber auch um die Fachfirmen, die Arbeiten zuverlässig ausführen – ist groß, besonders im Thermo-, Sanitär- und Elektrotechnikbereich. Auch wir spüren diesen Trend, vor allem wenn es um anspruchsvolle Sanierungsarbeiten auf Baustellen geht. Eine sorgfältige Planung und Durchführung ist dabei unerlässlich, damit die Sicherheit der Arbeiter gewährleistet und der Baufortschritt nicht gefährdet wird.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Innovationsprozess? Setzen Sie auf umweltfreundliche Materialien oder Verfahren?
Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil unseres Innovationsprozesses. Bei jeder Planung prüfen wir zuerst, ob vorhandene Bausubstanz erhalten werden kann. Wo neue Materialien nötig sind, setzen wir bevorzugt auf organische, recyclingfähige und regionale Baustoffe. Genauso wichtig ist es für uns, dass die Materialien sortenrein bleiben und sich später problemlos trennen lassen. Mit modernen Berechnungsmethoden erfassen wir nicht nur Wärme-, Hitze- und Feuchteschutz, sondern auch den ökologischen Fußabdruck eines jeden Bauteils. So stellen wir sicher, dass Innovation bei uns immer Hand in Hand mit Nachhaltigkeit geht.

Mathias Piazzi.

Fließen Anregungen Ihrer Kunden in neue Entwicklungen ein?
Die Anregungen unserer Kunden spielen bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen und Produkte eine zentrale Rolle. Durch regelmäßige Umfragen und Rückgespräche stellen wir sicher, dass die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden in den Entwicklungsprozess einfließen. Eines unserer Leitbilder besteht darin, von Beginn an eine harmonische Geschäftsbeziehung zwischen Planer, Bauherren und Handwerkern zu garantieren. So lassen sich Leerläufe, Stress und Kosten erheblich reduzieren – zum klaren Vorteil für den Bauherrn.

Was sind Ihre langfristigen Ziele hinsichtlich der Innovation in Ihrem Handwerksbetrieb?
Langfristige Ziele für einen Zimmereibetrieb sind wichtig, insbesondere in einer Zeit, in der die Neugründungen im Handwerkssektor in Italien und Südtirol zurückgehen. Dies stellt eine Herausforderung dar, aber auch eine Chance, sich durch Erneuerung und strategische Planung abzuheben. Als zukunftsorientierter Zim­merei­betrieb werden wir weiterhin folgende Aspekte verfolgen:
• Qualität und Dienstleistungen
• Nachhaltigkeit
• Weiterbildung und Fachwissen
• Digitale Transformation
• Netzwerke und Kooperationen

Wie wichtig ist eine gute Ausgewogenheit zwischen Tradition und Innovation im Handwerk?
Tradition ermöglicht uns ein tiefes Verständnis für Materialien und Techniken, die über Generationen weitergegeben wurden. Dies ist entscheidend für die Qualität und Langlebigkeit unserer Arbeit. Gleichzeitig ist Innovation unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den sich ständig wandelnden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Eine ausgewogene Miteinbeziehung beider Aspekte ermöglicht es uns, das Beste aus beiden Welten zu nutzen. Wir bewahren die traditionsreichen Methoden, während wir gleichzeitig offen für neue Ideen und Technologien sind, die unseren Betrieb voranbringen. Letztendlich stärkt dieses Gleichgewicht nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch unsere Identität als Zimmerei- und Spenglerei-Betrieb.

Lehrlinge im Betrieb – Ausbildung mit Zukunft

Junge Menschen entscheiden sich zunehmend für eine Ausbildung mit Berufsschule. Die Herausforderungen des Arbeitskräftemangels haben viele Betriebe dazu veranlasst, vorausschauend und eigeninitiativ minderjährige Auszubildende einzustellen und deren berufliche Entwicklung zu fördern. Besonders auffällig ist der Anstieg der Anstellungen junger Menschen über 18 Jahre, die häufig durch neue Vertragsformen, insbesondere den berufsspezialisierenden Lehrvertrag, gefördert werden. Die Zahl dieser Vertragsabschlüsse hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt. Ein weiterer bemerkenswerter Trend ist die Zunahme von Auszubildenden aus außereuropäischen Staaten.

