Zu den Erdpyramiden von Steinegg
23. Mai 2024
Die Mutter der Gemeinde
12. Juni 2024
Alle anzeigen

Beliebter Blondschopf

Wir wollen keinen Streit vom Zaun brechen. Jetzt ist Zeit zum Feiern, denn „Südtirols Kulturgut“, der Haflinger, wird 150 Jahre alt. „Seinen Ursprung hat das Haflinger Pferd auf dem Tschögglberg“, so steht es auf den Webseiten des Tourismusvereins Mölten. Dabei hat alles in Schluderns im oberen Vinschgau angefangen.
von Josef Prantl

Im Stall von Josef Folie wird 1874 auf dem Garberhof ein Hengstfohlen geboren, das sein Züchter nach sich benennt: „Folie 249“. Josef Folie hatte damals keine Ahnung, dass der Tschögglberg bald Ansprüche auf seine Züchtung erheben würde und die neue Rasse auf „Haflinger“ getauft werden würde. Der Vater von „249 Folie“ ist ein Ungar, ein Araberhengst mit dem bizarren Namen „133 El Bedavi XXII“. Die Mutter ist eine hübsche galizische Landstute.
1874 kam also unser erster „Haflinger“ in Schluderns zur Welt. Und wem gehört er jetzt eigentlich: den Vinschgern oder den Tschögglbergern? Die EU hat 1992 bestätigt, dass der „Haflinger“ ein Schludernser ist. Trotzdem denken die meisten von uns bei der Burggräfler Gemeinde Hafling an den sympathischen Blondschopf.

Warum „Haflinger“?
Lange Zeit war der Vinschgau das wichtigste Pferdeaufzuchtgebiet in Tirol. Zum „Gollimorkt“ in Mals kamen Pferdehändler aus aller Herren Länder, seit Tirols Landesfürstin Claudia de Medici der Obervinschger Gemeinde 1642 das Marktrecht verliehen hat. Mit der Begradigung der Etsch von Glurns bis Laas in den 1830er Jahren wurde viel neues Wiesen- und Ackerland gewonnen. Der Verlust der Weideflächen führte dazu, dass die Pferdezucht im Vinschgau zurückging. Von da an war der Tschögglberg eine Zucht-Hochburg. So wurde der Begriff „Haflinger“ für die Pferderasse mit Schludernser Wurzeln immer gebräuchlicher. Die offizielle Rassebezeichnung wurde am 2. Mai 1898 vom k.u.k.-Ackerbauministerium festgelegt.

Geschichte einer jungen Pferderasse
Versetzen wir uns in das Leben im 19. Jahrhundert. Damals war das Pferd die Lebensgrundlage: Arbeitspferd, Wagenpferd, Trag- und Reitpferd. In Südtirol waren kleine, wendige und vor allem trittsichere Pferde gefragt, ganz besonders bei den Bauern und Pferdehändlern am Tschögglberg und in Hafling. 1904 wurde in Mölten die erste Haflinger Pfer­­dezuchtgenossenschaft gegründet. 1907 hat die Genossenschaft den Tschauffenhof gekauft und dort einen Aufzuchthof für Jungstuten eingerichtet.
Das k.u.k.-­­­­Acker­bau­ministerium hat großzügige Sub­ventionen zur Verfügung gestellt. Mit Kriegsbeginn 1914 ist die Aufbauarbeit aber schon wieder vorbei.

Schwierige Zeiten
Nach dem Krieg war die Situation für den Haflinger schwierig. Die Zeiten waren für die Pferdezucht ungünstig. Die Zucht wurde zusätzlich erschwert, da die Hengste größtenteils in Österreich geblieben waren, während sich die hochwertigen Mutterstuten in Südtirol befanden. Die faschistische Regierung förderte aber die Haflingerzucht. Es gibt Hinweise darauf, dass Mussolini selbst einen Haflinger besessen haben soll. Im Jahr 1924 wurde in Meran die „Haflinger Fördergenossenschaft“ gegründet, ein Zuchtbuch von 1929 gilt als „Ursprungszuchtbuch der Haflingerrasse in Italien“. Während des Zweiten Weltkrieges beschlagnahmte die Wehrmacht die schönsten Pferde und brachte sie außer Landes. Mit der Modernisierung der Landwirtschaft und dem Einsatz von Maschinen ab den 1960er Jahren verlor der Haflinger als Arbeitstier zunehmend an Bedeutung. Als Freizeit- und Sportpferd erfreut er sich jedoch seitdem großer Beliebtheit, nicht nur in unserem Land.

