Nachdem mehrere traditionsreiche Gastbetriebe und zuletzt auch der örtliche Nahversorger geschlossen haben, will Gargazon sein Dorfzentrum wieder neu beleben.
von Philipp Genetti
Die ersten Schritte sind getan: Das Dorfcafé hat wieder geöffnet, die Kegelbahn soll bald folgen, und auch für die Nahversorgung wird eine Lösung gesucht. Seit Mai steht mit Bernhard Paris ein rühriger Bürgermeister an der Spitze der Gemeinde, der mit einem engagierten Team frischen Schwung in die Gemeindestuben bringt. Die Entscheidung, in die Gemeindepolitik einzusteigen, kam für ihn unerwartet. „Das war ursprünglich überhaupt nicht geplant und ehrlich gesagt auch nicht Teil meiner Lebensplanung“, erzählt er im Gespräch mit der BAZ.
Nachdem sein Vorgänger Armin Gorfer nach drei Amtsperioden nicht mehr kandidierte, habe man einen Nachfolger gesucht – „und das war gar nicht so einfach“. In einer Umfrage in der Gemeinde sei schließlich auch sein Name gefallen. „Ich bin erst recht spät dazugestoßen, habe mich dann aber entschlossen, ja zu sagen.“ Politisch sei er ein Quereinsteiger, betont er: „Ich war in meinem Leben viel mit dem sozialen Bereich und beruflich mit der Politik in Kontakt, habe mich aber selbst nie politisch aktiv eingesetzt. Jetzt habe ich wieder angefangen regelmäßig Zeitung zu lesen, Radio zu hören – und mich einzulesen.“ Das Ergebnis war dann umso erfreulicher: fast drei Viertel der Stimmen gingen an Paris. Besonders freue ihn, dass sich der Ausschuss nun aus drei neuen und zwei erfahrenen Mitgliedern zusammensetzt– eine gute Mischung. Sein Stellvertreter ist Gianfranco Cassin.
Herr Paris, das Wahlergebnis war eindeutig, der Gemeinderat ist verjüngt worden. Wie hat sich das neue Team zusammengefunden?
Bernhard Paris: Gargazon hat eine sehr ausgewogene politische Landschaft. Die Menschen kommen gut miteinander aus. Altbürgermeister Bertoldi hat mir gesagt, eine so gute Kandidatenliste habe es bisher noch nie gegeben. Das ist das Verdienst des Ortsobmanns Albert Greif, aber auch vieler anderer, die sich dafür bemüht haben. Im Ausschuss arbeiten wir sehr kollegial zusammen. Es gab keine Koalitionsverhandlungen. Wir setzen uns zusammen, besprechen die Dinge – und ich versuche, möglichst alle einzubinden, vor allem dort, wo jemand seine Interessen hat. Wenn jeder ein bisschen was beiträgt, dann geht auch etwas weiter, denke ich.
Bürgermeister Bernhard Paris
Was möchten Sie in dieser Amtszeit konkret anstoßen und verändern?
Im Wesentlichen gibt es vier Themen, die wir angehen wollen – und über die Priorisierung kann man sicher noch reden. Erstens: die Nahversorgung. Uns fehlt im Dorf ein Lebensmittelgeschäft. In der Umfrage zum Gemeindeentwicklungsplan kam eindeutig heraus, dass die Bürger wieder ein Geschäft möchten. Die Herausforderung bestehet darin, ein solches Geschäft zu etablieren und sicherzustellen, dass es dann auch entsprechend genutzt wird. Zweitens: das Wohnen. Wir haben einige junge Leute, die Wohnraum suchen. Momentan gibt es jedoch nur wenige passende Angebote. Wir wollen keine Zuzugsgemeinde werden, aber die nächste Generation soll im Dorf wohnen und idealerweise auch arbeiten können. Drittens: die Eisenbahn. Die Trasse verläuft entlang der Etsch durch unser Gemeindegebiet. Jetzt steht der Ausbau bevor, aber es gibt ein großes Informationsdefizit – besonders bei den Anrainern. Diese möchten unter anderem wissen, wie lange die Bauphase dauert, welche Flächen benötigt werden und ob auf dem Damm gebaut wird. Das betrifft auch die Sportzone und die Tennisplätze. Diese offenen Fragen müssen geklärt werden. Und viertens: die Sportzone. Wir haben eine gute Infrastruktur, aber der Sportplatz ist über 60 Jahre alt. Es gibt bauliche Probleme, zum Beispiel beim Wasserablauf. Hier ist eine grundlegende Sanierung erforderlich. Momentan ist es öfter so, dass die Fußballer im Nachbardorf spielen müssen, weil das Spielfeld buchstäblich unter Wasser steht.
