Zum 90. Geburtstag von Karl Lobis
Karl Lobis gehört zu jener Generation, deren Lebensweg eng mit den bedeutenden Umbrüchen des 20. Jahrhunderts verbunden ist. Geboren 1935 in Klausen als neuntes von zwölf Kindern, wuchs er in einer bäuerlichen Großfamilie auf, in der jedes Kind schon früh Verantwortung übernehmen musste. In schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und einem von Armut geprägten Umfeld erlebte Karl nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch politische Umwälzungen und die damit verbundenen Herausforderungen. Trotz dieser Widrigkeiten entwickelte sich sein Leben zu einer Erfolgsgeschichte, getragen von Tatkraft, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein.
Der Vater von Karl Lobis hatte den Weishof oberhalb von Klausen gekauft, der aufgrund seines steinigen, unwirtschaftlichen Geländes den wenig schmeichelhaften Namen „Steinhof“ trug. Dennoch bot dieser Hof der Familie ein Zuhause und eine Lebensgrundlage, auch wenn er mit vielen Schwierigkeiten und Entbehrungen verbunden war.
Die Schulzeit von Karl Lobis war geprägt von der politischen und sozialen Situation der Zeit. Einerseits besuchte er die sogenannte „Katakombenschule“, der geheime deutsche Unterricht während der faschistischen Italianisierungspolitik. Südtiroler Lehrer widersetzten sich dem Verbot und unterrichteten heimlich in Stuben und Ställen. Andererseits saß Karl auch in den Bänken der italienischen Regelschule, in der nicht seine Muttersprache, sondern Mussolinis Ideologie vermittelt wurde – ein Spagat, der für ihn und viele seiner Generation prägend blieb.
Krieg, Verlust und frühe Verantwortung
Mitten im Zweiten Weltkrieg erlebte der junge Karl dramatische Szenen in seinem Heimatort. 1943 sah er mit eigenen Augen, wie eine italienische Alpinieinheit, die auf dem elterlichen Hof kampierte, verhaftet und deportiert wurde. Sehr gut erinnert er sich an die deutschen Truppen, die im September 1943 über den Brenner ins Eisacktal marschierten – ein Bild, das sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt hat. Besonders eindrucksvoll blieb ihm der Besuch von Hermann Göring, der 1943 im Gasthof „Zur Traube“ in Klausen nächtigte – eine Begegnung mit der großen, dunklen Geschichte, unmittelbar vor der Haustür. Zwei ältere Brüder von Karl wurden an die Front geschickt, ebenso der Vater. Die Familie, in vielem Außenseiter im Dorf – sogenannte „Dableiber“, also Südtiroler, die sich nicht für die Auswanderung ins Deutsche Reich entschieden hatten – war trotzdem nicht von den militärischen Verpflichtungen ausgenommen. Karl selbst musste mit dreizehn Jahren die Schule verlassen und zu Verwandten nach Klausen ziehen, wo er im Lebensmittelgeschäft arbeitete – die ersten drei Jahre ohne Lohn, dann für einen Hungerlohn, aber mit Kost und Logis. Es war eine Zeit der Entbehrung – und doch auch der Prägung.
Aufbruch nach Meran
Mit 18 Jahren wagte Karl einen entscheidenden Schritt: Er folgte einem Freund nach Meran. Dieser Schritt veränderte sein Leben. Unter den Lauben fand er Arbeit als Verkäufer. Er wohnte bescheiden im Gesellenhaus in der Postgasse, aber er fand seinen Platz in der Stadt. Bald wechselte er zur Athesia, wo er sich hocharbeitete und schließlich die Papierabteilung leitete. Über zwanzig Jahre blieb er bei Athesia – eine Zeit, in der er das Handwerk des Papierhandels in all seinen Facetten lernte.
1979 wagte Karl schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete sein eigenes Unternehmen: die „Tyrolia“, ein Fachgeschäft für Papier- und Bürobedarf. Das Unternehmen machte sich schnell einen Namen, unter anderem durch Karl Lobis’ unternehmerischen Weitblick. Er ließ als einer der ersten Steuerformulare und IVA-Register zweisprachig drucken, was ihm den Ruf eines Vordenkers einbrachte. „Ich habe immer gewusst, was gebraucht wird“, sagt er rückblickend.
Privates Glück und Schicksalsschläge
Privat fand Karl Lobis ebenfalls das Glück. Er heiratete Rosa Rechenmacher, mit der er drei Kinder bekam. Doch das Schicksal schlug zu: Rosa starb plötzlich, und ihre Abwesenheit hinterließ eine tiefe Lücke. Doch Karl ging nicht auf in der Trauer – er zog weiter und baute sich ein neues Leben auf. Eine zweite Ehe mit Barbara Blasbichler brachte zwei weitere Kinder, und erneut füllte sich das Haus mit Leben. Neben seinem unternehmerischen Erfolg engagierte sich Karl auch im sozialen Bereich: Er war Mitglied im Landesbeirat für Volkswohnbau und Mitbegründer und Obmann der Wohnbaugenossenschaft St. Nikolaus, die 84 Wohnungen in der Vogelweiderstraße errichtete. Neben all dem war Karl auch Musiker: Er spielte Tuba – zunächst bei der Vereinskapelle/Stadtkapelle Meran und später viele Jahre bei der Untermaiser Bürgerkapelle. Letztere überraschte ihn zum 90. Geburtstag mit einem Ständchen vor seinem Haus – und Karl Lobis spielte bei drei Märschen auf seiner Tuba mit. Ein emotionaler Moment, in dem Musik und Erinnerung, Dankbarkeit und Gemeinschaft zusammenkamen. Auch politisch engagierte sich Karl Lobis: In den 60er Jahren war er drei Jahre lang Vizeobmann der SVP Meran-Stadt, eine Stimme der Meraner Arbeiterschicht. Heute, mit 90 Jahren, blickt Karl Lobis auf ein Leben zurück, das von harter Arbeit, klugen Entscheidungen und einem feinen Gespür für den richtigen Moment geprägt war.