Weltweite Verbände um ein Pferd
1953 wurde der „Südtiroler Haflinger Pferdezuchtverband“ gegründet, 1971 folgte der italienische Nationalverband der Haflinger Pferdezüchter („Associazione Nazionale Allevatori Cavalli Razza Haflinger“) und 1976 wurde in Ebbs in Tirol die „Welt Haflinger Vereinigung“ gegründet. 2003 wurde nach internen Zwistigkeiten schließlich in Bozen der „Europäische Verband der Haflinger Pferdezüchter“ gegründet. Es gab nämlich immer mehr Streit zwischen den Züchtern aus Nord- und Südtirol. Beigelegt wurde er 2013 mit der Gründung der „Welt-Zucht- und Sportvereinigung“ mit Sitz in Bozen. In Südtirol gibt es heute rund 3100 Haflinger. Einer, der davon etwas versteht, ist Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen. Er ist Vizepräsident der „Haflinger Welt-Zucht-Sportvereinigung“. Und er trat beim großen Haflinger Festival vom 31. Mai bis 2. Juni in Schluderns auf.

Dreitägiges Jubiläumsfest in Schluderns
Heuer feiern wir das 150-Jahr-Jubiläum der Haflingerrasse. Dazu ging es zurück zu den Wurzeln, genauer gesagt, nach Schluderns, wo der Stammvater „249 Folie“ geboren wurde. Drei Tage standen ganz im Zeichen des Haflingers, unter anderem auch mit einem Haflinger Weltkongress.
Der Haflinger wird zwar erst seit etwas mehr als 100 Jahren gezielt gezüchtet, ist aber trotzdem eine der bekanntesten Pferderassen weltweit. Er ist in ganz Europa zu Hause, aber auch in Amerika, Australien und sogar im südlichen Asien und Afrika. Die weite Verbreitung des Haflingers zeigt, dass dieses einzigartige Pferd in Aussehen und Charakter sehr beliebt ist.

 

Südtirols sympathischer Botschafter in der Welt

Herr Canins, wem gehört er nun, der Haflinger: den Vinschgern oder den Tschögglbergern?
Manfred Canins: Der Stammvater des Haflingers mit dem Namen Folie 249 wurde 1874 in Schluderns geboren. Zu dieser Zeit spielten Pferde in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle, vor allem am Tschögglberg, hauptsächlich in Hafling. Die offizielle Rassebezeichnung „Haflinger“ erfolgte am 2. Mai 1898 mit Erlass des k.u.k. Ackerbauministeriums, Hafling wurde zum Namensgeber. Bereits 6 Jahre später wurde in Mölten die historisch erste offiziell anerkannte „Haflinger Pferdezuchtgenossenschaft“ gegründet. Der Haflinger gehört allen, die ihn lieben.

Am letzten Maiwochenende wurde 150 Jahre Haflingerzucht in Südtirol gefeiert. Was waren die Höhepunkte des dreitägigen Festes?
Es gab viele Höhepunkte. Allein die Tatsache, dass 149 Züchter rund 240 Pferde ausgestellt haben, sagt alles. Die Landesschau hat die Ergebnisse der langjährigen Zucht unterstrichen. Die Qualität war hoch. Erwähnenswert ist auch die internationale Präsenz von Haflingerzuchtverbänden aus Australien, UK, Kanada, USA und Mitteleuropa. Das Interesse an der Südtiroler Zucht als Ursprungsgebiet ist sehr hoch. Der Festumzug war durch die große Beteiligung an Pferden, Trachten und Musikkapellen einzigartig. Auch die abendliche Historika-Show war einer der Höhepunkte, bei der die Vielseitigkeit der Pferde gezeigt wurde. Auch das Rahmenprogramm für die Kinder, die hervorragende Gastronomie … alles hat super geklappt. Ein großes Dankeschön an alle Vinschger, angefangen von der Gemeinde mit Bürgermeister Heiko Hauser, dem Organisator der Ritterspiele Mirko Stocker, der Tourismusregion Oberes Vinsch­gau und allen beteiligten Vereinen und freiwilligen Helfern.

