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Advent 2021

Das Wort „Advent“ geht auf das lateinische „adventus“ zurück, das übersetzt „Ankunft“ heißt und auf das Kommen Christi hindeutet. Ursprünglich war die vorweihnachtliche Zeit eine Buß- und Fastenzeit. Im Gegensatz zu früher gilt der Advent heute nicht mehr als Bußzeit, wenngleich etwa die violette Farbe der Messgewänder noch darauf hinweist. Und doch: Der heurige Advent im Bann von Covid-19 fordert uns mehr denn je heraus, unser Leben zu hinterfragen.
von Josef Prantl

Dr. Peter Grüner, Hausarzt in Schenna, bringt es auf den Punkt: Wie wollen wir leben? Was brauchen wir wirklich, um zufrieden zu sein? Wie gehen wir mit uns selbst, unserem Körper, unserer Psyche, unserem Geist um? Wie gehen wir mit unseren Mitmenschen um? Wie gehen wir mit unserer Umwelt um?

Advent 2021 im Bann des Virus
Letztes Jahr fielen die Weihnachtsmärkte komplett aus. Auch wenn die Corona-Infektionen mittlerweile täglich steigen, die 5 großen Südtiroler Christkindlmärkte in Bozen, Meran, Brixen, Bruneck und Sterzing sowie mehrere kleinere, wie der in Algund oder Lana, finden statt. Checkpoints zur Kontrolle des Green Pass wurden eingerichtet. Ein farbiges Armband, ähnlich wie jene, die man vom Zutritt zu Discos oder All-Inklusiv-Clubs kennt, verspricht Zutritt zu allen Christkindlmärkten. Das Damoklesschwert des plötzlichen Aus hängt allerdings über alle Märkte, sollte sich die Coronalage deutlich verschlimmern.
Es ist nicht so, dass Warnungen gefehlt hätten oder die Dynamik der Corona-Pandemie wirklich nicht vorherzusehen gewesen wäre. Virologen erheben seit Monaten ihre Stimme, dass wir mit der aktuellen Impfquote nicht durch den Winter kommen. Mit der Omi­kron-Variante droht neues Ungemach. Schon die sehr ansteckende Delta-Variante von SARS-CoV-2, eine stagnierende Impfquote und steigende Infektionszahlen ließen nach einem Sommer voller Freiheiten die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie schnell schwinden. Das Licht am Ende des Tunnels wird mit den steigenden Infektionen immer kleiner. Dazu kommen Meldungen von Virusvarianten aus Südafrika oder Kolumbien. Die Befürchtung, dass sie den Schutzschild der Impfstoffe noch leichter durchdringen könnten, ist groß. Mittlerweile ist die Situation nicht deutlich besser als im vergangenen Jahr. „Wir riskieren wieder einmal einer Überlastung der Krankenhäuser entgegenzulaufen”, so Landeshauptmann Arno Kompatscher. Die Notbremse wurde nun gezogen: der Grüne Pass ist nur mehr 6 Monate gültig, die 2G-Pflicht ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens vorgeschrieben, die Drittimpfung läuft. Diese Maßnahmen seien eine Reaktion auf die aktuelle Entwicklung der Impfstoffe, die schneller an Wirksamkeit verlieren als gedacht, lautet die Begründung.  Strenge Kontrollen, die Einhaltung der AHA-Regeln, Testpflicht auch für Geimpfte angesichts der Impfdurchbrüche, fordern Experten. Andere sehen im Lockdown für Ungeimpfte und in der Impfpflicht – so schnell wie möglich – den einzigen Weg aus der Pandemie. Ab dem 15. Dezember gilt sie für Lehrer/-innen, das Verwaltungspersonal von Schulen, für Sicherheits- und Ordnungskräfte und für das Verwaltungspersonal des Gesundheitswesens. Und dann ist da die relativ große Zahl der Impfgegner aus den unterschiedlichsten Gründen. Zurzeit sind rund 70 Prozent der Südtirol Bevölkerung zweimal geimpft. Wenigstens 85 Prozent bräuchte es für einen halbwegs guten Schutz, sagt der Gemeindearzt Peter Grüner (siehe Interview).  Die Bruchlinien zwischen Impfgegnern und der Mehrheit der Gesellschaft werde immer größer, der Dialog auf beiden Seiten ist oft nicht mehr möglich. Gefährlich beschreibt die Stimmung der ehemalige Politiker Sepp Kuss­tatscher und ruft zum Dialog auf. Arno Teutsch warnt vor einer Politik der Spaltung und der pauschalen Verurteilung der Nichtgeimpften. „Es gibt keine Berechtigung, die Nichtgeimpften für die Covid-19-Infektionen verantwortlich zu machen“, zitiert Teutsch eine aktuelle Studie aus der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“

