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Vier Steine, ein Land

Der Name des Lehrers Franz Innerhofer ist eng verbunden mit dessen Heimatort Marling. Dass man dem Opfer früher faschistischer Gewalt dort eine Straße gewidmet hat, verwundert deshalb wenig. Es gibt entlang des Weges aber noch anderes zu entdecken.

Wer mit dem Rad von Algund kommt und Richtung Marling fährt, der erreicht über die Nörderstraße teils entlang des Bahndamms nach einigen Kilometern und am Oberwirt vorbei die Franz-Innerhofer-Straße. Der 36-­jährige Schulleiter und Kapellmeister, nach dem die Straße benannt ist, wurde am 24. April 1921 während eines Trachtenumzugs im Rahmen der Bozner Frühjahrsmesse von faschistischen Schlägertrupps erschossen. Dabei forderte er lediglich den Trachtenhut zurück, der einem seiner Schüler von faschistischen Schwarzhemden gestohlen worden war. Einer von denen zog daraufhin einen Revolver und schoss Innerhofer in die Brust. Er überlebte nur wenige Minuten. 48 weitere Personen wurden damals verletzt – es war der Bozner Blutsonntag, von dem wahrscheinlich schon jeder einmal in der Schule gehört hat. Radelt man auf dieser Straße weiter, so entdeckt man zur rechten Hand am Tiroler Platzl hinter der Bushaltestelle ein beeindruckendes Monument, das aus vier großen, hinkelsteinförmigen Felselementen besteht.
Wie in Tirol seit 1909 üblich, wird alle 25 Jahre der Ereignisse von 1809 rund um Andreas Hofer und den Widerstand gegen Bayern, Sachsen und Franzosen gedacht. Das letzte Mal also vor dreizehn Jahren 2009. Zu diesem 200. Gedenkjahr erschienen eine ganze Reihe neuer Bücher und Studien über den Tiroler Oberkommandanten und seine wechselvolle Zeit. Das Museum in St. Leonhard wurde großzügig ausgebaut, ein Andreas-Hofer-Bus tourte über ein Jahr lang durch das Land, so gut wie jede Heimatbühne hatte ein Hofer-Stück im Programm und der Sandwirt startete eine Zweitkarriere als Comic-Held in der erfolgreichen Publikation von Jochen Gasser und Norbert Parschalk.

Auch Marling hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen. Auf Initiative des Freundschaftskreises Marling-Kals am Großglockner und der Gemeindeverwaltung des Ortes wurde die Parkinsel an der Franz-Innerhofer-Straße neu gestaltet. Vier Findlinge aus den vier Landesteilen wurden nebeneinander aufgestellt und mit den jeweiligen Wappen versehen, ebenso mit der Flächenangabe, dem höchs­ten Berg, dem Hauptort und der damals aktuellen Einwohnerzahl. Die naturbelassene Gestaltung repräsentiere Zeitlosigkeit und ermögliche auch zukünftigen Generationen, ihr Wertschätzung entgegenzubringen. Für Nordtirol steht der Kramsacher Marmor aus dem gleichnamigen Ort, für Osttirol ein Serpentinit Tauern Grün aus der mit Marling befreundeten Gemeinde Kals, für Südtirol ein Granit Rieserferner Tonalit aus dem Reintal und für Welschtirol ein Porphyr Camparta Rosso oro aus dem Cembratal.
Der feste Sockel, auf dem die vier Felsen ruhen, solle Gesamttirol darstellen, das auf einer davor liegenden Steinplatte abgebildet ist. Für Entwurf, Planung und ausführende Arbeiten zeichnete Steinmetz An­dreas Tscholl aus Schenna-Naif verantwortlich. Feierlich eingeweiht wurde das Tiroler Platzl mit den Gedenksteinen am 25. Oktober 2009 unter Landeshauptmann Luis Durnwalder und Bürgermeister Walter Mairhofer. Der damalige Vizepräsident des Regionalrates Seppl Lamprecht betonte bei der Feier: „Was hier geschaffen wurde, ist etwas Bleibendes. Die vier Felsen bilden eine Einheit, wenn das Land auch zerrissen wurde.“
Christian Zelger