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Schüler im Ehrenamt

Das Bild von jungen Menschen in der Öffentlichkeit ist nicht immer positiv. Sie seien konsumsüchtig, selbstverliebt, mediensüchtig, ja sogar gewalttätig. „Babygangs“ sorgten in Meran lange Zeit für Schlagzeilen, hartes Vorgehen gegen diese „Kriminellen“ wird nun von der Regierung gefordert. Wer aber genauer hinsieht, lernt eine ganz andere Seite junger Menschen kennen.
von Josef Prantl

Heranwachsende hängen nur herum und machen nichts? Stimmt gar nicht. Tatsächlich sind auch heute viele junge Menschen ehrenamtlich tätig. Und das trotz der Herausforderungen wie Schule und der immer weniger werdenden Freizeit. Ob Freiwillige Feuerwehr, Musikkappelle oder die kirchliche Jugendarbeit, Sportvereine, Naturschutzorganisationen oder Pfadfinder, ohne die ehrenamtliche Mitarbeit junger Menschen würden diese Gruppen und Vereine nicht überleben. Oft ist es auch so, dass sich Jugendliche nicht unbedingt an Vereine anschließen, sondern selbst ein bestimmtes Projekt, etwa zum Thema Tier-, Klima- oder Umweltschutz gründen. Vorbild sind dabei oft die Eltern, die selbst ehrenamtlich tätig sind.

Ein Ehrenamt bereichert die eigene Persönlichkeit
„Sich für andere einzusetzen, sich um Menschen in Not zu kümmern oder etwas für die Gemeinschaft tun – all das kann eine sehr bereichernde Erfahrung sein“, sagt Michaela Tappeiner. Die Oberschülerin (18 Jahre) engagiert sich schon seit vielen Jahren in der Jungschararbeit in Lana. „Ich habe viele schö­ne Erinnerungen an meine Jungscharzeit“, sagt sie und möchte diese Erlebnisse daher weitergeben. „Bei einem Hüttenlager die schöne Gemeinschaft zu erleben, kann sehr guttun“, ergänzt sie. An ihrer Schule singt sie auch in der Schulband mit.
Wer sich sozial engagiert, erlebt eine Selbstwirksamkeit, spürt, dass es möglich ist, im Kleinen die Gesellschaft zu verändern. Davon ist Emil Mair (18 Jahre) überzeugt. Der Marlinger spielt in der Musikkappelle Schlagzeug und ist aktiver Jugend-Feuerwehrmann. „Vie­le Dienste würden bei uns nicht funktionieren, wenn wir nicht die vielen Freiwilligen hätten“, sagt er. 6 bis 7 Stunden gehen da schon in der Woche durchschnittlich drauf. „Hast du dann überhaupt noch Freizeit?“, bekommt er manchmal gefragt. Für Emil ist der ehrenamtliche Dienst die sinnvollste Freizeitgestaltung. „Ich bin lieber aktiv als nur passiver Zuschauer“, erklärt er. Auch deshalb hat er sich an seiner Schule zum Vorsitzenden des Schülerrates wählen lassen.

Kameradschaft erleben und Spaß haben
Ähnlich denkt Fabian Schmelzer (16 Jahre). Seit einem Jahr gehört er zur Jugendgruppe des Weißen Kreuzes in Lana. Eine Freundin hat ihn dazu gebracht und seitdem lässt ihn der freiwillige Dienst nicht mehr los. „Man lernt sehr viel, von der Wiederbelebung über die stabile Seitenlage bis hin zur Wundversorgung“ sagt der Oberschüler, der sich durchaus vorstellen kann, später einmal auch beruflich diesen Weg einzuschlagen. Ein Ehrenamt kann viel Spaß machen.
Dabei lernen Jugendliche oft andere ähnlich Interessierte kennen und es entstehen Freundschaften fürs ganze Leben. „Wie eine zweite Familie bezeichnet Benjamin Settili (18 Jahre) seine Feuerwehrgruppe. Als meine Familie von Gummer nach Meran gezogen ist, habe ich mich bei der Jungfeuerwehr gemeldet. Die Kameradschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl sind für ihn sehr wichtig. An der Schule engagiert er sich als Fotoreporter und Tontechniker.