Booster für die Reichen, nichts für die Armen 
In Afrika sind gerade einmal 5 Prozent der Bevölkerung geimpft. Es bräuchte 3 Milliarden Impfdosen und die G20-Staaten haben gerade einmal 194 Millionen von den versprochenen 1,3 Milliarden Impfdosen zugestanden. „Die Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoffen hält nicht nur die ärmsten Länder, sondern die ganze Welt zurück. Im Rennen um den COVID-Impfstoff gewinnen wir entweder gemeinsam oder wir verlieren alle“, sagt Henrietta Fore, Generaldirektorin von UNICEF. Und WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus verurteilt Auffrischungsimpfungen für gesunde Geimpfte in den reichen Ländern. Auffrischungen bei ihnen oder das Impfen von Kindern mache keinen Sinn, solange Gesundheitspersonal und besonders gefährdete Menschen in ärmeren Ländern noch auf ihre erste Impfdosis warteten, sagte Tedros.

Warum die Pandemie auch für Geimpfte nicht vorbei ist 
Wenige kritische Stimmen weisen auf die Impfdurchbrüche hin, die nicht unbedingt für das Allheilmittel Impfung sprechen. Dass der Grüne Pass nur noch 6 Monate gelten soll, spricht auch nicht gerade für eine Impfeffektivität. Niemand kann voraussagen, ob nach der dritten Impfung – wir sprechen von Booster – der Schutz ausreichend ist. Sollte man vor diesem Hintergrund nicht einmal die Strategie überdenken? fordern einige wenige Stimmen. „Kein Land kann sich einfach aus der Covid-19-Pandemie herausimpfen“, sagt Tedros. „Mit der richtigen Mischung aber können Länder sowohl die Übertragung von Covid-19 niedrig halten als auch ihre Gesellschaften und Wirtschaft offenhalten“, so der WHO-Chef. Nach Angaben der WHO fehlen für das Ziel, bis Ende des Jahres in jedem Land der Welt 40 Prozent der Bevölkerung zu impfen, noch 550 Millionen Impfdosen. So viel werde innerhalb von zehn Tagen hergestellt. Die WHO appellierte erneut an Länder mit großen Mengen Impfstoff, auf neue Lieferungen zugunsten des UN-Programms „Covax“ zu verzichten, das vor allem ärmere Länder versorgt.

Gespaltene Gesellschaft? 
Und dann sind da noch die sogenannten Impfgegner, die immer mehr an den Rand gedrängt werden und denen der Schwarze Peter für mehr oder weniger alles zugeschoben wird. Wer sich nicht impfen lasse, sei schuld an der vierten Corona-Welle, Schuld daran, dass alle anderen immer noch nicht normal leben könnten, schuld an der Überlastung der Pflegekräfte und womöglich auch schuld daran, dass Menschen mit Herzinfarkt oder Krebs bald nicht mehr in den Krankenhäusern versorgt werden könnten. So die Vorwürfe im Netz gegen die Impfgegner. Mittlerweile gäbe es verschiedene Möglichkeiten, die Krankheit Covid-19 erfolgreich zu behandeln, für Impfschäden jedoch gäbe es keine Heilung, argumentieren diese wiederum und fordern die Impffreiheit. „Können durch einen Nadelstich die Welt und die Gesellschaft in verantwortungsvolle und brave Staatsbürger und in verantwortungslose, gefährliche Volltrottel geteilt werden?“, fragt der Journalist und Salto-Gründer Christoph Franceschini besorgt über die sich abzeichnende Polarisierung. Zahlen spielen in der Pandemie eine große Rolle. Regelmäßig meldet sich der Brunecker Biostatistiker Markus Falk zu Wort. Doch was sagen die Daten über die Pandemie aus? Dass die Werte mit Vorsicht zu interpretieren sind, gesteht auch das renommierte Robert-Koch-Institut ein.