Es gab sogar einen Haflinger-Weltkongress. Worum ging es dabei?
Das Thema war: „Wofür steht der Haflinger heute, was hat sich verändert und warum?“ Der Haflinger ist als robustes Gebirgs- und Arbeitspferd entstanden. Zweifelsohne ein spannendes Thema, das im Rahmen des Haflinger Weltkongresses am 1. Juni in Schluderns in einer wirklich vielseitigen Runde diskutiert wurde. Denn so vielfältig der Haflinger ist, so vielfältig sind auch die Menschen, die sich mit ihm beschäftigen. Jeder mit seinem eigenen Zugang: über die Geschichte, die Zucht, den Sport, die Familientradition, die Wissenschaft oder den eigenen Reit- und Zuchtbetrieb. Ob in Südtirol/Italien, Österreich, Deutschland oder Australien.

Wie hat sich die Haflingerzucht in den letzten 150 Jahren verändert?
Eine besondere Herausforderung für die Rasse waren die beiden Weltkriege, denn vor dem Anschluss Südtirols an Italien stand auch unsere Haflingerzucht unter dem Einfluss der k.u.k. Monarchie. Der Haflinger als Rasse wurde in den letzten 150 Jahren mehr­mals den Anforderungen entsprechend umgezüchtet: vom Kriegspferd über das Arbeitspferd am Hof und im Wald bis hin zum Freizeitpferd der heutigen Zeit. Wir sind sehr stolz auf unsere Rasse, deren Ursprung wir genau kennen und wissen, wo der Begründer der Rasse geboren wurde. Die Entwicklung des Haflingers in Südtirol hat mit der Gründung unseres Zuchtverbandes im Jahre 1954 richtig begonnen. Mehrere Neuorientierungen in der Zucht führten zu einem starken Rückgang des Haflingerbestandes, zuletzt als die Mechanisierung in den landwirtschaftlichen Betrieben voll einsetzte. Der größte Erfolg des Haflingers ist sein Fortbestand, denn wie in den Anfängen erfreut er sich auch heute noch großer Beliebtheit.

Und welche Grundsätze gelten heute?
Das Zuchtziel ist ein mittelgroßes, charakterstarkes, freundliches und zuverlässiges Freizeitpferd, das sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet ist. Besonders beliebt ist unser Haf­linger bei Familien und Kindern. Unser Haflinger ist ein hübsches Pferd mit viel Ausstrahlung, goldener Fuchsfarbe und seidig weißer Mähne. Der Rassetyp des Südtiroler Haflingers hat seine besondere Ausstrahlung, die weithin bekannt ist.

Spielt Südtirol in der Haflingerzucht überhaupt noch eine Rolle?
Man kann sagen, dass sich die Zuchtziele anderer Länder an unseren Vorgaben als Ursprungszuchtgebiet orientieren; 150 Jahre stehen für Kompetenz, Qualität und Garantie. Sie unterscheiden sich daher nur unwesentlich von unseren Zuchtzielen. Natürlich steht es den anerkannten Zuchtorganisationen frei, unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen.

Abschließend: Wie sieht die Zukunft des Haflingers aus?
Ich gehe davon aus, dass der Haflinger weiterhin eine Zukunft hat. Wir sehen das am Interesse der Jugend. Bei jeder Vorstandssitzung werden neue junge Mitglieder aufgenommen. Auf den Schauen sind viele junge Züchter mit viel Motivation und Freude vertreten. In dieser schnelllebigen und oberflächlichen Gesellschaft, wo das Leben oft hektisch sein kann, ist es wichtig, den Fortbestand der Pferdezucht zu sichern, weil sie Menschen verbindet, Auszeiten ermöglicht und das Gemeinschaftsgefühl stärkt.