Fabian Schmelzer

Philipp Monauni

Eltern sind Vorbilder
Es war die Mutter, die Alexander Frei zum Weißen Kreuz gebracht hat. Vier Jahre macht der Oberschüler nun schon bei der Jugendgruppe in Lana mit. So wie er sagen die meisten Jugendlichen, sie finden ihre Aufgabe sinnvoll und haben das Gefühl, etwas zu bewirken. Jugendliche, die sich ehrenamtlich engagieren, lernen, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig selbstwirksam zu sein. Sie gestalten die Gesellschaft mit und tragen zu Veränderung bei.
Victoria Perkmann (17 Jahre) ist eine von nur drei Frauen bei der Freiwilligen Feuerwehr in Mölten und ist stolz darauf. Schon seit langem hilft sie bei den Feuerwehrfesten aus, ist aktiv beim Möltner Kirchtag dabei. „Man tut etwas Sinnvolles und kann anderen Menschen helfen“, sagt sie. „Wenn sich keine mehr zum ehrenamtlichen Dienst melden, dann würde vieles bei uns nicht mehr funktionieren“, ist die Möltnerin überzeugt.
Es war auch die Mutter, die Philipp Monauni dafür gewinnen konnte, als Ministrantenleiter in Tisens mitzumachen. Der 17-Jährige leitet heute eine 25-köpfige Ministrantengruppe, bereitet die Mädchen und Buben auf die Messfeiern vor, unternimmt mit ihnen Freizeitaktivitäten. Da gehen mehrere Stunden die Woche drauf, aber „es tut gut, zu sehen, mit welcher Freude die Kinder mitmachen“, sagt Philipp. Er findet es schade, dass immer weniger Menschen zum Gottesdienst kommen.
Als Ministrantenleiter lernt Philipp auch selbst viel fürs Leben, vom Planen, Organisieren bis hin zum Mediator und Vermittler.

Ohne Ehrenamt geht vieles nicht mehr
Dass Ehrenamtliche ein unverzichtbarer Bestandteil vieler Vereine und Organisationen sind, ist wohl jedem klar. Der Ehrenamtspreis „´s junge Ehrenamt“ für die Gemeinden Südtirols ist eine Kampagne des Südtiroler Jugendrings (SJR), der so das „junge Ehrenamt“ stärken möchte Dabei geht es sowohl darum Jugendlichen Anreize zu schaffen ehrenamtlich engagiert zu sein, als auch um eine wertschätzende Anerkennung der Gesellschaft dessen, was Jugendliche ehrenamtlich in den Kinder- und Jugendverbänden und darüber hinaus leisten.

Der Einsatz lohnt sich
Aber auch für die engagierten Jugendlichen lohnt sich der Freiwilligendienst. An erster Stelle wäre da wohl das Networking zu nennen, denn die Kontakte, Beziehungen und Freundschaften, die man aufbaut, können später einmal nützlich werden. Auch für die persönliche Weiterbildung kann die Arbeit als Ehrenamtlicher Früchte tragen, etwa bei Schulungen und Fortbildungen, zu denen man eingeladen wird. Außerdem sorgt ehrenamtliche Arbeit dafür, dass man sich bei Bewerbungen von anderen abhebt. Der Lebenslauf wird individueller und sticht ins Auge.

Das junge Ehrenamt in Südtirol ist überaus vielfältig

Tanja Rainer liegt die Kinder- und Jugendarbeit sehr am Herzen. Bereits in ihrer Schul- und Studienzeit  hat sie in verschiedenen Gremien und Vereinen für junge Menschen die Stimme erhoben, ihre Anliegen und Bedürfnisse vorgebracht und dafür gekämpft.
„Die Zukunft junger Menschen muss von ihnen selbst mitgestaltet werden. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Kinder- und Jugendpar­ti­zipation ausgebaut wird, denn da­durch können Kinder und Jugendliche am gesellschaftlichen Leben teilhaben und ein junges Südtirol mitgestalten“, sagt die Vorsitzende des Südtiroler Jugendringes.

Ein BAZ-Gespräch mit der SJR-­Vorsitzenden Tanja Rainer.
Mehr als 37.000 Straftaten wurden im Vorjahr in Italien von Minderjährigen begangen. Was halten Sie von den Maßnahmen, mit denen die Regierung das Problem in den Griff bekommen möchte?
Tanja Rainer: Hier wurde falsch vorgegangen. Anstelle dieser gesetzlichen Verschärfung hätte es mehr Investitionen für betroffene Familien gebraucht und verstärkt auf Prävention gesetzt werden müssen. Es müssen nicht die Symptome behandelt werden, sondern es muss auf die Ursachen eingegangen werden. Vor allem ist es sehr wichtig, dass junge Menschen Zugehörigkeit in der Gesellschaft erfahren und sich einbringen können und somit sich wahrgenommen fühlen und als Teil der Gesellschaft gesehen werden. Hier muss man sagen, dass es ein gesellschaftliches Problem ist und alle gemeinsam daran arbeiten müssen, dieses Problem zu lösen.