Pandemie ist eine globale Krise  
SARS-CoV-2 wird vermutlich – wie die Spanische Grippe – weiter mutieren. Mit der Zeit würde das menschliche Immunsystem dazu in der Lage sein, das Virus auch ohne Unterstützung durch eine Impfung abzuwehren. Doch bis dieser Punkt erreicht ist, würden viele Menschen erkranken und sterben. „Das ist keine Methode zum Erlangen von Grund­immunität, die für uns in Frage kommt“, sagt der Südtiroler Immunologe Bernd Gänsbacher. Experten zufolge ist der sicherere Weg, die Ausbreitung der Krankheit mithilfe von bestimmten Maßnahmen zu verlangsamen. Viruskrankheiten wie die Grippe werden durch Impfungen unter Kontrolle gehalten. „Da die verfügbaren COVID-19-Vakzine sicher und wirksam sind, können sie dabei helfen, das Ende der Pandemie schneller herbeizuführen. Sie sorgen dafür, dass auf dem Weg dahin weniger Menschen sterben, als wenn man dem Virus freie Bahn ließe, ist sich Gänsbacher sicher. Indem man aber dem Virus die Gelegenheit bietet, sich zu verbreiten und zu mutieren, nimmt man die Entstehung neuer Varianten in Kauf, die nicht nur ansteckender, sondern auch schwerer zu bewältigen sind. Die Delta-Variante ist bisher die ansteckendste. Sie wurde zuerst in Indien festgestellt, wo sie im April 2021 zu einer der weltweit verheerendsten Infektionswellen geführt hat.

Es geht nicht nur um Covid-19 
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es schon fast als Tabubruch gilt, anderen etwas vorzuschreiben. Der Dialog ist wichtig, die Demokratie ist zu schützen und zu verteidigen, allerdings in einer Pandemie haben wir nicht die Zeit, lange zu diskutieren, meint der Schenner Gemeindearzt Peter Grüner. „Wenn die Etsch übergeht, müssen wir handeln.“ Je länger wir brauchen, einen Konsens zu finden, umso mehr steigt das Risiko der eigenen Erkrankung oder der Erkrankung der noch nicht impfbaren Kinder oder immungeschwächten Großeltern massiv.

Die BAZ sprach mit dem Schenner Gemeindearzt Peter Grüner über die aktuelle Situation, die Auffrischungsimpfung und die Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Nichtgeimpfte.  

Die Coronapandemie stellt Fragen an unseren Lebensstil, sagt Peter Grüner

Wie erleben Sie als Gemeindearzt die aktuelle Covid-19 Situation in Schenna? 
Dr. Peter Grüner: Die Arbeit als Hausarzt/-ärztin, als Pfleger/-in oder als Arzt/Ärztin auf der Covid-Station im Krankenhaus, aber auch als Altenpfleger/-in hat Ausmaße angenommen, die länger nicht tragbar sind. Viele von uns arbeiten am Limit. Es fehlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei ist die Versorgung von schwerstkranken Covid-Patienten sehr personalaufwendig. Es macht mich wütend und traurig, dass die restliche medizinische Versorgung sehr darunter leidet. Patienten, die längst eine Fach­arztvisite bräuchten, bekommen keinen Termin, Operationen müs­sen hin­aus­ge­schoben, Therapien vertagt werden. Wir kommen im Ge­sund­heitswesen nicht mehr nach, wenn wir die Hospitalisierung der Covid-Erkrankten nicht in den Griff bekommen.

Viele sprechen von einer vierten Corona-Welle, die auf uns zurollt. Erleben Sie das auch so? 
Wir stecken mitten drin. Die Infektionen steigen; den ganzen Sommer über hatte ich eine Handvoll Patienten, die positiv waren, jetzt sind es Dutzende. Viele Länder erleben einen steilen Anstieg an Neuinfektionen und Erkrankungen. Dass es dazu kommen konnte, hängt mit der Impfskepsis, dem kälteren Wetter, dem nachlassenden Impfschutz, der ansteckenderen Delta-Variante, vor al­lem aber auch mit der Tatsache zusammen, dass sich immer weniger an die AHA-Regeln halten.
Die 3. Impfung steht für viele Geimpfte an: Warum sollte man sie machen und wer vor allem sollte die Corona-Auffrischimpfung bekommen?
Senioren und Menschen mit Vor­erkrankungen sollen die Booster-­Impfung gegen Covid-19 auf alle Fälle machen. Wenn wir aber die Pandemie eindämmen und die Überlastung des Gesundheitswesens verhindern möchten, dann sollten sich möglichst alle, zumindest alle Erwachsenen, impfen las­sen. Da die Wirksamkeit des Impfschutzes – wie im Übrigen auch bei anderen Impfungen – mit der Zeit abnimmt, ist eine Auffrischungsimpfung notwendig.

