Der König ist tot, es lebe der König! Das gilt wohl auch für den Papst. Und so richtete sich nach der Beisetzung von Papst Franziskus die gesamte Aufmerksamkeit auf die Wahl seines Nachfolgers.
In Erwartung des Konklave-Beginns entwarfen die Medien Szenarien, stellten Vermutungen an, diskutierten über kirchenpolitische Strömungen und mögliche Bündnisse und schwärmten für diesen oder jenen Kardinal.
Auch PolitikerInnen beteiligten sich an der Papstlotterie. Es ist kein Geheimnis, dass im Partito Democratico mehrfach der Name von Kardinal Zuppi fiel, der mit seinem Engagement für die Ärmsten und für die MigrantInnen politisch auf ihrer Linie gewesen wäre. Bei Fratelli d’Italia hingegen galt die Präferenz dem Erzbischof von Florenz, Giuseppe Betori, einem langjährigen Kritiker von Papst Franziskus in Migrationsfragen. Die großen italienischen Tageszeitungen widmeten dem Geschehen im Vatikan ganze Sonderseiten mit Tabellen möglicher Kandidaten. So als handle es sich um eine Präsidentschaftswahl oder um die Bildung einer neuen Regierung.
Wie so oft wurde das klassische Bild dargestellt: auf der einen Seite die Traditionalisten, auf der anderen die Reformer, angeführt von den „Bergoglianern“, die jedoch selbst in zahlreiche Unterströmungen zersplittert waren.
Unmittelbar auf die ersten Abstimmungen folgten Auswertungen und Kommentare: „Das ist nur ein vorläufiger Rauch“, „die Basis ist gespalten“, „man sucht einen Kompromiss zwischen Innovation und Tradition“. Und natürlich fehlten auch jene nicht, die behaupteten, sollte der weiße Rauch bereits vor der vierten Abstimmung aufsteigen, sei das ein untrügliches Zeichen dafür, dass es ein italienischer Papst werde.
Dann stieg der weiße Rauch wirklich auf und alles kam anders als erwartet. Weder der Name noch die Ausrichtung des neuen Pontifikats entsprachen den Prognosen. Leo XIV. rückte die globale Herausforderung der künstlichen Intelligenz in den Mittelpunkt, so wie einst Leo XIII. im 19. Jahrhundert auf die industrielle Revolution reagierte.
Ein Schritt, der das Spielfeld grundlegend verändert und zeigt, dass die Kirche sich nicht der kurzfristigen Logik der italienischen Politik unterwirft.
Und genau das ist letztlich das Faszinierende. In einer Welt, in der Meinungen, Umfragen und politische Manöver den Takt vorgeben, ist es tröstlich zu wissen, dass sich die Institution der katholischen Kirche diesen Spielregeln entzieht. In diesem Fall darf man mit Fug und Recht sagen: „Gott sei Dank.“