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Durch alle Wirrnisse der Zeit

In seiner neuesten Hof- und Familiengeschichte geht Veit Pamer den Spuren des Rösslhofes in Riffian nach.

Wie es den Menschen auf den Höfen bei uns erging, wie sie lebten und arbeiteten, davon berichten anschaulich die Hofgeschichten, denen sich Veit Pamer seit über einem Jahrzehnt widmet.
Die Geschichte von mehr als 20 Höfen aus dem Passeiertal und dem Burggrafenamt hat der Historiker, Chorleiter und ehemalige Oberschullehrer bereits erforscht. Kürzlich stellte er sein neuestes Buch über den jahrhundertalten Rösslhof in Riffian vor. Der Erbhof thront förmlich wie ein Wahrzeichen und einem Schildhof ähnlich oberhalb der Marienwallfahrtskirche in Riffian. Das denkmalgeschützte Haus ist über 500 Jahre alt und seit Generationen in Besitz der Familie Erb. Auffallend ist, so fand Pamer heraus, dass bei diesem Hof mehrere Frauen zum Erhalt und Fortbestand beitrugen. Rosina Sonnenburger zum Beispiel kaufte 1747 den Hof und vererbte ihn ihrer ältesten Tochter. „Diese heiratete Paul Erb und wurde damit die Stammutter der Erb am Rössl“, berichtet Veit Pamer bei der Buchvorstellung im Raiffeisensaal in Riffian. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes habe sie dann fast 60 Jahre lang den Hof geführt.

Veit Pamer (l), Anita und Michael Erb

Als eine bedeutende Tirolensie, die uns heute einen Blick in den bäuerlichen Alltag durch die Wirrnisse der Zeit ermöglicht, würdigte Franz Pahl das Buch. Der langjährige Landtagsabgeordnete wies darauf hin, dass die Bauernhöfe bis heute Bewahrer des kulturellen Erbes in unseren Dörfern und Gemeinden seien. Heute bewirtschaften Michael Erb und seine Frau Anita in der 8. Generation den Rössl. Ihnen war es ein Anliegen, dass die vielen alten Urkunden aus dem Familienarchiv fachkundig aufgearbeitet werden. Die älteste darunter geht auf das Jahr 1669 zurück und beinhaltet einen sogenannten „Vergleich“ von „Hanns“ Waid, eine Art Regelung von Ein- und Durchfahrten zwischen zwei Höfen.
Hans Waid entstammte einem Adels­geschlecht in Kaltern und ist Anfang der 1650er Jahre nach Meran gekommen. Er war viermal Bürgermeister der Stadt und sechsmal Richter am Landgericht, „denn damals wurden diese Ämter alljährlich gewählt“, wie Veit Pamer den zahlreichen Interessierten bei der Buchvorstellung im Raiffeisensaal von Riffian erklärte. Mehrfach wechselten im 18. Jahrhundert die Besitzer, bis der Rössl 1756 an die Familie Erb ging. Auffallend viele „Michael“ gibt es in den kommenden acht Generationen bis heute, fiel Pamer auf. Der Rösslbauer Michael (1880 – 1973) machte sich als sogenannter „Bauerndoktor“ weitum einen Namen. Als Sanitäter in der Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg eignete er sich das nötige Wissen an und half später vielen Kranken, die auf den Hof kamen, versorgte schwer heilende Wunden, zog Zähne, führte Ohrenreinigungen durch. Ein besonderes Schicksal ereilte drei seiner Söhne, die sich im Zweiten Weltkrieg aus den Augen verloren, in amerikanische Kriegsgefangenschaft gerieten und sich nach ihrer Freilassung unerwartet in den USA bei Verwandten erstmals wiedertrafen. Passendes Liedgut, darunter Brahms „Trab, Rösslein, trab“, trugt der Burggräfler Singkreis in Riffian vor. Merans Dekan Hans Pamer und Musiklehrer Manfred Egger begleiteten Veit Pamer bei einem Zitherterzett auf der Gitarre. Zahlreiche Ehrengäste waren zur Vorstellung gekommen, darunter Tirols Pfarrer Edmund Ungerer, die Bürgermeister von Riffian und Algund, Franz Pixner und Ulrich Gamper, sowie Riffians Ortschronist Sepp Pircher.