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Magdalena Strohmer – Geburtstag einer Pionierin

Magdalena Strohmer, „Leni“ wie sie von ihren Freunden und Bekannten in der SEGEM (SEniorInnen GEmeinschaft Meran) genannt wird, hat kürzlich einen besonderen Meilenstein erreicht: Sie feierte ihren 90sten Geburtstag.

Um dieses Ereignis gemeinsam zu feiern, lud sie alle Vereinsmitglieder von SEGEM zu einem Umtrunk zu sich ein. Mit ihrem warmen Lächeln und ihren stets aufmunternden Worten erobert sie die Herzen aller, die ihr begegnen. Sie ist eine Frau von großer Herzlichkeit und Einfühlungsvermögen und eine Quelle der Inspiration. Ihre Liebe zur Kunst und ihre Offenheit für alles Neue machen sie zu einer faszinierenden Gesprächspartnerin. Beim wöchentlichen Stammtisch denkt sie mit, bringt sich ein, und scheut sich auch nicht, kritische Anmerkungen zu machen, wenn es angebracht ist. Genauso großzügig ist sie jedoch mit Lob für gelungene Projekte und Ideen. Leni gehört zu den Allroundern im Verein, sie ist bei allen Aktivitäten dabei, sei es beim Turnen, bei Ausflügen, bei kulturellen Veranstaltungen, bei der Vorbereitung von Vereinsfesten, überall legt sie gewissenhaft und fleißig Hand an. Ihre besondere Leidenschaft gilt der Kunst, wo sie durch ihr ästhetisches Empfinden, ihr Wissen und ihre Begeisterung für alles Schöne auffällt.

Lenis Kindheit und Jugend
In einer Zeit, in der Tradition und Veränderung aufeinander prallten, fand Leni Strohmer ihren Weg. Als zweites von sechs Kindern wuchs sie in einer Großfamilie auf. Ihre Eltern, die Anfang des vorigen Jahrhunderts nach Meran gekommen waren, eröffneten eine Metzgerei, die bald zu den angesehensten der Stadt gehörte. Die Familie wohnte im Baumgartnerhaus, wo heute die Zentralapotheke steht. Von den politischen Wirren der Zeit blieb auch die Familie nicht verschont: Der Vater wäre gerne nach Lu­xemburg ausgewandert, eine schöne Metzgerei war ihm in Aussicht gestellt worden. Die Mut­ter war von diesem Entschluss gar nicht begeistert und war froh, als es dank bürokratischer Hürden nicht zur Auswanderung kam. Lenis schulische Laufbahn begann in der Volksschule am Sandplatz bei den Englischen Fräulein, wo sie nach den Bestimmungen der Lex Gentile in italienischer Sprache unterrichtet wurde. Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem in Südtirol einschneidende Veränderungen im schulischen Bereich mit sich: Zuerst den Unterricht in italienischer Sprache, nachmittags Deutschunterricht, dann, ab 1940 durften Optantenkinder in deutscher Sprache unterrichtet werden, ab 1943 wurde schließlich Deutsch als offizielle Unterrichtssprache in der Operationszone Alpenvorland zugelassen. Lenis Bildungsweg spiegelt nicht nur die Vielfalt der Sprachen und Kulturen wider, sondern auch die tiefgreifenden Veränderungen, die unser Land und unsere Stadt durchlebt haben. Trotz all dieser Umbrüche hat sie sich ihre Neugier und ihre Liebe zur Bildung bewahrt, Eigenschaften, die sie zu einer bemerkenswerten Persönlichkeit machen. Inmitten der Wirren der Zeit erwies sich die Schule bei den Englischen Fräulein als ein Ort der Ruhe und Beständigkeit, und Leni profitierte davon. Nach der Volksschule besuchte sie die Bürgerschule und trat anschließend in den elterlichen Betrieb ein. Ihre Leidenschaft für das Schöne und die Kunst – sie fühlte sich schon immer zur Architektur hingezogen – blieb ungebrochen. Ihre Erfahrung zeigt einmal mehr, dass Bildung nicht nur in formalen Institutionen stattfindet, sondern auch durch die Werte, die in der Familie und im Umfeld vermittelt werden. Auch wenn äußere Umstände die persönlichen Pläne verändern, kann die Prägung durch Bildung zu einer lebenslangen Inspiration werden.