Ist dann aber Schluss mit dem Impfen? 
Nein, das zeigen die Impfdurchbrüche bei der Delta-Variante. Sobald eine neue, gefährlichere Variante auftritt, beginnt das Spiel von Neuem. Die Impfstoffe werden an diese Varianten angepasst. Der Schutz hält ja nur begrenzt, also sind Auffrischimpfungen notwendig. Ich denke, dass wir irgendwann einmal eine Grund­immunität gegen Covid-19 aufbauen werden, ähnlich wie bei der Grippe. Dann werden sich nur mehr jene impfen müssen, die Vorerkrankungen haben oder betagt sind. Bis es aber soweit ist, wird es noch einige Jahre brauchen. Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben.

Die Forderung nach einer Impfpflicht wird immer lauter. Wie denken Sie darüber?  
Ich bin ein frei denkender Mensch und eine Impfpflicht freut mich überhaupt nicht – ich sehe sie als ultima ratio. Impfpflicht ist allerdings nichts Neues, es gibt sie für bestimmte Situatio­nen und Tätigkeiten schon lange: bestimmte Impfungen bei Kleinkindern, Tetanus-Impfung bei Handwerkern, Hepatitis-B-Impfung in Gesundheitsberufen, Impfungen bei Reisen in ferne Länder … Natürlich wäre es ideal, über gute Aufklärung der Bevölkerung eine hohe Impfquote gegen Corona auf freiwilliger Basis zu erreichen. In Zeiten von Facebook und WhatsApp scheint das aber sehr schwer zu sein, da nicht mehr die Meinungen eines bekannten und vertrauten Fachmenschen zählen, sondern die (zum Teil leider haarsträubenden) Ansichten eines Unbekannten im Internet. Ich selbst sehe im Moment keine Möglichkeit, ohne Impfung aus der Krisensituation herauszukommen. Ich sehe die Länder mit hohen Impf­raten, die jetzt halbwegs gut durch die Pandemie kommen, während andere mit geringen Impfraten große Probleme haben. Wenigstens 85 Prozent der Bevölkerung müssen geimpft sein, damit ein Schutz gewährleistet ist. Besser wäre noch mehr. Es wäre super – und andere Länder machen es vor – wenn man das ohne Impfpflicht erreichen würde. Nicht glücklich bin ich mit der Corona-Impfung der Kinder. Wenn sich die Erwachsenen und Jugendlichen alle impfen würden, dann wäre sie wahrscheinlich nicht notwendig. Wie in der Klimafrage Solidarität unseren Enkeln gegenüber gefragt ist, sollten wir sie hier unseren Kindern gegenüber zeigen.

Würde sich mit einer Impfpflicht die ohnehin schon angespannte Situation im Gesundheits- und Pflegesektor nicht noch mehr zuspitzen? 
Ich bin wie gesagt kein Freund der Impfpflicht. Sie für bestimmte Berufsgruppen einzuführen, kann Sinn machen, kann aber auch kritisch und für die Gesellschaft womöglich schädlicher sein als eine allgemeine Impfpflicht für eine absehbare Zeit. Konkret im Gesundheits- und Pflegebereich würde sich die Situation mit einer allgemeinen Impfpflicht womöglich sogar verbessern, da dadurch Impfverweigerern in diesem Sektor die Alter­na­tive erschwert wäre, eine andere Tätigkeit zu finden. Aber die Ein­führung einer Impfpflicht ist eine sehr schwere, sehr heikle po­litische Entscheidung.

