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War Friedrich Barbarossa in Marling?

Der britische Journalist Ian Betteridge hat einmal geschrieben, dass jede Überschrift, die mit einem Fragezeichen endet, mit einem Nein beantwortet werden kann. Insofern sollte man vorsichtig sein, wenn in Schlagzeilen Fragen gestellt werden. Im Falle des rotbärtigen Staufers gibt es trotz fehlender Spuren in Marling doch eine Geschichte zu erzählen, in der Straßen eine Rolle spielen.

Es war der 22. Mai 1977. Im Marlinger Musikpavillon wurde die Partnerschaft der Burggräfler Gemeinde mit Gelnhausen aus der Taufe gehoben. In feierlichem Rahmen unterschrieben die damaligen Bürgermeister der beiden Orte, Josef Gamper und Jürgen Michaelis, die Partnerschaftsurkunden. Dies war der Anfang einer Freundschaft, die mittlerweile seit fast einem halben Jahrhundert hält und von Vereinen sowie der Bevölkerung aktiv getragen wird. Dass man sich gegenseitig zu verschiedenen Anlässen besucht, gehört zum Standard­repertoire von Beziehungen dieser Art. Und dass gerade Musikkapellen und Chöre für einen lebendigen Austausch sorgen, ebenfalls. Hervorzuheben ist die gemeinsame Begeisterung für Briefmarken. In Marling wurde mit Hilfe der Gelnhäuser Sammler eine Jugendgruppe aufgebaut und seit 1981 organisierte man abwechselnd Ausstellungen.

Eine Stadt in Hessen
Gelnhausen ist eine Stadt mit gut 23.000 Einwohnern im deutschen Bundesland Hessen. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1170 zurück, als der Stauferkaiser Friedrich Barbarossa drei kleinere Orte, von denen einer den Namen Gelnhausen trug, zu einer Stadt zusammenlegen ließ. Die Lage war verkehrsgünstig, da sich die Handelsstraße von Frankfurt am Main nach Leipzig hier mit mehreren Wegen kreuzte. Mit der Stadtgründung waren auch kaiserliche Privilegien verbunden, darunter die Befreiung von Zöllen. Für Händler wurde es so attraktiv, sich in Gelnhausen niederzulassen. Mit dem Stapelrecht der Stadt zwang man zudem durchziehende Kaufleute, ihre Waren für einen bestimmten Zeitraum auf dem örtlichen Stapelplatz zu lagern und anzubieten. Weil sich dadurch der Preis für die fremden Waren erhöhte, kam dies den örtlichen Händlern zugute. Kauften sich die Wanderhändler hingegen von dieser Verpflichtung frei, füllte dies die Kassen der Stadt zusätzlich. Dem raschen Aufstieg von Gelnhausen stand nichts im Wege. Bereits zehn Jahre nach der Gründung war die Stadt Schauplatz eines bedeutenden Hoftages, auf dem Heinrich dem Löwen in Abwesenheit der Prozess gemacht wurde. Heinrich, ein Vetter Barbarossas, wurde von diesem zunächst gefördert, fiel dann aber in Ungnade und verlor sein Herzogtum Sachsen.

Ein Kaiser auf Reisen
Die Verbindung Gelnhausens zu Friedrich Barbarossa führte dazu, dass sich die Stadt neben vier weiteren Orten seit 1978 offiziell Barbarossa-Stadt nennen darf. Da das Heilige Römische Reich keine Hauptstadt besaß und die Kaiser meist von Ort zu Ort zogen, benötigten sie und ihre Begleiter Wohnstützpunkte, sogenannte Pfalzen. Die Kaiserpfalz in Gelnhausen, die Barbarossa-Burg, stammt ebenfalls aus der Gründungszeit und gilt heute, obwohl eine Ruine, als besterhaltene Kaiserpfalz aus der Stauferzeit mit nahezu ausschließlich originaler Bausubstanz. Für die Geschichte Gelnhausens ist der rotbärtige Friedrich eine zentrale Figur. Dass die Städteplaner ihm daher eine Straße gewidmet und dafür eine der Hauptstraßen durch den Ort ausgewählt haben, verwundert wenig. Wer die Barbarossastraße entlangfährt und rechts abbiegt, gelangt in die Burgstraße und trifft schließlich auf die genannte Pfalz. Wer hingegen etwas weiter fährt und einen kleineren, steilen Weg links sucht, der kommt in den Marlinger Weg – benannt nach der Südtiroler Partnergemeinde. Doch zurück zu Marling selbst: Da 1980 zum 800. Jubiläum des Gelnhäuser Hoftages eine Sonderbriefmarke mit Barbarossa erschien und im Jahr darauf die erste gemeinsame Briefmarkenausstellung in Marling stattfand, war der Stauferkaiser zumindest auf Papier dort.
Christian Zelger