Leni Strohmer vorne 1. von rechts

Solidarität und Menschlichkeit
Leni ist eine Frau mit einer außergewöhnlichen Herzensbildung, die ihr insbesondere von ihrer Mutter in die Wiege gelegt wurde. Diese ethischen Wer­te manifestierten sich besonders stark in ihrem Handeln und in ihrem Mitgefühl, vor allem in schwierigen Zeiten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit fuhr Leni fast täglich mit dem Fahrrad in das Gefangenenlager, in dem die deutschen Soldaten untergebracht waren. Bewaffnet mit selbstgemachtem Kartoffelsalat, brachte sie den Gefangenen eine Mahlzeit, die sie in den Wirren und Entbehrungen des Krieges sicher sehr vermisst hatten. Ihre Augen leuchten noch heute, wenn sie sich daran erinnert, wie sich die Männer im Lager über den Kartoffelsalat freuten. Nach Jahren der Entbehrung und des Mangels war diese Geste für sie von unschätzbarem Wert. Es war mehr als nur Nahrung, es war die Erfahrung von Menschlichkeit und Solidarität, die selbst in den dunkelsten Zeiten des Krieges nicht verloren gegangen waren. Die Geschichte von Leni und ihrem Einsatz für die Soldaten ist ein bewegendes Beispiel für die Kraft des Mitgefühls und der Solidarität, die selbst in den schwierigsten Zeiten zum Ausdruck kommt. Ihre Taten sind ein Vermächtnis an eine Zeit, in der die Werte der Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft über den Gräueln des Krieges standen.

Lenis und Alfreds Traum
Auf einem Hausball im Hotel Europa Splendid lernte Leni ihren späteren Ehemann Alfred Strohmer kennen. Alfred, dessen Familie bereits im Hotelwesen Geschichte geschrieben hatte, war nach den Kriegswirren von Opatija über Abano nach Meran gekommen. Im Jahr 1950 erwarb die Familie Strohmer das Hotel Splendid Corso e Cafè Europa, wie es damals noch hieß. Die Begegnung von Leni und Alfred war geprägt von Entschlossenheit, Leidenschaft für den Beruf und gemeinsamen Träumen. Leni hatte sich – vor der Hochzeit – zwei Jahre lang im renommierten Hotel Montana in Luzern intensiv auf ihre zukünftige Rolle vorbereitet. 1958 wurde der Bund fürs Leben geschlossen. Aus der Ehe gingen 4 Kinder hervor, 1 Mädchen und 3 Buben. Der gemeinsame Weg von Leni und Alfred war geprägt von harter Arbeit, gegenseitigem Respekt und einer tiefen Verbundenheit, die sie durch alle Höhen und Tiefen des Lebens begleitete. Das Hotel Europa Splendid wurde zum Symbol ihrer gemeinsamen Vision. Mit ihrer Arbeit und ihrer Hingabe trugen sie dazu bei, das Erbe ihrer Familie fortzuführen und den Glanz des Hotel Europa Splendid für zukünftige Generationen zu bewahren. Die Geschichte von Leni und Alfred ist nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch eine Hommage an die Kraft der Entschlossenheit und an die Magie des Schicksals, die zwei Menschen auf unvorhersehbare Weise zusammenführt. Die 50er Jahre waren die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, Leni und Alfred Strohmer setzten alles daran, das Gastgewerbe wieder zu beleben. Die Erinnerung an die Schrecken des Krieges verblasste allmählich und die Menschen konnten sich wieder am Reisen und am Urlaub erfreuen. Die Ansprüche für heutige Verhältnisse waren bescheiden. Die Zimmer waren einfach eingerichtet, Toiletten und Duschen befanden sich auf dem Flur. Die Gäste blieben meist über einen längeren Zeitraum und genossen die Herzlichkeit und das persönliche Verhältnis, das im Laufe der Zeit mit den Gastgebern zustande kam. Die Gewinnspanne war im Vergleich zu heute deutlich geringer. Leni und ihr Mann arbeiteten jeden Tag zielstrebig am Erfolg ihres Hauses. Keine leichte Aufgabe. Auch weil der Tourismus damals saisonal bedingt war. Anfang der 70er Jahre stand die Renovierung des Hauses an, die viel Arbeit und hohe Investitionen erforderte. Nasszellen mussten in die Zimmer eingebaut werden, um den wachsenden Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden. Heute erstrahlt das Hotel Europa Splendid, nach einer weiteren umfassenden Renovierung außen wie innen, in neuem Glanz und ist eine der ersten Adressen in Meran. Die Jugendstilfassade des Hotels am Theaterplatz erstrahlt in altem Glanz und ist zum Symbol für das Engagement der Familie geworden, die mit Stolz das Erbe des Hauses bewahrt. Diese Geschichte erinnert uns daran, dass Erfolg nicht nur am finanziellen Gewinn gemessen wird, sondern auch an dem Einfluss, die wir auf die Menschen und die Orte um uns herum haben. Leni und Alfred Strohmer hinterlassen ein Erbe, das weit über die Grenzen ihres Hotels hinausreicht und Tourismusgeschichte geschrieben hat.