Ist die Strategie richtig, alles auf die Impfung zu setzen, um aus der Pandemie herauszukommen? 
Wir haben drei Möglichkeiten. Erstens: wir impfen und schützen so uns selbst, senken damit die Hos­pitalisierungsrate und das Gesundheitswesen kann alle Erkrankten versorgen. Die zweite Möglichkeit: wir lassen der Pandemie ihren spontanen Verlauf, tun gar nichts. Das bedeutet, dass viele Menschen an Corona sterben werden, das Sanitätswesen zusammenbrechen wird und damit viele Menschen auch an Nicht-­Corona-Erkrankungen lei­den und versterben werden. Die dritte Möglichkeit: wie sperren uns alle ein, sozusagen ein immer wiederkehrender Lockdown. Wie lange die Gesellschaft das aber aushält, ist fraglich. In der medikamentösen Therapie von Covid-­19 hat sich einiges gebessert, aber der ganz große Wurf ist noch nicht gelungen. Und es ist erschreckend, wie manche Menschen irgendwelche, absolut ungenügend studierte Substanzen zu sich nehmen, nur weil irgendjemand im Internet behauptet hat, sie würden gegen Co­rona helfen. Auch zu glauben, das Gesundheitswesen könnte in kürzester Zeit so ausgebaut werden, dass die Hospitalisierung kein Problem mehr darstelle, ist eine Illusion. Es fehlt schlicht und einfach das Personal. Die Strukturen sind ja nicht das Problem, aber das Fachpersonal schon, das lässt sich nicht kurzfristig finden.

Die sogenannten Impfdurchbrüche sind für die Impfgegner ein Beweis, dass die Impfung nicht wirkt. Was entgegnen Sie ihnen? 
Es war immer klar, dass die Impfung nicht vollständig schützt, aber sie verhindert zu über 90 % schwere Verläufe, die Ansteckungsgefahr ist geringer und das Virus wird weniger verbreitet. Für das Gesundheitssystem ist das wichtig. Es geht in erster Linie darum, die Hospitalisierungsrate zu senken, damit alle Erkrankten – auch die Nicht-Covid-Erkrankten – behandelt werden können.

Der Weltärztepräsident Montgomery spricht von einer „Tyrannei der Ungeimpften“. Zurecht?
Ich würde das nicht so radikal sagen. Fakt ist, dass wir ohne die Impfung nicht aus der Pandemie herauskommen. Ich frage mich, wie lange eine Gesellschaft es aushält, dass sich viele Menschen nicht impfen lassen und damit das System schwer belasten. Alle Daten zeigen, dass die Impfung die Sterblichkeitsrate und die Krankenhauseinweisungsrate erheblich senkt. Die Entlastung des Ge­sund­heits­we­sens erreichen wir nur über die Impfung oder immer wie­der­keh­rende Lockdowns!

Der Graben zwischen Impfgegnern und der Mehrheit der Gesellschaft tut sich immer weiter auf. Wie erleben Sie diese Polarisierung bei Ihrer Arbeit?  
Ich erlebe sie vor allem im privaten Bereich. Es tut weh, wenn Freundschaften deswegen auseinanderbrechen. Ich kann intellektuell nachvollziehen, dass Menschen einer Impfung kritisch gegenüberstehen, aber die Argumente dagegen sind für mich nicht überzeugend, einige erschrecken mich. Absolut nicht verstehen kann ich, dass viele gegen die AHA-Regeln sind. Die Pandemie macht deutlich, wo wir als Gesellschaft hingekommen sind. Wir sind zu einer Spiel- und Spaßgesellschaft geworden. „Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, was ich zu tun habe“ ist zum Credo geworden. Wir sind eine Gesellschaft, die jederzeit alles haben will und keine Einschränkungen in Kauf nehmen kann. Aber gerade darin sehe ich auch die Chance dieser Krise: sie hat schonungslos gezeigt, woran unsere Gesellschaft schon vor Corona gekrankt hat. Wie wollen wir leben? Was brauchen wir wirklich, um zufrieden zu sein? Wie gehen wir mit uns selbst, unserem Körper, unserer Psyche, unserem Geist um? Wie gehen wir mit unseren Mitmenschen um? Wie gehen wir mit unserer Umwelt um? …

Zum Schluss noch eine Frage zur Grippe: Wird sie heuer zum Problem und sollte man sich impfen lassen? Dann wären das 2 Impfungen. Ungefährlich? 
Wie gesagt, solange wir eine Pandemie haben, geht es immer auch darum, stationäre Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Ich gehe davon aus, dass der heurige Winter Corona-bedingt recht herausfordernd wird und ich würde daher alles tun, um einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Daher ist die Grippeimpfung heuer mehr denn je zu empfehlen. Persönlich würde ich sie nicht unbedingt zusammen mit der Corona-Auffrischungsimpfung machen, auch wenn das zugelassen ist und kein Problem darstellen sollte.

