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Der Edle von Tappein als Tourismusfreund

Dass ein Weg oder eine Straße im Nachhinein mit einem bekannten Namen versehen wird, ist üblich. Es gibt aber auch einige Beispiele, bei denen die Namengebung von Anfang an mit einer bekannten Persönlichkeit verbunden war, so geschehen im Fall des Tappeinerwegs.

Er gehört sicherlich zu jenen Wegen, über die jeder Meraner oder Burggräfler zumindest in seiner Kindheit unzählige Male spaziert ist. Der Tappeinerweg ist ein Klassiker der Naherholung und mit den beschrifteten Täfelchen, die über die Vegetation Auskunft geben, auch noch überaus lehrreich. Ob Osmanthus heterophyllus, die Stachelblättrige Duftblüte, oder Photina serrulata, die Glanzmispel – Einheimische und Feriengäste kommen seit fast 130 Jahren voll auf ihre Kosten.

Am 15. Jänner 1892 berichtete „Der Burggräfler“, dass Franz Tappeiner anlässlich seines goldenen Doktorjubiläums 3000 Gulden „zur Anlegung eines Promenadenweges längs der sonnigen Gehänge unseres Küchelberges“ spendete. Das Projekt wurde von Bürgermeister Roman Weinberger unter dem Namen „Tappeinerweg“ öffentlich ausgeschrieben und die Dinge nahmen ihren Lauf. Grundeigentümer stellten Grundstücke dafür unentgeltlich zur Verfügung oder tausch­ten sie gegen andere ein, um das Unternehmen zu unterstützen. Im Mai des­selben Jahres waren die Arbeiten schon voll im Gange, es wurde sogar verlautbart, man wäre vor dem festgesetzten Termin fertig – das muss wahrlich eine andere Zeit gewesen sein. Im Herbst 1892 jedenfalls konnte er bereits intensiv genutzt werden. Ein Jahr darauf wurde der Weg in einem großen „Tappeinerfest“, wie es die Zeitungen nannten, offiziell seiner Bestimmung übergeben. Zu diesem Anlass komponierte Ludwig Pleier eigens den „Tappeiner-­Marsch“.

Franz Tappeiner, der Initiator, wurde am 7. Jänner 1816 als Sohn des Joseph Tappeiner und der Katharina Lechthaler auf dem Loretzhof oberhalb von Laas geboren. Das Geburtsjahr ist als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte eingegangen, mit Kälte, Schnee und Regen, und weltweitem Hunger, – wie man heute weiß – ausgelöst von einem Vulkanausbruch in Indonesien, der stärker war als der Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr. Franz sollte später einmal den elterlichen Hof übernehmen. Früh jedoch wurde seine Begabung erkannt und der Weg ins Gymnasium geebnet. Sein Medizinstudium brachte ihn nach Innsbruck, Padua, Prag und Wien. Nach dem Abschluss wirkte er zunächst im Vinschgau und kam dann im Alter von 30 Jahren als Kurarzt nach Meran. Eine Entscheidung, die sich auszahlen sollte – für ihn und für seine Patienten. Er beobachtete die positiven Wirkungen des lokalen Klimas bei verschiedenen Krankheiten und kümmerte sich um den Aufbau sanitärer Infrastrukturen. Mit seinen außergewöhnlichen Therapien kurierte er nicht nur Lungen- und Nervenleiden, sondern sorgte für frischen Wind in Meran und Umgebung. 1847 heiratete er Mathilde von Tschiderer von Gleifheim, mit der er zwei Kinder hatte, Sohn Hermann, später selbst Mediziner und Pharmakologe, und Tochter Hedwig. Im Revolutionsjahr 1848 kandidierte er für die Frankfurter Natio­nalversammlung, erfolglos, den Sitz erhielt der bekannte Historiker und Priester Beda Weber. Er widmete sich fortan wieder intensiv seinen Patienten und Kuren.

Ihn allerdings auf seine medizinischen Tätigkeiten zu reduzieren, würde Franz Tappeiner keinesfalls gerecht werden. Schon als Student hatte er Kräuter und Pflanzen gesammelt und vermachte diese wohlgeordnet dem Ferdinandeum in Innsbruck. Auch als Anthropologe war er unterwegs und vermaß Schädel von Lebenden und Toten. Als man im Oktober 1880 bei Grabungen in Obermais auf mehrere Skelette gestoßen war, zog man Dr. Tappeiner sofort hinzu und übergab ihm einen der besser erhaltenen Schädel. Vermutet wurde, dass es sich um Pestopfer handle, die eingekeilt zwischen Steinen und ohne Särge beerdigt worden waren. Tappeiner selbst starb am 19. August 1902 auf seinem Schloss Reichenbach in Obermais 86-jährig an einer Gehirnblutung. Der Priester notierte: „als bewährter Kurarzt, geadelt mit dem Prädicate‚ ,Edler von Tappein‘“. Vier Jahre vor seinem Tod war ihm dieser Titel von Kaiser Franz Joseph für seine Verdienste verliehen worden.

Christian Zelger