Was tut sich beim Thema Nahversorgung konkret?
Wir haben einen Betreiber gefunden, der das Geschäft übernehmen möchte. Leider ist der ursprüngliche Standort nicht mehr möglich, weshalb wir eine Alternative suchen. Zwei Standorte haben wir im Blick. Dies wäre zunächst eine Übergangslösung, denn langfristig ist im Dorfzentrum, beim alten „Löwenwirt“, ein neues Geschäft vorgesehen. Das Gebäude wird derzeit komplett renoviert, was drei bis vier Jahre dauern wird. Deshalb wollen wir diese Zeit einen provisorischen Standort schaffen, woran wir gerade arbeiten.
Für ein lebendiges Dorf ist Gemeinschaft wichtig. Was braucht es, damit Gargazon weiter zusammenwächst?
Wir haben zwar kein eigenes Ortsmarketing, aber einige Gemeinderäte kümmern sich genau darum. Im Moment planen wir die Kegelbahn wieder zu eröffnen. Das ist vor allem in den kälteren Monaten interessant, und vielleicht entsteht daraus auch wieder ein Verein. Sonst gibt es viele kleine Initiativen: Es gibt Altkleidersammlungen, Flohmärkte, Feste, Fasching und Nikolaus – es ist nicht so, dass nichts los wäre. Früher waren das die Kirche und das Café, das wir zum Glück wieder haben, sowie die Sportzone. Dort bewegt sich viel, dort treffen sich Jung und Alt, und dort darf man auch feiern. Aber Begegnungsorte sind wichtig und es könnten ruhig noch mehr sein.
Gargazon hat sich wirtschaftlich gut entwickelt. Wo sehen Sie noch Potenzial?
In den vergangenen zehn Jahren ist vor allem im Gewerbegebiet Mitterling und entlang der Bahnhofsstraße einiges passiert. Wir haben gute Betriebe und Arbeitsplätze, aber es ist noch Platz. Vor allem würden wir uns einige Handwerksbetriebe wünschen. Eine Idee, die mir sehr gut gefällt, ist ein kleines Gründerzentrum für Start-ups. In den leerstehenden ehemaligen Büroräumen der Obstgenossenschaft könnten wir jungen Leuten Raum geben, um etwas Neues auszuprobieren. Wir sind dazu in Gesprächen mit der Genossenschaft und möchten den Gedanken auch urbanistisch überprüfen lassen. Das braucht dann auch eine Marke und eine entsprechende Bewerbung. Ich finde den Ansatz gut – wie im Fußball muss man, denke ich bei der jungen Generation anfangen, wenn man eine Mannschaft aufbauen will.
Der Ausbau der Bahnlinie Bozen–Meran ist ein vieldiskutiertes Thema. Was wissen Sie darüber?
Bei der letzten Informationsveranstaltung wurde das Jahr 2035 genannt. Als Gemeinde wissen wir jedoch noch viel zu wenig über die Bauphase. Die Bürger wollen wissen, was an der Haltestelle Gargazon passiert – ob sich die Zugfrequenz verändert, wie lange der Bau dauert, und wie die Verbindungen währenddessen aufrechterhalten werden. Die Sportzone ist dabei ein neuralgischer Punkt, denn Zug und Radweg sind wichtige Zubringer zum Naturbad und ins Dorf. Auch die Grundstückseigentümer möchten wissen, welche Flächen benötigt werden. Wir, die Gemeinden Gargazon und Burgstall haben deshalb eine Initiative gestartet, einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss gefasst und einen Brief an Landesrat Alfreider übergeben. Es ist höchste Zeit, mit den Leuten zu sprechen. Es geht ja nicht darum, das Projekt infrage zu stellen – sondern auch darum, zu erfahren, wo jeweils Hilfe benötigt wird.
Ein schönes Projekt ist der Apfellehrpfad in Zusammenarbeit mit dem Verein „Sortengarten Südtirol“. Dieser lädt am 18. Oktober wieder zum Fest der Sorten ein. Was hat es damit auf sich?
Gargazon war schon immer ein Apfeldorf. Vor einigen Jahren kam die Idee auf, alte Apfelsorten zu erhalten. Wir haben hier ein Grundstück, auf dem früher Bäume standen. Der Verein Sortengarten Südtirol pflegt es heute. Ziel des hier entstandenen Lehrpfads ist es, Wissen und Pflanzgut dieser alten Sorten zu bewahren. So ist der Apfellehrpfad entstanden, der eine schöne Ergänzung zum Apfelmuseum in Lana darstellt. Auf ihm kann man alte Obstsorten entdecken und zum Teil auch verkosten.