Zwei Stimmen von Impfgegnern
Nicht alle Impfgegner sind Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker. Meist stehen Ängste dahinter.

I. D., 56 Jahre, weiblich 
Ich schicke voraus, dass ich immer versucht habe, ohne Medikamente zu leben. Ich habe mein Leben lang keine medizinische Versorgung in Anspruch genommen, ausgenommen die wenigen chirurgischen notwendigen Eingriffe. Mein Hausarzt hat mich noch nie zu Gesicht bekommen. Ich sorge dafür, tagtäglich mein Immunsystem zu stärken. Ich finde es eine Form von Gewalt, wenn man von mir jetzt verlangt, dass ich meinem Körper einen Impf­stoff zukommen lassen muss, von dem ich überzeugt bin, dass er für mich schädlich ist.  Zudem finde ich es bedenklich, dass innerhalb kürzester Zeit ein Impfstoff hergestellt wird, wo doch normalerweise es ein Jahrzehnt braucht, bis ein Impfstoff wirklich als sicher gilt. Es gibt mir zu bedenken, dass plötzlich weltweit gleich mehrere Impfstoffe kursieren, dazu noch basierend auf einer Methode, die völlig neu ist. Ich will kein Versuchskaninchen sein.  Die Hoffnungen, die uns durch die Impfung gemacht wurden, haben sich bis heute nicht erfüllt. Ich bin überzeugt, dass die Impfung nicht der Weg aus dieser Pandemie ist, sondern dass es hier um eine Transformation der Gesellschaft geht bis hin zu einem kontrollierten Menschen, zu einer technokratischen Welt, in der wir zu funktionieren haben. Die derzeitige Entwicklung macht mir Angst und Bange. Weniger der Gedanken, dass das Virus mich irgendwann mal „erwischen“ kann. Mehr fürchten mich Hass, Hetze, Intoleranz, manipulierte Information und ganz allgemein, die Entwicklung der Demokratie. Wer bestimmt die Gesundheitspolitik im Staate? Die Regierung? Das Parlament? Oder das „Comi­tato tecnico scientifico“, dessen Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie nie wirklich geklärt worden ist? Fakt ist, dass die Pharmaindustrie zu einem der profitabelsten Wirtschaftszweige geworden ist und wesentlich gesellschaftspolitische Entscheidungen bestimmt. Das kann wohl niemand abstreiten!  Hätten wir eine bessere Gesundheitsinfrastruktur, mehr Krankenhausbetten und mehr gutbezahltes und wertgeschätztes Pflegepersonal, könnten wir der Corona-Krise wie einer schweren Grippewelle begegnen. Die Politik hätte in den vergangenen Jahren einfach ihre Hausaufgaben machen müssen.

A.H., 58 Jahre, männlich 
Impfgegner bin ich aus Überzeugung und kann das auch begründen: Höchst verdächtig, mit welcher Geschwindigkeit angeblich effektive Impfstoffe gegen eine angebliche globale „Pandemie“ in Labors entwickelt wurden und angeblich als „schützend“ angepriesen werden. Höchst verdächtig, wie Politik und Medien Ängste und Panik im Volk schüren, um möglichst schnell Impfstoffe an den Mann, an die Frau, an Jugendliche und an Kinder zu bringen. Skandalös, wie parallel zur Impfkampagne Grundrechte ausgehebelt werden, die Demokratie mit Füßen getreten, in den sozialen Medien kritische Bericht gelöscht und wie massiv Militär und Polizei eingesetzt werden. Reiner Zynismus, wie die globale Impfkampagne vorangepeitscht wird, obwohl täglich aus aller Welt erschreckende Berichte ans Licht kommen, wie schädlich die Impfnebenwirkungen sind und dass viele Tote zu beklagen sind. Aber wer klagt? Die Tatsache, dass in meinem persönlichen Umfeld immer mehr Geimpfte über körperliche Gebrechen berichten, zementiert meine kritische Haltung dieser „Impfkampagne“ gegenüber.