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Würdigung einer Ikone

Mary de Rachewiltz ist die erste Frau, die zur Ehrenbürgerin von Meran ernannt wird.

Vor Kurzem hat die Stadt Meran eine außergewöhnliche Persönlichkeit ihres kulturellen Lebens gewürdigt: Die Dichterin, Übersetzerin und Essayistin Mary de Rachewiltz wurde im Pavillon des Fleurs feierlich zur Ehrenbürgerin ernannt. Die Ehrung der Stadt Meran besitzt dabei nicht nur kulturelle und historische Strahlkraft – sie markiert auch einen bedeutenden Meilenstein: Zum ersten Mal wurde diese höchste Auszeichnung der Gemeinde an eine Frau verliehen.

Die Ehrenbürger*innenschaft wird in Meran äußerst selten vergeben. In den vergangenen hundert Jahren erhielten lediglich zwei weitere Persönlichkeiten diese Würdigung: Joseph Zoderer (2015) und Franco D’Andrea (2016). Mit Mary de Rachewiltz tritt nun eine dritte, international anerkannte Figur hinzu, deren Lebenswerk weit über die Grenzen Südtirols hinaus wirkt.

In ihrer Ansprache hob Bürgermeisterin Katharina Zeller die besondere Rolle hervor, die de Rachewiltz durch ihr Wirken auf der Brunnenburg eingenommen hat. Über Jahrzehnte wurde die Burg durch sie zu einem Ort der offenen Türen, der Poesie, der Forschung und des interkulturellen Austauschs – ein Haus, das Studierende, Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt geprägt hat. Zeller betonte, die neue Ehrenbürgerin habe „Brücken zwischen Sprachen, Kulturen und Generationen geschaffen“ und verkörpere Werte, die die Stadt Meran besonders hochhält: Wertschätzung, Offenheit und Verbundenheit zwischen Menschen. Die hundertjährige Autorin – sie feierte am 9. Juli ihren 100. Geburtstag – blickt auf eine außergewöhnliche literarische Laufbahn zurück. Bereits seit ihrer Jugend arbeitete sie an den Übersetzungen der Werke ihres Vaters Ezra Pound und veröffentlichte 1985 die vollständige italienische Ausgabe der Cantos. Darüber hinaus übersetzte sie amerikanische Autorinnen und Autoren wie Robinson Jeffers, E. E. Cummings, Ronald Duncan und Denise Levertov und veröffentlichte eigene Gedichtbände sowie das autobiografische Werk Discrezioni.

Die Auszeichnung steht auch im Kontext der aktuellen Ausstellung „Mary’s Dream – Portrait of a Lady“ im Palais Mamming, die noch bis zum 22. Februar 2026 zu sehen ist und das facettenreiche Leben der Autorin beleuchtet.

Die Feier selbst wurde durch ein fein abgestimmtes Programm getragen. Massimo Bacigalupo und Ferruccio Delle Cave würdigten die Geehrte mit einer zweisprachigen Laudatio, Journalist Patrick Rina moderierte den Abend, und Marcello Fera setzte musikalische Akzente. Patrizio Zindaco und Christina Khuen lasen ausgewählte Texte der Autorin und machten die literarische Atmosphäre des Abends spürbar.

Vizebürgermeister Nerio Zaccaria unterstrich, Mary de Rachewiltz sei weit mehr als die Bewahrerin des poetischen Erbes ihres Vaters. Sie sei eine eigenständige, international anerkannte kulturelle Stimme, deren Lebensweg beispielhaft für jene Werte steht, die Meran heute repräsentieren möchte: kulturelle Offenheit, Neugier und gelebte Humanität.

Der Festakt im Meraner Kurhaus wurde von vielen engagierten Mitwirkenden getragen, die diesen besonderen Abend zu einem würdigen und unvergesslichen Ereignis für die Stadt machten – ein Tag, der in die jüngere Kulturgeschichte Merans eingehen wird.

Thomas Kobler