

Globale Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Ungerechtigkeit rücken das Thema Ernährung in den Mittelpunkt nachhaltiger Entwicklung. Ernährung umfasst weit mehr als gesunde Kost: Das gesamte Ernährungssystem – vom Acker bis zum Teller – bildet eine komplexe Wertschöpfungskette. Dennoch gehören Lebensmittelverschwendung und Abfallproduktion in modernen Gesellschaften zum Alltag und haben erhebliche ökologische, ökonomische und soziale Folgen.

Silke Raffeiner.
Ein Interview mit Silke Raffeiner von der Verbraucherzentrale Südtirol.
Frau Raffeiner, wie bewerten Sie die globale Lebensmittelverschwendung im Vergleich zu den UN-Nachhaltigkeitszielen?
Die internationale Gemeinschaft hat sich 2015 verpflichtet, bis 2030 die Lebensmittelabfälle im Einzelhandel und in Haushalten zu halbieren und Verluste in den Lieferketten zu reduzieren. Oft ist jedoch nicht klar, wie groß die Ausgangsmenge an Abfällen überhaupt ist. In der EU musste zunächst eine einheitliche Erhebungsmethode geschaffen werden, um Daten vergleichen zu können. Einige Länder haben Strategien ausgearbeitet, Kampagnen gestartet und konkrete Maßnahmen umgesetzt. Dort wurde die Menge der Lebensmittelabfälle zwar nicht halbiert, aber immerhin reduziert.
Haushalte verursachen rund 60 % der Lebensmittelabfälle. Was hindert Verbraucher an einem bewussten Umgang mit Lebensmitteln?
Lebensmittel landen oft deshalb in der Tonne, weil zu viel eingekauft, zu viel gekocht, Reste nicht verwertet oder Lebensmittel falsch gelagert werden. So häufen sich im Kühlschrank Überschüsse an, die nicht rechtzeitig verbraucht werden, während anderes vorzeitig verdirbt. Viele Lebensmittel – Brot, Gemüse oder Obst – werden entsorgt, weil sie nicht mehr ganz frisch wirken, obwohl sie noch genießbar wären. Ich empfehle allen Verbrauchern, einige Tage lang genau zu notieren, welche Lebensmittel in welchen Mengen und aus welchem Grund entsorgt werden. Die Verbraucherzentrale stellt dafür eine Tabellenvorlage bereit. Wer die Ursachen kennt, kann gezielt gegensteuern.
Welche praktischen Tipps helfen, Lebensmittelverschwendung im Haushalt zu vermeiden? Welche Rolle spielen Einkauf und Lagerung?
Ein bedarfsgerechter Einkauf beginnt zu Hause: Kühlschrank prüfen, vorhandene Lebensmittel berücksichtigen und eine Einkaufsliste schreiben. Beim Einkauf sollte man sich strikt daran halten und Impulskäufe vermeiden. Zu Hause müssen gekühlte, tiefgekühlte und verderbliche Lebensmittel sofort eingeräumt werden. Überschüsse lassen sich meist gut einfrieren. Produkte mit Verbrauchsdatum („zu verbrauchen bis“) sollten vor Fristablauf verzehrt werden; nach Ablauf sind sie nicht mehr sicher. Lebensmittel mit Mindesthaltbarkeitsdatum („mindestens haltbar bis“) sind in der Regel auch nach Ablauf der Frist genießbar, sofern sie ungeöffnet und korrekt gelagert wurden.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit entlang der Lieferkette, und welche Initiativen sind vielversprechend?
Lebensmittelverluste entstehen an allen Stationen der Lieferkette, weshalb die Zusammenarbeit aller Akteure unverzichtbar ist. Eine Reduktion bringt zudem wirtschaftliche Vorteile: Haushalte sparen Geld, wenn weniger genießbare Lebensmittel entsorgt werden, und auch Gastronomie und Hotellerie profitieren durch geringeren Wareneinsatz. Es bleibt viel zu tun, doch es gibt ermutigende Ansätze. Viele Menschen in Südtirol engagieren sich bei der Lebensmitteltafel. Positiv ist auch, dass Produkte kurz vor Ablaufdatum im Handel sowie Brot vom Vortag in Bäckereien zu reduzierten Preisen angeboten werden.
Markus Auerbach