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Trauer um Giorgio Napolitano

In einem der schwierigsten Momente der Italienischen Republik wurde Giorgio Napolitano zum Rettungsanker der Nation. Seither nannten ihn die ItalienerInnen liebevoll „Re Giorgio“.
Am 11. November 2011 rief er Silvio Berlusconi in den Quirinal. Er fragte ihn, ob seine Regierung noch in der Lage sei, die finanzielle Krise zu bewältigen, die über Italien hereingebrochen war. In jenen Wochen hatte der Spread 500 Punkte überschritten und das Land steuerte auf die Zahlungsunfähigkeit zu. Der Staat war nur einen Schritt davon entfernt, die Gehälter von Millionen von Staatsbediensteten nicht mehr bezahlen zu können. Berlusconi blieb eine Antwort schuldig, am nächsten Tag trat er zurück. Die politische Klasse war diskreditiert, die Welle der Anti-Politik wuchs. Giorgio Napolitano wurde zur wichtigsten Figur des Landes, zum Bezugspunkt für die von der Krise verängstigten BürgerInnen. Seine Beliebtheitswerte lagen teilweise über 80 %. Zwei Jahre später, bei den politischen Wahlen, führte das Unbehagen der BürgerInnen gegenüber den Parteien zum überraschenden Erfolg der 5-Sterne-­Be­wegung. Weder die Rechte noch die Linke hatten die nötige Zahl an ParlamentarierInnen, um die neue Regierung zu bilden und anschließend Napolitanos Nachfolger zu wählen. Die Pattsituation dauerte mehrere Wochen, bis die politischen Kräfte Napolitano anflehten, ein zweites Mandat anzunehmen und so eine institutionelle Krise zu vermeiden. Es war das erste Mal, dass ein Präsident der Republik ein zweites Mal gewählt wurde. Im Jahr 2015 trat er zurück.
Als Senator auf Lebenszeit trat er der Autonomiegruppe bei, eine Wahl, die er all die Jahre beibehalten hat. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Sonderautonomien und die sprachlichen Minderheiten. Das „Modell Südtirol“ pries er auf der ganzen Welt als Musterbeispiel für friedliche Konfliktlösungen. Für uns war seine Anwesenheit in unserer Gruppe eine große Ehre.
Nach seinem Tod am Freitag, dem 25. September, trafen Beileidsbekundungen aus der ganzen Welt ein. An seiner Beerdigung nahmen die Staatspräsidenten von Frankreich und Deutschland teil. Sogar Papst Franziskus erwies ihm in der Trauerkammer im Senat die letzte Ehre. Diese Anteilnahme bestätigt, wie groß die Wertschätzung für Napolitano war. Sein kultiviertes Auftreten, seine tadellosen Manieren und seine grenzenlose Bildung verschafften ihm einen großen Respekt. Er war ein Gentleman der alten Schule mit einer moralischen Integrität, die in der italienischen Politik nicht immer gegeben ist. Mit einem Wort: ein Staatsmann. Einer der größten in der gesamten Geschichte der Italienischen Republik.