Herr Piazzi, warum steigt die Zahl der Lehrlinge in technischen Berufen wie Kfz- und Elektrotechnik, während sie im Verkauf und Friseurwesen stark sinkt?
Der anhaltende Zuwachs an Lehrlingen in Berufen wie Kfz-Techniker und Elektrotechniker lässt sich vor allem auf die steigende Nachfrage nach Fachkräften in diesen Bereichen zurückführen. Die Digitalisierung und der technologische Fortschritt haben dazu geführt, dass viele Betriebe händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften suchen. Junge Menschen erkennen zunehmend die vielfältigen Karrierechancen und die Stabilität, die diese Berufe bieten. Im Gegensatz dazu erleben Berufe wie Verkäuferinnen und Friseurinnen einen Rückgang, was möglicherweise auf die veränderte Konsumkultur, die zunehmende Automatisierung im Einzelhandel und auf das veränderte gesellschaftliche Image dieser Berufe zurückzuführen ist. Viele junge Menschen streben nach zukunftssicheren und anspruchsvollen Tätigkeiten, die ihnen auch persönliche und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Wie bewerten Familien in Südtirol das duale Ausbildungssystem, und wie beeinflusst es die Wahl einer handwerklichen Lehre?
Das duale Ausbildungssystem in Südtirol spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung junger Menschen, eine Lehre im Handwerk zu beginnen. Es kombiniert Theorie und Praxis auf eine effektive Weise, was den Auszubildenden ermöglicht, ihre Kenntnisse direkt in der Arbeitswelt anzuwenden. Dieses praxisnahe Lernen fördert nicht nur die Motivation, sondern auch die Identifikation mit dem Beruf. Das System hat sich bewährt, da es den Lehrlingen hilft, die notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, die in den gefragten Berufen erforderlich sind. Zudem ermutigt die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieben die Jugendlichen, frühzeitig Kontakte zu knüpfen und Einblicke in die Berufswelt zu gewinnen, was ihre Entscheidung für eine Lehre im Handwerk zusätzlich stärkt. Wichtig ist auch, dass die Lehrlinge ab dem ersten Arbeitstag ihr eigenes Geld verdienen.

Wie fördern Anerkennung und gute Löhne im Handwerk neue Lehrlinge, und warum besteht trotzdem Fachkräftemangel?
Es ist positiv zu verzeichnen, dass Handwerksberufe zunehmend als attraktive Karriereoptionen wahrgenommen werden. Die gestiegene soziale Anerkennung, die mit diesen Berufen einhergeht, kann den Anreiz für junge Menschen erhöhen, eine Lehre in diesen Bereichen anzutreten. Attraktive Gehälter, die in den meisten Branchen in den letzten Jahren branchenübergreifend stark angepasst wurden, tragen ebenfalls dazu bei, da sie den Beruf nicht nur als sinnvoll, sondern auch als finanziell lohnend erscheinen lassen. Dennoch bleibt der Fachkräftemangel im Handwerk bestehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass trotz der verbesserten Bedingungen nicht genügend junge Menschen für diese Berufe gewonnen werden können, möglicherweise aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit der Berufe oder der tief teilweise noch bestehenden Vorurteile gegenüber handwerklichen Ausbildungen.

Wie lässt sich die Attraktivität von Lehrberufen wie Verkäufer oder Friseure steigern, um den Lehrlingsrückgang zu stoppen?
Um die Attraktivität von Lehrberufen wie Verkäuferinnen und Friseurinnen zu steigern, sind gezielte Maßnahmen notwendig. Erstens könnte die Förderung von Praxisprojekten und Schulpartnerschaften dazu beitragen, realistische Einblicke in den Arbeitsalltag zu bieten, was die Wertschätzung dieser Berufe erhöhen kann. Zweitens sind Informationen über die Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb dieser Berufe wichtig; viele junge Menschen sind auf der Suche nach Karriereperspektiven. Seitens der Handwerker und Berufsvereinigungen wird zunehmend investiert, um junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen, handwerkliche Berufe näherzubringen. So gibt es beispielsweise Veranstaltungen wie „Abenteuer Handwerk“, das Talentcenter oder Berufsvorstellungen in den Mittelschulen, bei denen Jugendliche die verschiedenen Handwerksberufe besser kennenlernen können. Drittens kann eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Anpassung der Gehälter in diesen Bereichen dazu beitragen, das Interesse an diesen Berufen zu wecken. Zusätzlich sollten Initiativen zur Förderung von weiblichen Lehrlingen in traditionell männlich dominierten Berufen und umgekehrt entwickelt werden, um ein vielfältigeres Bild des Handwerks zu fördern. Insgesamt fördert das Anwerben neuer Lehr­linge ein Umdenken bezüglich der Wertschätzung und Darstellung dieser Berufe in der Gesellschaft.