Leni Strohmer (l) mit SEGEM-Präsidentin Marlene Preims

Lenis künstlerische Reise
Als sie sich von einer Hüftoperation erholte begann sie, ihre Zeit und Energie der Malerei zu widmen. Während dieser Genesungsphase fand sie den Weg zu einem Malkurs unter der Leitung von Professor Baldessarelli, einem renommierten Künstler und Lehrer. Unter der Anleitung von Baldessarelli entdeckte sie die Welt der Aquarellmalerei. Mit jedem Pinselstrich lernte sie, die subtilen Nuancen von Farben und Licht einzufangen und auf dem Papier zum Leben zu erwecken. Was als Ablenkung von den Herausforderungen der Genesung begann, entwickelte sich schnell zu einer tiefen Leidenschaft und zum Ausdruck ihrer künstlerischen Begabung. Mit der Zeit entwickelte sich Leni zu einer talentierten Freizeitmalerin, die ihre Gefühle und Gedanken durch die Sprache der Farben auszudrücken vermag. Ihre Bilder strahlen eine besondere Lebendigkeit und Authentizität aus, die den Betrachter berührt. Lenis Geschichte ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Kreativität und persönliches Wachstum auch in schwierigen Zeiten möglich sind. Ihre Leidenschaft für die Malerei hat ihre Genesung unterstützt, ihre Seele belebt und ihre künstlerische Seite zum Vorschein gebracht. In einer Welt, die von Hektik und Stress geprägt ist, erinnert uns ihre Geschichte an die transformative Kraft der Kunst, die unsere Sinne weckt und uns auf eine Reise der Selbstfindung mitnimmt.

Rückblick
Es war ein gemütliches Beisammensein mit vielen herzlichen Gesprächen und Erinnerungen an alte Zeiten. Jeder wusste viel zu erzählen, natürlich auch von den Kindern und Enkelkindern, von den kleinen Sorgen und Wehwehchen des Alltags. Drei von Lenis Kindern sind übrigens in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten und haben sich dem Hotelgewerbe verschrieben. Diese Entscheidung zeugt von einem starken Familienzusammenhalt und einer gemeinsamen Leidenschaft für die Gastfreundschaft. Für die SEGEM-Mitglieder waren es Stunden des gemeinsamen Feierns und Genießens, die allen Anwesenden sichtlich gut getan haben. Für Leni und uns von der SEGEM war es mehr als nur ein gemütlicher Nachmittag, es war ein Moment in dem wir spüren durften, dass die wahren Schätze des Lebens in den kostbaren Momenten der Verbundenheit liegen.

Rosa Maria Mitterstainer