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Burg Hochnaturns und ihre Besitzer

Von der Anlage her ist Hochnaturns eine Burg. Da man darauf aber meist angenehm gelebt hat, wird sie auch als Schloss bezeichnet. Die Liste der Lehensnehmer, Besitzer, Pächter und Bewohner liest sich wie ein Streifzug durch die Tiroler Geschichte.
Die heutige Anlage der Burg Hochnaturns am Hang des Sonnenbergs geht wohl auf das 12. oder frühe 13. Jahrhundert zurück und dürfte aus einem romanischen Wohnturm entstanden sein. 1312 wird die Burg erstmals urkundlich erwähnt. Als Erbauer gelten die Herren von Naturns, die als Ministeriale der Grafen von Tirol Verwaltungsaufgaben für diese übernahmen. In den folgenden Jahrhunderten geriet die Burg in einen Strudel von Erbstreitigkeiten, Prozessen und Belehnungen. Auf die Naturnser folgten die Herren von Maretsch und dann von Völs. Auch diese hielten sich nicht lange auf der Burg auf, denn bereits 1538 erscheint eine Familie von Tschötsch. In jenem Jahr wurde das Anwesen durch einen Brand großteils zerstört. Abundus von Tschötsch widmete sich dem Wiederaufbau, der dreißig Jahre später abgeschlossen war. Damals wurde auch das Reformatorenzimmer eingerichtet, in dem Bilder von Jan Hus, Martin Luther, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin zu sehen sind. Im später „heilig“ genannten und katholischen Tirol ein Frevel, denn eine Sage erzählt, dass eben dieser Abundus in der Nähe des Schlosses tödlich verunglückte und sich als Strafe für sein Leben ohne „wahren Glauben“ in einen schwarzen Hund verwandelte.

Erneut wechselhaft
Fünf Jahre vor seinem Tod wurde das Lehen ein freies Eigentum. Abundus von Tschötsch hatte dem Lehensherrn dafür 1.500 Gulden bezahlt. Seine Familie hatte nicht mehr viel davon. Enkelin Dorothea war mit Andreas Fieger von Friedberg verehelicht, was zu einem weiteren Besitzerwechsel führte. Immerhin bleiben die Fieger fast zweieinhalb Jahrhunderte – in der Geschichte von Hochnaturns die wohl längste durchgehende Zeit. Anfang des 19. Jahrhunderts sterben die von Friedberg dann im Mannesstamm aus. Zwischendurch gab es sogar bäuerliche Besitzer und die Räumlichkeiten wurden als Armenhaus genutzt. Gottfried Georg Haas lebte 18 Jahre lang auf der Burg und, so als würde sich die Geschichte wiederholen, wurde gegen den „Zugereisten“ und Protestanten so lange intrigiert, bis dieser entnervt das Handtuch warf. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erwarb August Kleeberg aus Frankfurt die Burg.

Heimatforscher und Schriftsteller
Kleeberg wurde 1871 geboren. Er war Vorstandsmitglied einer Versicherungsgesellschaft in Berlin und wanderte wie sein Vorgänger als Tourist gerne durch das Burggrafenamt. So entstand der Wunsch, sich hier niederzulassen. Der gebürtige Hesse beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte seiner Wahlheimat. Doch die ersten Jahre waren schwierig. Die leerstehende Burg diente durchziehenden Frontkämpfern zur Marschunterbrechung. Gleichzeitig wurde sie als Kranken- und Erholungsheim genutzt. Das hinterließ Spuren – u.a. wurden die gotischen Sitzbänke im Reformatorenzimmer zum Heizen verwendet. Nach der Enteignung durch die Faschisten wurde Kleeberg 1927 italienischer Staatsbürger und kaufte das Schloss zurück. Endlich konnte er mit der Restaurierung beginnen, die viel Zeit und Geld in Anspruch nahm. Im Burgenzimmer ließ er alle Burgen des Tales an die Wände malen, heute eine wertvolle Dokumentation. Durch die Option in Südtirol sollte auch der Reichsdeutsche Kleeberg das Land und seine liebgewonnene Burg verlassen. Vier Jahre dauerten die Verhandlungen, 1943 ging die Ära Kleeberg nach dreißig Jahren zu Ende. Er gilt als Entdecker der Fresken in der St.-Prokolus-Kirche und hat darüber geschrieben, wie auch zu anderen kulturhistorischen Themen. Er starb 1957 in Algund und hinterließ seine Frau Hedwig Westphal. Nach ihm wurde – im Unterschied zu anderen Besitzern der Burg – eine Straße in Naturns benannt. Sie führt von der Hauptstraße in Richtung Etsch und auch an der Residence Kleeberg vorbei.

Christian Zelger