Tanja Rainer

Sind Jungendliche wirklich so schlimm, wie sie in den Medien und in der Öffentlichkeit oft dargestellt werden? In Meran spricht man z.B. von den „Babygangs“.
Die Jugend ist viel besser als ihr Ruf. Die Kritik an der Jugend ist seit vielen Jahren eine Konstante in der Gesellschaft. „Die Jugend liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität“, meinte schon Sokrates. Mein Wunsch an die Medien ist daher, dass sie die nachfolgenden Generationen nicht pauschal verurteilen, sondern viel mehr positive Aspekte betonen sollte, denn auch bei den Erwachsenen gibt es Probleme.

Der Südtiroler Jugendring vergibt seit Jahren die Auszeichnung „’s junge Ehrenamt“.  Was ist damit gemeint?
Richtig, heuer vergibt der Südtiroler Jugendring zum achten Mal diese Auszeichnung, auch Gemeinden-Ehrenamtspreis genannt. Mit dem Gemeinden-Ehrenamtspreis sollen die Gemeinden, die auf besondere Art und Weise das junge Ehrenamt unterstützen, Anerkennung erhalten. Zudem soll die wertvolle Arbeit der prämierten Gemeinden einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, um so Modell für andere sein zu können.

Das bedeutet, dass junge Menschen durchaus bereit sind, sich für andere zu engagieren?
Allein in den 16 Mitgliedsorganisationen des Südtiroler Jugend­rings, die insgesamt 65.000 Mitglieder haben, engagieren sich 6000 Jugendliche. Insgesamt sind die Ehrenamtlichen der Mitglieds­organisationen des SJR 700.000 Stunden pro Jahr tätig. Das sind beeindruckende Zahlen, die deutlich machen, dass Südtirols junge Menschen durchaus bereit sind, sich für andere zu engagieren.

Es gibt auch Ehrenamtsnachweise für Jugendliche.
Wir haben gemeinsam mit unseren Mitgliedsorganisationen sowie den Wirtschaftsverbänden den Ehrenamtsnachweis entwickelt, um der Gesellschaft den Wert des Ehrenamts zu verdeutlichen. Er findet über die Schule hinaus im Berufsleben Anerkennung und kann somit sowohl für die Anrechnung von Maturapunkten als auch für Bewerbungen verwendet werden. Der Ehrenamtsnachweis dokumentiert Kompetenzen, die junge Menschen im und durch das Ehrenamt erlernt haben. Ebenso bescheinigt er die im Ehrenamt ausgeübten Funktionen und Aufgaben. Beantragen können ihn Ehrenamtliche der Mitgliedsorganisationen des SJR.

Wo engagieren sich Jugendliche in Südtirol heute ehrenamtlich?
Je nach Interesse können sich junge Menschen in unterschiedlichen Bereichen engagieren. Das (junge) Ehrenamt in Südtirol ist überaus vielfältig.

Lohnt sich dieser freiwillige Einsatz für junge Menschen?
Und wie! Durch ehrenamtliche Tätigkeit kann man eine Menge lernen. So etwa das Moderieren und Leiten von Sitzungen, Organisations- und Führungskompetenzen, Teamarbeit und vieles andere mehr. Man lernt fürs Leben! Außerdem ist auch der „Spaßfaktor“ nicht zu unterschätzen. Man knüpft Freundschaften und kann sich sinnvoll zum Wohle der Gesellschaft einbringen.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei?
Diese können unterschiedlich sein. Auf alle Fälle aber ist die überhandnehmende Bürokratie ein großes Problem für das Ehrenamt. Es muss endlich wirksam gegengesteuert werden!

Was können Eltern und Erwachsene tun , um Jugendliche für das Ehrenamt zu gewinnen?
Es braucht mehr Wertschätzung für die ehrenamtlich geleistete Tätigkeit der jungen Menschen; daher sollten Eltern und Erwachsene den engagierten jungen Ehrenamtlichen mehr Wertschätzung entgegenbringen sowie auch auf den Mehrwert zum Wohle der Gesellschaft hinweisen und dazu motivieren.